Umstellung des Ausbildungsbetriebes im Veitshöchheimer Berufsförderungswerk für Blinde und Sehbehinderte in Corona-Zeiten auf Online-Lernen war eine echte Herausforderung
Beim Neujahrsempfang Mitte Januar 2020 herrschte noch eitel Freude im BFW: Es ging laut BFW-Geschäftsführer Karsten Hohler wieder aufwärts, das Haus war mit 220 Rehabilitanden vollbelegt und es standen viele Investitionen an.
Wie in allen anderen Bildungseinrichtungen musste dann aber auch im Berufsförderungswerk Würzburg hier in Veitshöchheim der Ausbildungsbetrieb Mitte März aufgrund der Corona-Krise komplett umgestellt werden. Die blinden und sehbehinderten Teilnehmenden wurden nach Hause geschickt, die Mehrzahl der Mitarbeiter wechselte ins Home Office und das Gelände an der Helen-Keller-Straße ist seitdem nahezu verwaist.
Monika Weigand M. A., Projektleitung AKTILA-BS Online-Center/Projekte beschreibt, vor welche Herausforderungen das BFW im Rahmen der Corona-Krise stand und mit welchen Maßnahmen darauf reagiert wurde.
Um die weitere Finanzierung durch die verschiedenen Kostenträger zu sichern und Maßnahmeabbrüche für die Teilnehmenden zu vermeiden, musste eine sachgerechte und effiziente Fortführung der Ausbildung nachgewiesen werden. Eine schnelle Umstellung auf Online-Lernen via Internet war angesagt - eine echte Herausforderung, wenn die Teilnehmenden über die ganze Republik verteilt sind.
Die Bereitstellung der nötigen digitalen Lern- und Arbeitsmaterialien war der erste Schritt. Das BFW profitierte in diesem Punkt von seiner langjährigen Erfahrung und seiner barrierefreien Lernplattform BFW online (www.bfwonline.de). Schon seit ca. 15 Jahren ist eLearning im BFW eine intensiv genutzte Ergänzung des Präsenzunterrichts.
Die im Haus entwickelte und mehrfach ausgezeichnete Plattform, die inzwischen auch von anderen Bildungseinrichtungen und sogar von einem Schweizer Blindenzentrum genutzt wird, ist auch für blinde und sehbehinderte Anwender komfortabel zu bedienen.
Das bestehende, bisher thematisch strukturierte System wurde nun innerhalb weniger Tage ausgebaut und erweitert, sodass schon nach kurzer Zeit separate virtuelle Räume für jeden Kurs bereitstanden.
Dort finden nun die per Internet angemeldeten Teilnehmer tagesaktuell und individuell zusammengestellt alle erforderlichen Arbeitsanweisungen und Arbeitsmaterialien und können so ihre Ausbildung bzw. Umschulung planmäßig fortsetzen.
Erfolgsrezept für das Veitshöchheimer eLearning ist seit jeher eine engmaschige Betreuung der Teilnehmenden durch die Trainer und Ausbilder. Seit Beginn der Corona-Krise wurden die Kommunikationsmöglichkeiten noch einmal deutlich erweitert. Neben Telefon und eMail spielt jetzt auch ein Fernwartungstool eine große Rolle.
Ausbilder sind damit in der Lage, direkt auf den PC eines Teilnehmers zuzugreifen, und können auf diese Weise technische oder inhaltliche Fehler erkennen und beheben.
Ganz eingeführt wurde eine Software für Onlinekonferenzen, die auch die Kommunikation zwischen Ausbildern und ganzen Teilnehmergruppen ermöglichen. Fast wie im Präsenzunterricht können auf diese Weise Lerninhalte vermittelt oder Probleme besprochen werden.
Die wohl größte Herausforderung stellte aber die Hilfsmittelausstattung der Teilnehmenden im häuslichen Umfeld dar. Blinde und sehbehinderte Menschen brauchen, um via Internet lernen und arbeiten zu können, neben einem handelsüblichen PC oder Laptop verschiedene, zum Teil sehr teure elektronische Hilfsmittel. So arbeiten blinde Teilnehmende mit einer sog. Braillezeile zur Ausgabe des Bildschirminhalts in Blindenschrift, sehbehinderte Teilnehmende benötigen außergewöhnliche große Monitore oder Bildschirmlesegeräte - Geräte, die zum Großteil am Wohnort der Teilnehmenden nicht zur Verfügung stehen.
In einer bislang einzigartigen logistischen Großaktion haben daher die Mitarbeiter der EDV-Abteilung des Berufsförderungswerks ca. 80 Arbeitsplatzausstattungen im Wert von insgesamt 350.000 Euro verpackt, in alle Himmelrichtungen verschickt und anschließend per Fernwartung die Installation und Konfiguration am Zielort koordiniert. Oftmals unterstützt von sehenden Familienmitglieder wurde so sichergestellt, dass alle blinden und sehbehinderten TeilnehmerInnen mit adäquater Technik auf der Lernplattform arbeiten konnten.
Wie geht es weiter?
Ganz langsam versucht man nun aber auch am BFW, zum normalen Ausbildungsbetrieb zurückzukehren. Am letzten Montag, 4. Mai kehrten erste kleine Teilnehmergruppen, vorrangig Kurse, die kurz vor einer Prüfung stehen, ins BFW zurück und starteten dort wieder in den Präsenzunterricht. Um jedes Risiko zu vermeiden, haben Geschäftsführung und Betriebsrat dazu ein detailliertes Maßnahmekonzept zum Infektionsschutz entwickelt. Es wird sichergestellt, dass blinde und sehbehinderte Teilnehmende, die naturgemäß den nötigen Abstand nur schwer erkennen und einschätzen können, die nötigen Orientierungshilfen erhalten.
Monika Weigand: "Trotz des erheblichen pädagogischen und logistischen Aufwands ist man insgesamt am BFW zufrieden. Die ergriffenen Maßnahmen haben dafür gesorgt, dass die weitere Finanzierung des Bildungszentrums gesichert ist und kein Teilnehmer seine Ausbildung oder Umschulung corona-bedingt abbrechen musste."