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Alte Liebe rostet nicht: Walter Schillings "Wanderer"-Fahrrad aus dem Jahr 1938 blitzt wieder wie neu

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

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von Dieter Gürz

Das Wort "Oldie" hat für den Veitshöchheimer Architekt Walter Schilling vielfältige Bedeutung. Mit seinen 80 Jahren zählt er ohne Zweifel zu dieser  Kategorie. Auch berufsmäßig hat er schon viele historische Kirchen wie die Vituskirche in seinem Heimatort restauriert, nebenbei baute er aber auch Neuartiges wie die Mainfrankensäle in der Stadtrandgemeinde. Eine Vorliebe für "alte" Sachen hat er auch in seinem privaten Umfeld. So ist er auf der Suche nach einem alten Häuschen im Altort, um hier für seine in vielen Jahren gesammelten "Oldies" ein Museum einzurichten. Ganz und gar ein Oldtimer  ist sein Fahrrad, das er 1938 im Alter von acht Jahren voller Stolz sein eigen nennen durfte. Damit  er als  "Bimpf" es fahren konnte, hatte ihm sein Vater einen Sattel direkt auf die Querstange montiert, damit er überhaupt mit seinen Füßen die Pedale erreichen konnte.

Mit 15 leistete ihm der Renner ohne Gangschaltung gute Dienste, um mit Schulfreunden das Voralpengebiet von Kempten bis Berchtesgaden zu durchqueren. Und bis vor einem Jahr nutzte er das "alte" Stück noch regelmäßig, um von seinem Haus im Sendelbach den Ort und manchmal auch, um sein Architekturbüro in der Zellerau in Würzburg aufzusuchen.

Doch der Zahn der Zeit hatte auch mit dem 72 Jahre alten Vehikel kein Mitleid, versagte zuletzt die total verklebte Rücktrittsbremse ihren Dienst und auch ansonsten war der "alte Bock" zur Rostlaube verkommen. Bei jedem anderen wäre er wohl im Sperrmüll gelandet. Nicht jedoch  für den auch mit 80 noch immer aktiven Architekten, gerade plant er den 10 Millionen Euro teuren Mainfrankensäle-Um-/Anbau. 

In dem ortsansässigen Fahrradhändler- und -Mechaniker Stefan Einberger (S & S-Bikes) in der Thüngersheimer Straße fand er einen Zeitgenossen, der selber ein Faible für Oldtimer hat. Wie wie auf dem Foto oben hinten zu sehen, nennt Einberger auch einen seltenen  Lincoln, Baujahr 1979 mit Lederdach und roten Ledersitzen sein eigen, mit dem er 2010 beim großen US-Oldtimertreffen in Geiselwind den ersten Platz einfuhr.

Obwohl gerade die neue Fahrradsaison begonnen hatte, packte den Tüftler der Ehrgeiz und nach 30 Stunden Arbeitszeit hatte er mit viel Liebe ins Detail Walter Schillings sehnlichsten Wunsch erfüllt. Der alte rostige, museumsreife "Schinken" ist nicht mehr wieder zu erkennen und wieder voll funktionsfähig einsetzbar.

  WandererSymbol
WandererSymbol

So blinkt nun das Wanderer-Symbol wieder wie früher silbern und spiegelt sich auf dem vorderen,  sehr aufwändig neu lackierten Schutzblech, sowie wie der Stern auf der Mercedes-Haube. Selbst die weiteren Wanderer-Erkennungssymbole, die blauen und weißen Linien auf Rahmen, Schutzblechen und Felgen (im Foto oben zu erkennen)  wurden wieder  liebevoll aufgetragen.

Anfang der 30er Jahre gehörte das 1985 von den beiden Fahrradpionieren Richard Adolf Jaenicke und Johann Baptist Winklhofer in Chemnitz eröffnete "WANDERER"-Unternehmen mit 100.000 verkauften Rädern pro Jahr zu den größten und renommiertesten deutschen Herstellern. Der Weltkrieg und vor allem die 1956 folgende Enteignung des Chemnitzer Werks durch die DDR schienen alle Hoffnungen auf eine Zukunft der Fahrrad-Marke zu verbauen.

Tatsächlich gingen Jahrzehnte ins Land, bis eine Renaissance möglich wurde und die Manufactum GmbH aus Waltrop

die Marke WANDERER mit neuem Leben erfüllte und an die Tradition anknüpfend Fahrräder baut, die technisch einen Schritt voraus sind, immer unter der Prämisse der Wertbeständigkeit.

Und dass Schillings Wanderer-Rad aus dem Jahr 1938 über eine Wertbeständigkeit verfügt, die ihresgleichen sucht, konnte zu seiner großen Verblüffung nun auch  Stefan Einberger feststellen.  Voller Begeisterung sagt der Fahrrad-Freak, dass der "Wanderer" über einen Freilauf verfügt, der für die Ewigkeit gebaut zu sein scheint.  Bis auf wenige Ausnahmen wie den authentisch alt erscheinenden englischen "Brooks-Sattel" und die hölzernen Griffe des Lenkers konnte er die Originalteile wieder aufbereiten.

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Lampe

So erstrahlt auch die originale Vorderlampe wieder so, als ob sie gerade aus dem Werk kommt. Mit Spezialreinigungswolle brachte der Fahrradexperte selbst den total verrosteten Innenschirm wieder zum Blinken.

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Dynamo

Auch der 72 Jahre alte Dynamo ist wieder voll funktionsfähig. Neu ist  das Rücklicht, denn früher reichte ein Rückstrahler ohne Stromzufuhr aus. Dagegen sind neben Rahmen und Schutzblechen auch Bremsen, Gepäckträger, die Räder mit neu eingespeichten Radnaben, die Tretkurbel für die Kette und auch fast alle Schrauben noch Originalteile.

 

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Eine Besonderheit ist der originale Fahrradständer (im Bild) mit veränderbar einstellbaren Neigungswinkel, je nach Schräglage. Auch verfügt der Oldtimer über eine Feststellschraube für den Lenker, damit das Gefährt nach dem Abstellen nicht umkippen kann.

Sichtbar voller Stolz fuhr schließlich Senior Schilling von dannen, reute ihn auch nicht das viele Geld, die die Aufmöblierung seines Lieblings kostete und für das er sich auch  ein komfortables Elektrofahrrad hätte  zulegen können. Wie er sagte, ist  er noch voller Tatendrang und hat bereits für die Osterfeiertage seine nächste Tour mit seinem jetzt wieder wie  neu erscheinenden und voll funktionsfähigen  "Wanderer-Oldie"  geplant, auch wenn dieses über keinerlei Gangschaltung verfügt.

 

 

 

 

 

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