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Erben der Bilhildis – Archäologische Spuren eines frühmittelalterlichen Adelssitzes in Veitshöchheim Ein überraschender Fund beim Ausbau der Kirchstraße

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Was als routinemäßige Leitungsverlegung begann, entwickelte sich im Frühjahr 2021 zu einer kleinen archäologischen Sensation: Beim Ausbau der Kirchstraße von Veitshöchheim stieß ein Baggerfahrer nahe der St.-Vitus-Kirche auf menschliche Knochen. Die Baustelle wurde daraufhin unter archäologischer Aufsicht weitergeführt (Im Bild Tomasz Kozik M.A., Firmeninhaber des Würzburger Büros für Archäologie Neupert, Kozik & Simm) – und förderte mehr zutage, als man erwartet hatte: Mauerreste verschiedener Bauphasen und zahlreiche Gräber. Einige dieser Bestattungen lagen direkt unter alten Fundamenten. Besonders spannend: Ein Grab enthielt die Überreste eines über 60-jährigen Mannes, der anhand naturwissenschaftlicher Untersuchungen ins 8. Jahrhundert datiert werden konnte – also in die Zeit der Merowinger.

"Wir wollten nicht, dass diese Grabungen hier in Vergessenheit geraten und sie komplett umsonst waren," erklärt am Dienstag Veitshöchheims Bürgermeister Jürgen Götz bei einem Pressetermin an der Umfassungsmauer, die den Kirchplatz vom Rathaushof trennt. Die Gemeinde hat deshalb hier eine Info-Tafel installiert, auf der die Ergebnisse der Grabungen  festgehalten sind, die das Büro für Archäologie Neupert, Kozik & Simm GbR mit Außenstelle in Würzburg gemäß den Bauauflagen der Denkmalbehörden durchführte. Karen Heußner (re.) betont im Beisein ihrer Kollegin Helena Seck (li.) : "Diese archãologischen Zeugnisse erlauben jetzt einen bisher unbekannten Blick in das 7. Jahrhundert." 

Bislang war nach historischer Überlieferung Veitshochheim bereits im 7. Jahrhundert eine wichtige Siedlung. Damals regierten die Merowinger das Reich der Franken. Um 655 soll in Veitshocheim die HL. Bilhildis als Tochter adliger Eltern geboren worden sein.  Archäologische Zeugnisse fehlten  aber bisher bzw. wurden nicht beachtet.

 Ein Blick in Veitshöchheims verborgene Geschichte

Die von Tomasz Kozik in "Das archäologische Jahr in Bayern 2021" dokumentierten archäologischen Untersuchungen offenbaren eindrucksvoll, wie tief die Geschichte im Boden von Veitshöchheim verborgen liegt. Vom frühmittelalterlichen Adelshof über den mittelalterlichen Friedhof bis hin zur barocken Neugestaltung des Kirchenensembles: Der Kirchplatz spiegelt über ein Jahrtausend Ortsgeschichte wider – und macht einmal mehr deutlich, wie viel Vergangenheit noch unter unseren Füßen ruht.

 Vom Friedhof zum Kirchplatz

Nach Abschluss der Arbeiten in der Kirchstraße wurde auch der Kirchplatz flächig abgetragen. Dabei kamen erneut Mauerreste und Gräber zum Vorschein. Die Mauerbefunde unterschieden sich in Ausrichtung, Breite und Mörtelart – ein Zeichen dafür, dass sie aus verschiedenen Epochen stammen. Besonders auffällig: eine quer verlaufende, möglicherweise hochmittelalterliche Mauer, deren Verlauf aber durch neuzeitliche Eingriffe gestört ist.

Einige Mauern deuten darauf hin, dass die frühere Bebauung entlang der Kirchstraße einst weiter reichte als heute. Auch ein Mauerzug westlich des Rathaushofs lässt sich in dieses Bild einordnen – möglicherweise die Begrenzung eines älteren Friedhofs, der im Zuge der barocken Umgestaltung neu gefasst wurde.

 

Phase 1 (ca.650 -800) - ein Steinhaus in Veitshöchheim:

Mauerreste deuten auf ein größeres Steingebäude hin, was fur diese Zeit in der Region bisher kaum belegt ist. In der Nahe lagen Graber, bei denen es sich möglicherweise um die ersten christlichen Bestattungen in Veitshöchheim handelt.  In einem Grab fand man das Skelett eines etwa 60-jährigen Mannes, der zwischen 650 und 800 gelebt hat. Vielleicht stand hier auch eine kleine Kirche. Die Funde weisen auf den Beginn der Christianisierung hin.

 

Phase 2 (ca. 1250 - 1300) - noch mehr Häuser in der Ortsmitte:

Weitere Gräber und Reste von größeren Steinhäusern belegen die Nutzung des Platzes. Noch immer waren größere Steinhäuser etwas Besonderes. Und auch in der Umgebung wurde gebaut: das Reinstein'sche Wasserschloss (heute steht hier das Haus der Begegnung) mit einer Kirche, von dem der Turm noch erhalten ist und in der Nähe das Echterschloss (heute Rathaus).  Als Herold von (Veits)Hochheim 1168 als Erster den Titel Fürstbischof von Würzburg erhielt war Veitshöchheim bereits ein wichtiger Ort Das zeigt sich deutlich in der Bebauung um den Kirchplatz.

 

Phase 3 (ca 1700/1750) - große Veränderungen:

Die Häuser, die bisher auf dem Kirchplatz standen, wurden für den Bau der Vituskirche 1691 abgerissen. Für den Ausbau der fürstbischöflichen Sommerresidenz wurden wenige Jahre später die beiden Schlösser aus dem 13. Jahrhundert durch den Kavaliersbau (heute Rathaus), den Küchenbau (beute Ratskeller) und einen Wirtschaftshof (heute Haus der Begegnung) ersetzt.

Ein Mauerrest, der bei den Grabungen gefunden wurde, war möglicherweise eine der ersten Umfassungsmauern des fürstbischöflichen Residenzgeländes. Die Ortsmitte Veitshöchheims hatte nun das Aussehen,  das bis heute den Altort prägt.

 

Ein Friedhof mit Geschichte

Bei weiteren Grabungen vom Tor des Rathauses in Richtung Kirchstraße wurden zusätzliche Bestattungen entdeckt. Manche Gräber waren durch spätere bauliche Maßnahmen gestört. Die archäologische Datierung gestaltete sich schwierig, da die Bodenverhältnisse kaum klare Schichtgrenzen zeigten. Dennoch konnten einige Funde – darunter auch Keramikfragmente – grob vom Hochmittelalter bis ins 19. Jahrhundert eingeordnet werden.

Besonders wertvoll war die naturwissenschaftliche Untersuchung zweier Gräber: Neben dem bereits erwähnten frühmittelalterlichen Individuum aus dem 8. Jahrhundert wurde ein weiteres, östlich gelegenes Grab in das 14. Jahrhundert datiert. Es markiert zugleich die bisher östlichste Ausdehnung des historischen Friedhofs.

Vom Adelshof zur barocken Kirchenlandschaft

Diese Funde geben wichtige Hinweise auf die Entwicklung des Ortskerns von Veitshöchheim. Der älteste erhaltene Teil der heutigen Kirche – der Turm – stammt aus dem frühen 13. Jahrhundert. Doch bereits im 8. Jahrhundert, so legen es die Gräber nahe, bestand hier ein bedeutender Bestattungsplatz.

Ein Blick in die Legende der heiligen Bilhildis stützt diesen Befund: Die im 7. Jahrhundert geborene Adelige soll mit dem Merowingerherzog Hetan verheiratet gewesen sein – und in Veitshöchheim aufgewachsen. Die hier entdeckten Gräber könnten also zur Hofgrablege eines frühmittelalterlichen Adelshofs gehören. Vielleicht stand an der Stelle der heutigen Vituskirche sogar ein karolingischer Vorgängerbau.

Unterstützt wird diese These durch einen zweiten historischen Friedhof bei der Veitshöchheimer Martinskirche. Zwar lassen sich dort bislang keine frühmittelalterlichen Spuren nachweisen, doch das Patrozinium des heiligen Martin – im Frühmittelalter vor allem dem einfachen Volk zugeordnet – lässt vermuten, dass dort der ursprüngliche Gemeindefriedhof lag, während die Adeligen in unmittelbarer Nähe ihres Hofes bestattet wurden.

Ein Platz im Wandel

1288 taucht erstmals der Name „St. Vitus“ für die Kirche auf. Vielleicht wurde in dieser Zeit der Hauptfriedhof von St. Martin an die Vituskirche verlagert – was den im Spätmittelalter deutlich nach Norden erweiterten Friedhofsbereich erklären würde.

Mit dem barocken Ausbau der Kirche Ende des 17. Jahrhunderts änderte sich die Nutzung des Platzes grundlegend. Das Langhaus der Kirche wurde quergelegt, neue Mauern gezogen, alte Gebäude abgerissen. Seitdem erinnert der Kirchplatz in seiner Gestaltung bereits stark an die heutige Situation.

Quelle: Doku Tomasz Kozik in "Das archäologische Jahr in Bayern 2021" 

Impressionen von den archäologischen Grabarbeiten im Jahr  2021 auf dem Kirchplatz während des Ausbaus der Kirchstraße 

26. April 2021

8. Juni 2021

24. Juni 2021

 

 

9. November 2021

Fotos Dieter Gürz

Link auf Dokumentation von Tomasz Kozik in "Das archäologische Jahr in Bayern 2021"

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