50 syrische Flüchtlinge aus der Notunterkunft Kaserne absolvierten beim BFW in Veitshöchheim in 320 Unterrichtsstunden Deutsch-Einstiegskurs
Gute Stimmung herrschte am Mittwoch-Nachmittag im "Roten Punkt" des Berufsförderungswerkes für Blinde und Sehbehinderte (BFW) in Veitshöchheim: 50 syrische Flüchtlingen erhielten an der Kaffeetafel hocherfreut ihr Zeugnis über das Absolvieren eines Deutsch-Einstiegskurses in ihren Händen. Es wurde bei den Einzelnen viel geklatscht.
Von 117 Kursteilnehmern zu Beginn, darunter 30 aus dezentralen Unterkünften im Umland, war bedingt durch die Fluktuation aufgrund von Verlegungen ein harter Kern von 50 übriggeblieben. Diese kommen alle aus Syrien und sind seit September in der Notunterkunft Kaserne (NUK) untergebracht.
Christine Haupt-Kreutzer, Lehrkraft in der beruflichen Rehabilitation am BFW und stellvertretende Landrätin fungierte als Koordinatorin und Ansprechpartnerin des Kurses. Sie ist überzeugt, dass der im Zeitraum vom 14. Dezember bis dato über 320 Unterrichtsstunden gehende Kurs die Flüchtlinge vorangebracht hat.
Die Basis sei nun jedenfalls vorhanden. Der Deutschunterricht erfolgte themenorientiert. So konnten die Flüchtlinge in den werktäglich vier Unterrichtstunden auch viel über das Leben hier in Deutschland erfahren, so über Alltag, Sitten, Gebräuche, Einkaufen und Selbstversorgung, Orientierung, Verkehr, Mobilität, Wohnen, Kindergarten und Schule, Behörden, Arbeit und Beruf, Gesundheit und Arzt.
Das BFW stellte für den Deutschunterricht die drei Lehrkräfte Sabine Tilke, Beate Ströhlein und Renate Groß-Fiebig ab und sorgte auch für den Bustransfer von der NUK zum BFW und zurück. Um die organisatorischen Dinge kümmerten sich der IT-Mitarbeiter Enrico Göbel und Silvia Schlagmüller.
• Der 28jährige Kurde Renas Kalal aus Nordsyrien ist einer der Flüchtlinge, die Horst Biemann unter seinen Fittichen hat. Renas hat acht Semester Maschinenbau-Engineering studiert an der Uni in Aleppo und dann noch vier Semester Bahnhof-Logistik an der Fachhochschule für Intermediate Engineering. Ein Problem ist, dass der in der zweiten Septemberhälfte in Passau angekommene Kurde wie fast alle Flüchtlinge keine Papiere habe. Renas würde gerne die Technische Hochschule besuchen, es sei aber sehr schwierig hier ohne Papiere einen Einstieg zu bekommen.
Der 77jährige Veitshöchheimer Horst Biemann ist einer der 150 ehrenamtlichen Helfer, die in Veitshöchheim die Flüchtlinge bei ihrer Integration in Deutschland unterstützen. Er hat bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2000 als technischer Bundesbeamter bei der militärischen Flugsicherung in Manching gearbeitet und kennt sich so mit der deutschen Bürokratie aus. Biemann: "Ohne die Hilfe und permanente Unterstützung durch ehrenamtliche Helfer kann man vor allem die berufliche Integration vergessen, denn die Flüchtlilnge sind mit der deutschen Bürokratie total überfordert." Er könne darüber inzwischen schon ein Buch schreiben. So müsse bei allen Behördengängen jemand dabei sein, ob nun im Job-Center der Agentur für Arbeit, bei der Krankenkasse, im Sozialamt der Stadt Würzburg oder bei der Sprachschule.
Biemann wurde so zum persönlichen Begleiter von sechs überwiegend jungen Erwachsenen und zwei Kindern und ist an allen Werktagen vier bis sechs Stunden für seine Flüchtlinge im Einsatz. Es sei sehr wichtig, die Flüchtlinge auch moralisch zu unterstützen und ihre Würde zu erhalten, dass sie selber entscheiden können. Dies komme einer Quadratur des Kreises gleich.
Das größte Problem ist nach Biemanns Worten, den 15 Euro kostenden Wohnberechtigungs-Schein vom Sozialamt der Stadt zu erhalten, um dann als erstes zunächst in eine Warteliste des Landkreises und der Stadt für eine Sozialwohnung zu kommen. Er habe es aufgrund seiner schlechten Erfahrungen schon aufgegeben, hier in Veitshöchheim für seine Flüchtlinge eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt zu bekommen. Einmal sei ein Vermieter bereit gewesen, dann aber war die Nachbarschaft dagegen. Dabei sei die Zahlung der Miete sichergestellt, wie bei Hartz IV-Empfängern. Einem Alleinstehenden stehe eine 50 Quadratmeter-Wohnung zu.
Biemann hat sich für die notwendigen Behördengänge von seinen betreuten Flüchtlingen eine Vollmacht geben lassen, damit diese nicht verhindert sind, einen Sprachkurs zu besuchen.
Er betreut auch Taisir Chamari, der als Krankenpfleger arbeiten möchte. Ihm könnte er eine Praktikantenstelle vermitteln, wenn dieser einen Wohnsitz nachweisen könne.
Der Sprachkurs war nach seiner Meinung sehr wichtig für die Flüchtlinge, weil sie dadurch beschäftigt waren und ein Ziel vor Augen hatten. Ohne den Kurs wäre ihnen der Aufenthalt in der NUK zum Alptraum geworden.
Um Arbeit zu bekommen, müssen die Flüchtlinge als nächstes den offiziellen halbjährigen, vom Job-Center bezahlten Integrationskurs in einer Sprachschule wie Lingua oder VHS absolvieren. Auch dabei will Biemann seinen von ihm Betreuten behilflich sein.
Wie man sich durch Sport schnell integrieren kann, wird am Beispiel des 19jährigen Syrers Amer Kara Damour aus Aleppo deutlich, der sich der von dem IT-Mitarbeiter Enrico Göbel, zugleich Torwart der Blindenfußball-Nationalmannschaft betreuten Sportgruppe des BFW anschloss. Dieser gehören neben Mitarbeitern und Sehbeeinträchtigten aus dem BFW auch psychisch Belastete des Markushofes in Gadheim an, die im BFW internatsmäßig untergebracht sind. Amer hatte schon in Syrien Fußball gespielt. Er floh aus seiner Heimat, ein Jahr vor dem Abitur stehend. Er möchte dieses rasch in Deutschland nachholen und dann ein Studium für eine Managertätigkeit ergreifen. Wie Göbel berichtet, habe man sich im BFW neben dem Sprachunterricht sich auch anderweitig für die Flüchtlinge zur Förderung der Geselligkeit engagiert, so beispielsweise vor Weihnachten einen Spielenachmittag mit Rehabilitanden des BFW durchgeführt, was einer doppelten Inklusion gleichkam. .
• Voller Freude über den erfolgreichen Kursabschluss war auch die 41jährige Doha Bustani Eid, die im Alter von 19 Jahren erblindete. Die Tatsache, dass sie mit ihrer Familie im BFW zum Deutschkurs „gelandet“ war, empfindet sie als Glück. Für die Hilfe, die sie bekommt ist sie sehr dankbar. Wie sie als Blinde nach Deutschland flüchtete und was sie dabei alles erlebte, darüber folgt ein eigener Bericht.