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"Demokratie macht sich nicht von alleine" - Landrat klärte Elftklässler des Gymnasiums Veitshöchheim auf

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Am Montag morgen war um Punkt 8.00 Uhr Landrat Thomas Ebert in das Gymnasium gekommen, dessen Schulaufwandsträger der Landkreis Würzburg ist,  um in einer Verfassungsstunde für die 11. Jahrgangsstufe von 8.00 Uhr bis 8.45 Uhr in der Aula über regionale Politik, den Landkreis und die Struktur des Landratsamts und seines Amts zu sprechen. Zur Begrüßung sagte Studienrat Patrick Freudenberger von der Fachschaft Geschichte und Sozialkunde des Gymnasiums: "Mit solchen Veranstaltungen erfüllen wir den Bildungsauftrag, welcher von der bayerischen Regierung und dem Ministerium für Unterricht und Kultus mit Einführung der Verfassungsviertelstunde schon seit vergangenem Jahr intensiv eingefordert wird."

Erst am 1. April ging hier der der höchst informative Vortrag "Der Staat und Demokratie unter Druck" des Soziologen Dr. Joris Steg über die Bühne (siehe nachstehender Link). Und nur wenig später nach dem Landrat schilderte der MLU-Lehrbeauftragte Dr. Markus Hünemörder aus München die aktuellsten Entwicklungen der Politik von Donald Tramp in den USA. (ebenfalls nachstehender Link).

Seinen Bildungsvortrag vor den Elftklässlern (darunter 61 Mädchen und 44 Jungen) hielt der Kommunalpolitiker mit einem Selfie fest.

"Es ist mir sehr wichtig, dass man sich in der Schule über Demokratie unterhält, was denn so passiert, warum es Parteien gibt von ganz links nach ganz rechts, und warum man sich mit denen auseinandersetzen muss, weil sie am Ende des Tages für Euer tagtägliches Leben Verantwortung zeichnen. Und Ihr müsst auch selber was tun, für die Gesellschaft und die Menschen, wir reden in der Demokratie von Eigenverantwortung. Und Demokratie heißt auch, dass wir den Schwächsten der Schwachen helfen." So eröffnete der Landrat seinen Vortrag, um dann den Jugendlichen ins Gewissen zu reden, mit 18 nicht nur am 8. März 2026 den Gemeinderat zu wählen, sondern auch selbst zu kandidieren. Denn mit 49 Jahren ticke er anders, so Eberth, als die ins Erwachsenenalter kommende Generation. Jeder habe gewisse Lebensumstände und bringe positive und negative Erfahrungen aus seinem unmittelbaren Umfeld mit. Es sei wichtig, diese in die Politik einfließen zu lassen und diese zu verändern, beispielsweise wie soll sich die Sprache in Schulen entwickeln oder ist Mathe noch so sinnvoll? angesichts von ChatPTG, die komplexe Aufgaben viel schneller löst, einschließlich Grafiken und Analysen erstellen. Die Weiterentwicklung von Schullandschaft sei nur ein klitzekleines Thema, womit sich Politik befasse.

So hält der Landrat ein komplettes Umdenken in der vertieften Berufsorientierung vor allem im Mittelschulbereich hin zu individuelleren Lösungen für notwendig, weil Kinder und Jugendliche so viele Möglichkeiten heutzutage haben und mit der Entscheidung im letzten Schuljahr völlig überfordert seien.

Aber eigentlich gekommen war Eberth, um seinen Landkreis als Kragenlandkreis vorzustellen, der mit seinen 52 Gemeinden, 113 Ortsteilen mit über 166.000 Menschen die auf der Karte schwarz dargestellte Stadt Würzburg umrahmt.

Sich selbst stellte der Landrat als ein Organ des Landkreises dar, ein kommunaler Wahlbeamter der nach B 7 (= monatliches Grundgehalt von 12.000 Euro) bezahlt wird, was okay sei, für sechs Jahre von mindestens 50 Prozent + 1 der abgegebenen Stimmen gewählt, ohne dass besondere Qualifikationsvoraussetzungen vonnöten sind. Eberth bezeichnete sich als Zwitter, zum einen ist er politischer Landrat, wo er sagen darf was er denkt und tut und zum anderen als staatlicher Landrat sei er Behördenleiter mit über 800 Mitarbeitenden, wo er nur Gesetze zu vollziehen habe. Bei letzterem schaue er, dass Behörde mit ihrer Monopolstellung funktioniere, beispielsweise bei der Erteilung des Führerscheins, des Jagdscheins, der Baugenehmigung für ein Haus, der Autozulassung, auch um andere zu schützen der Entzug des Führerscheins eines 87jährigen bei drei Unfällen oder von Kindern von ihren Eltern bei Missbrauch.

Bei politischen Entscheidungen wie den Bau von Straßen oder wie geht es mit der Schullandschaft weiter, würde er viele Dinge ganz anders machen, aber darüber würde die Mehrheit der 70 Kreistagsmitglieder entscheiden. Seine CSU-Fraktion habe aber nur 27 Sitze, mit ihm 28. Der "bunte" Kreistag spiegele die Komplexität der Demokratie wieder und dies sei gut so, so Eberth. Und auch innerhalb einer Fraktion gebe es wie bei ihm in der CSU intensive Debatten. Man müsse deshalb sachlich gute Argumente liefern muss, um andere von sich und seiner Meinung überzeugen zu können.

"Wenn Ihr des Bild checkt, dann hab Ihr echt alles drauf, was Ihr braucht", so der Landrat zu den Elftklässlern. Dafür sei Politik da: ganz oben der eigene Kirchturm, die Gemeinde mit dem Rathaus als Mittelpunkt. Hier residiere der Bürgermeister, der vor Ort mit seiner Verwaltung schaue, dass alles hier vernünftig passiere, dass Gehwege abends beleuchtet sind, es für Kinder Spielplätze und es vielleicht sogar eine Kinderbetreuung gibt, dass man nach dem Aufstehen Wasser ins Gesicht spritzen kann, Stromversorgung da ist, alle Internet bekommen, all das, was das tagtägliche Leben unmittelbar im Lebensumfeld beeinflusst, entscheidet, bezahlt die Gemeinde über Steuermittel, so auch Sportplätze, die Mainfrankensäle in Veitshöchheim. All das passiere, weil der Bürgermeister mit seinem Gemeinderat und den Mitarbeitern in Verwaltung und Bauhof dafür sorgen, dass das unmittelbare Lebensumfeld funktioniert. 

Manche Dinge könne eine Gemeinde aber nicht tun, weil sie zu klein ist und überfordert wäre. Deswegen gebe es den Landkreis, der sich um ÖPNV, Gymnasien und Förder-Schulen, medizinische Versorgung, Bau von Kreisstraßen, Müllentsorgung und -verwertung etc. kümmere. Und daneben obliegt dem Landrat auch noch die Kommunalaufsicht über die Bürgermeister. Eberth: "Wenn die was schlecht machen, dann komme ich und schimpf!"

Und das gleiche wie für die Gemeinden gelte auch für die Landkreise. Alles was sie überfordert, macht der Bezirk, so Spezialeinrichtungen wie den Teichwirtschaftlichen Musterbetrieb des Bezirks Unterfranken in Rimpar-Maidbronn oder das ganz große Thema Soziales.

 

Zum Schluss seines Vortrages appellierte der Landrat an die Jugendlichen: "Wenn Ihr heut gar nichts merkt, dann merkt Euch definitiv zwei Dinge, denn die sind echt wichtig: Das erste ist, all das, was vor Ort passiert, ist die Gemeinde zuständig, ein bisschen drüber der Landkreis. So baut sich unser System auf. Und wenn in Brüssel, Berlin oder München was beschlossen wird, muss es am Ende immer jemand tun und das ist meistens die Gemeinde und hauptsächlich der Landkreis, so Sozialhilfe, Jugendhilfe, sonstige soziale Leistungen, Bildung und alles drum und dran setzt Gemeinde oder Landkreis um."

Und der zweite Punkt ist laut Landrat eigentlich noch viel wichtiger: "Demokratie macht sich nicht von alleine. Sie ist es wert, dass man sich intensiv mit ihr auseinandersetzt. Es wird darüber diskutiert, was so in Berlin passiert bei den Koalitionsverhandlungen. Warum ist nicht jedes Wahlversprechen umsetzbar? Das ist Demokratie. Es ist aber trotzdem wichtig Wahlversprechen zu geben, weil man den Wählern zeigen will, was man tun möchte, wenn man die politische Mehrheit und die politische Kraft hat, es umzusetzen. Es ist nicht schlimm, Wahlversprechen nicht einhalten zu können. Es ist Demokratie und nicht verwerflich, zur Mehrheitsbeschaffung Ziele zu verändern."

Nun hatten die Jugendlichen die Chance, den Landrat zu fragen, was sie schon immer mal fragen wollten. Für sie hatte Schulleiter Dr. Bernhard Brunner einige Fragen auf Lager. So wollte er wissen, ob die großpolitischen Stimmungslagen im Land sein tägliches Handeln beeinflussen?  Vor fünf Jahren, so Eberth, war noch das Thema Mensch, grün, Elektro eine Tendenz. Jetzt eher Brandmauer, AFD, wie geht man damit um. Generell sei es noch sei, dass Kommunalpolitik noch eine sehr menschliche Politik ist. Da sei es völlig egal, welchen Aufkleber man drauf hat. 

Für wichtig sieht es Eberth im schulischen Bereich an, das Thema Medienkompetenz noch viel mehr auszubauen. Dabei geht es um die Frage, wie werden wir durch Medien wie Tiktok, durch KI politisch beeinflusst, wie manipuliert? Es gelte sie in die Lage zu versetzen, zu verstehen, was echt und was nicht echt ist. Die  Behörden würden sich viel zu langsam auf KI einstellen, "weil wir in unserer Bürokratie, in unseren Prozessen, einfach die Geschwindigkeit der technischen Entwicklung nicht mehr mitbekommen", so der Landrat.

Brunner wollte dann auch noch wissen, welche Handlungsspielräume die Kommunalpolitik noch in Zeiten der abnehmenden Finanzvorräte hat, kann man noch gestalten, oder nur noch den Mangel verwalten? Der Landrat sagte dazu, dass wir eigentlich immer noch genug Geld haben, aber es eine Frage der Priorisierung sei und man meist kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem habe. Der Landkreis habe tatsächlich in diesem Jahr zum ersten Mal weniger Einnahmen, weil die Gewerbesteuer um 7,5 Mio. Euro gesunken sei und die Einkommensteuerbeteiligung praktisch auf Null stehe. Der Haushalt des Landkreises sei deshalb erstmals mit 1,9 Mio. Euro im Minus. Deshalb müsse man gucken, wie man mit kleineren Dingen die Gesellschaft gestalten kann und welche Möglichkeiten haben die Bürger, selbst etwas zu tun. In kleinen Gemeinden funktioniere noch die Dorfgemeinschaft. Eines sei klar: Ohne wirtschaftliche Prosperität bekommen wir unser Sozialsystem nicht mehr finanziert. Irgendwann würden wir dann diskutieren: Schaffen wir das Whiteboard noch oder gibt es doch wieder Kreide? Eberth: "Bisher konnten wir wegen starker Gemeinden immer aus dem Vollen schöpfen." Künftig müsse die Politik auch wieder lernen, nein zu sagen. Da schließe er sich mit ein. Schulden seien nur für investive aber nicht für konsumtive Ausgaben wie für das Personal zu rechtfertigen.

Diese sieben Jugendliche aus der 11. Klasse des Gymnasiums engagieren sich kommunalpolitisch als Mitglieder des Würzburger Jugendkreistag.

Fotos Dieter Gürz

Nachstehend ein Pressebericht des Landratsamtes Würzburg vom 25.3.2025 über eine Sitzung des Jugendkreistags:

Zwölf Tagesordnungspunkte standen bei der letzten Jugendkreistagssitzung im Landratsamt Würzburg zur Diskussion und Entscheidung. Besonders die Frage, ob der Jugendkreistag künftig gewählt werden soll, sorgte für eine intensive Debatte (auf dem Foto oben stellt Ann-Kathrin Adam, zweite Sprecherin des Jugendkreistags, das Konzept für eine Wahlordnung vor - Fotos: Michael Kämmerer)

Zum Einstieg blickten die Jugendkreisrätinnen und Jugendkreisräte allerdings auf die Bundestagswahl zurück. Bei einer vorangegangenen Informationsveranstaltung waren die Jugendlichen mit lokalen Vertreterinnen und Vertretern der Parteien ins Gespräch gekommen. Landrat Thomas Eberth betonte die Bedeutung eines kritischen Umgangs mit Nachrichten in Zeiten von künstlicher Intelligenz und Fake News. Zudem erhielten die Jugendlichen einen Einblick in die aktuelle Haushaltslage des Landkreises Würzburg und in ihr eigenes Budget, das pro Jahr auf 10.000 Euro festgelegt ist.

Abstimmung: Entwurf zur Wahlordnung wird fast einstimmig abgelehnt

Sollen die Jugendkreisrätinnen und Jugendkreisräte zukünftig gewählt werden? Diese Frage war bereits in der Vergangenheit mehrfach Thema im Jugendkreistag. Die zweite Sprecherin, Ann-Kathrin Adam, sprach sich dafür aus, eine Wahlordnung einzuführen und stellte dazu ein Konzept vor. Derzeit werden die Mitglieder des Jugendkreistags von den Schulen vorgeschlagen. Ein Wechsel zu einer Wahlordnung hätte bedeutet, dass die Jugendkreisrätinnen und Jugendkreisräte künftig über eine Online-Plattform direkt von den Jugendlichen aus dem Landkreis Würzburg gewählt werden. Als größten Vorteil hob sie die demokratische Legitimation der Mitglieder hervor. Die Sprecher Paul Walch und Finley Hellebrand sahen jedoch erhebliche Herausforderungen und äußerten Bedenken zum vorliegenden Entwurf. Sie erkannten Optimierungsbedarf bei der geplanten Zusammensetzung des Gremiums und beim Bewerbungsprozess, außerdem verwiesen sie unter anderem auf die fehlende Transparenz bei der Kandidatur und die anfallenden Kosten.

Nach einer ausführlichen Diskussion entschied sich der Jugendkreistag mit nur einer Gegenstimme gegen den Entwurf der Wahlordnung. Im nächsten Schritt soll dem Vorschlag des dritten Sprechers, Finley Hellebrand, gefolgt und eine Arbeitsgruppe gegründet werden, die sich mit der Ausformung einer Wahl- oder Ernennungsordnung beschäftigt. Ziel ist es, diese möglichst demokratisch und kosteneffizient zu gestalten. Eine Möglichkeit wären beispielsweise schulinterne Wahlen, die direkt von den Schulen organisiert werden.

Arbeitsgruppen für jugendgerechte Mobilität und Veranstaltungskoordination

Das Thema Mobilität liegt den Jugendkreistags-Mitgliedern besonders am Herzen. Zur Verbesserung jugendgerechter Mobilitätsangebote im Landkreis Würzburg beschloss der Jugendkreistag einstimmig, eine Arbeitsgruppe zu bilden. Die Arbeitsgruppe soll sich mit dem Öffentlichen Nahverkehr beschäftigen und die Wünsche der Jugendlichen an den Verkehrsverbund und die Politik weiterleiten. Zudem wird ein neuer Arbeitskreis gegründet, der die Teilnahme des Jugendkreistags an Festen in Stadt und Landkreis koordiniert und festlegt, welche Veranstaltungen als politisch relevant eingestuft werden.

Weitere Beschlüsse und geplante Veranstaltungen

Der Jugendkreistag beschloss zudem die Organisation einer Podiumsdiskussion, eines Rhetorikkurses sowie eines politischen Planspiels für seine Mitglieder. Im Herbst planen die Jugendlichen außerdem eine zweitägige Bildungsreise zum Landtag nach München. Dabei ist auch ein Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau vorgesehen.

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