Der Veitshöchheimer Bilhildiskindergarten - laut Exkursion der Architektenkammer Bayern ein wegweisender Neubau
22 Architekten und Studenten aus ganz Bayern waren am Samstagnachmittag (15.6.) nach Veitshöchheim zum Neubau des Bildhildiskindergartens gekommen und lauschten den Ausführungen des Planers Professor Diplom-Ingenieur Wolfgang Fischer (re.).
Auf dem Programm der Akademie für Aus- und Weiterbildung der Bayerischen Architektenkammer stehen alljährlich auch bis zu vier Ortstermine zur Besichtigung ausgewählter beispielhafter Bauwerke in Bayern, die in Kürze fertiggestellt werden. Diese Exkursionen sollen einem fachkundigen Publikum zum Austausch und zur Diskussion dienen und Anregungen geben. Dieses Mal stand der 2,2 Millionen Euro teure Ersatz-Neubau der Katholischen Kindergarteneinrichtung St. Bilhildis auf dem Programm, der am 30. Juni 2013 im Rahmen seiner 40jährigen Jubiläumfeier gesegnet wird.
Der Würzburger Architekt Professor Diplom-Ingenieur Wolfgang Fischer hatte im Juli 2011 mit seinem Büro „Atelier Fischer“ den Realisierungs-Wettbewerb gewonnen, den die katholische Kirchenstiftung „Sankt Vitus“ als Träger des Kindergartens ausgeschrieben hatte. Fischer engagiert sich auch in der Arbeitsgruppe Aus- und Weiterbildung der Bayerischen Architektenkammer. Der Professor lehrt seit 2001 Baukonstruktion an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt, ist Studiendekan der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen. Zuvor war er Partner im Freisinger Architekturbüro A2 und Lehrbeauftragter an der FH München. Seit 2001 hat er ein Büro in Würzburg.
Zunächst erläuterten Pfarrer Robert Borawski und Bürgermeister Rainer Kinzkofer den fachkundigen Gästen, wie es zum Abriss des Altbaus im Mai 2012 kam. Der 1973 in Stahlbeton-Skelettbauweise errichtete dreigruppige Kindergarten wies aufgrund bauphysikalischer Mängel hohe Wärmeverluste auf und bedurfte dringend einer energetischen Sanierung. Die Regierung von Unterfranken hatte im November 2010 den Ersatzneubau als wirtschaftlichere Lösung erachtet und neben 50 Kindergarten-Plätzen nach Art. 10 FAG bedarfsgerecht auch 24 neue Kinderkrippen-Plätze nach der Richtlinie „Kinderbetreuungsfinanzierung 2008-2013“ als förderwürdig anerkannt. Die Baukosten finanzieren laut Bürgermeister der Freistaat Bayern mit 939.000 Euro, die Gemeinde mit 690.000 Euro, so dass vom Träger ein Eigenanteil von 540.000 Euro zu tragen ist.
Professor Fischer hatte nach Meinung des Preisgerichts, dem auch der Bürgermeister angehörte, am Besten die Vorgabe des Trägers erfüllt und in Blickbeziehung zu historischen Gebäuden wie Hofgartenschloss, Rathaus und Vituskirche einen städtebaulich-architektonisch sowie auch funktional und pädagogisch überzeugenden Bauentwurf geliefert. Dem Architekten war es gelungen, das Gebäudevolumen so geschickt ins Grundstück zu setzen, dass die Außenbezüge in vorbildlicher Weise gelöst sind, ebenso die Eingangssituation mit dem Vorplatz. Auch die innere Organisation bezeichnete die Jury als übersichtlich und von guter Raumökonomie.
Zusätzlich zum gesetzlich geforderten Raumprogramm hatte der Träger ein 16 Quadratmeter großes Elterncafé, einen 15 Quadratmeter großen Einzeltherapieraum und einen 45 Quadratmeter großen Begegnungsraum (Raum der Stille) gewünscht, der Kontakte zwischen Jung und Alt ermöglichen soll sowie auch einen als Seminarraum nutzbaren 28 Quadratmeter großen Hausaufgabenraum. Die überbaute Fläche ist einschließlich eines überdachten Freibereichs und eines Außenlagers 810 Quadratmeter groß.
Wie Professor Wolfgang Fischer ausführte, hat er das neue erdgeschossige Haus als eine hoch wärmegedämmte Konstruktion in Holzbauweise mit Holzdecken geplant, die mit Akustikplatten zur Verbesserung der Raumakustik versehen werden. Die Außenfassaden sind mit dunklen Platten verkleidet. Das Flachdach wird begrünt. Decken und Wände wurden vorgefertigt. Die Spannweiten der Decken sind wirtschaftlich. Klare, gut proportionierte Räume sorgen für angemessene Baukosten
Vorstellung im Detail
Das Haus - Ein offenes Haus als Ort der Begegnung
Das Foyer ist der zentrale Raum, der kommunikative „Marktplatz“. Von hier aus sind alle Bereiche auf kurzem Weg zu erreichen. Zum Foyer öffnet sich der Mehrzweckraum, orientiert sich das Elterncafe und die Küche. Die Wartezone mit Sitzbänken liegt gegenüber dem Besprechungsraum für Eltern.
Die Gruppenräume erreicht man über einen Flur mit Oberlichtbändern. Die Garderoben und Zugangsbereiche werden dadurch gut belichtet. Gegenüber den Gruppen liegen die Nebenräume und WCs. Alle Gruppen- sowie deren zugehörigen Nebenräume sind nach Süden zum Garten hin orientiert.
Die Sonderräume als Mehrzweck- und Hausaufgabenraum sind durch flexible Trennwände zusammenschaltbar. Sie orientieren sich zum öffentlichen Raum, zum Gemeindeleben. Der etwas abseits gelegene Ruheraum ist introvertiert und gibt den Blick frei in den Hof der Stille.
Der Freiraum - Raum für Individualität und Gemeinsamkeit
Der Außenraum gliedert sich in drei Bereiche:
Der Platz ist öffentlicher Raum für unterschiedliche Aktivitäten. Zugang zum Kindergarten und Foyer sind gut auffindbar. Sitzbänke flankieren den Eingangsbereich und laden zum Verweilen ein.
Der Mehrzweckraum und der Raum für Schüler öffnen sich zu der befestigten Fläche vor der Fassade. Feste, Flohmärkte oder Musikveranstaltungen sind hier denkbar.
Der Garten ist klar gegliedert in den Spielbereich für den Kindergarten und für die Kinderkrippe.
Ein ungestörtes neben- und Miteinander kann hier entstehen. Es gibt sowohl gut besonnte Bereiche als auch Schattenplätze und unterschiedlich ausgeformte Spielzonen.
Der Hof ist Ruhe- und Rückzugsbereich. Vor dem Ruheraum liegt das „Lavendelfeld“. Der Blick aus diesem meditativen Raum soll zur Sammlung einladen. Unter den Kirschbäumen können Kleingruppen sitzen und spielen. Der Hof kann aber auch Pausenbereich sein für das Kindergartenpersonal.
Raum und Licht – Angemessenheit in Material, Oberfläche und Proportion
Raumhöhen, Proportion und Öffnungen sind der jeweiligen Nutzung angepasst.
Die Gruppenräume sind höher als die sonstigen Räume konzipiert. Einbauten, Podeste oder kleine Galerien sind dadurch möglich. Die Oberflächen sind eher „zurückhaltend“: weiße Wände, unbehandelte Stapeldecken und Industrieparkett als Bodenbelag.
Das Format und die Ausrichtung der Fensteröffnungen stützt das Raumkonzept: es entstehen introvertierte, ruhige Bereiche, aber auch helle, offene Räume.
Die Gruppenräume erhalten direktes Licht von Süden und Streulicht von Norden. Durch verschiebbare Lamellen kann der Sonnenschutz individuell gesteuert werden.
Warme Materialien, offene Akustikdecken als Brettstapeldecken sowie die mögliche Querlüftung in den Gruppenräumen sorgen für angenehmes Raumklima.
Energieversorgung und Betriebs-Technik - Nachhaltigkeit in Erstellung und Verbrauch
Wie Reiner Flöhl von den abi Ingenieure Würzburg informierte, erfolgt die Beheizung des Gebäudes durch eine Wärmepumpe mit Geothermie als Erdsonden in monovalenter Ausführung. Als Erdsonden verwendete er aufgrund der maximal möglichen Bohrtiefe von sechs Meter sogenannte Thermpipes. Je Sonde wird dabei eine Entzugsleistung von ca. 2.000 W erreicht. Bei den 15 Sonden entspricht dies einer Gesamtleistung von 30 kW. Das Gebäude erhält vollflächig ein Niedertemperaturheizsystem in Form einer Fußbodenheizung. Im Duschraum ist ein zusätzlicher Handtuchheizkörper mit Elektroheizpatrone geplant.
Die Anforderungen an den Primärenergiebedarf der Energieeinsparverordnung werden damit um ca. 20 Prozent unterschritten.
Sanitäre Installation
Die Sanitärobjekte werden nur mit Kaltwasser versorgt. Es wird aus hygienischen Gründen kein Warmwassernetz im Gebäude vorgesehen. Für die Warmwassererzeugung werden Elektro-Durchlauferhitzer eingesetzt die bedarfsgerecht das Warmwasser erzeugen. Das Leitungssystem wird von Objekt zu Objekt durchgeschliffen. Am letzten Objekt wird eine Armatur mit Laufzeitüberwachung eingebaut, die eine regelmäßige Spülung des Kaltwassernetzes gewährleistet.
Lüftungsinstallation
Für das komplette Gebäude werden dezentrale Zu- und Abluftanlagen mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung für die verschiedenen Gruppen vorgesehen. Als Bauart werden Gegenstromwärmetauscher eingesetzt. Die Luftleitungen (Zuluft) werden im Bodenaufbau bzw. an der Decke (Abluft) vorgesehen. Die Anlagen sind getrennt voneinander jeweils in drei Stufen regelbar.
Das Gebäude ist mit einer außenliegende Sonnenschutzanlage ausgestattet. Hierfür wir eine Sonnenschutzsteuerung mit örtlicher und zentraler Ansteuerung eingebaut.
Einrichtung
Für die Kindergarteneinrichtung werden die notwendigen Geräte als Einbaugeräte (Küche, Möbel, Regale) oder als lose Möblierung gemäß den pädagogischen Anforderungen eingeplant. Insbesondere sind dies für Kindergartengruppen: jeweils fünf Tische, ein Stuhl für jedes Kind, Schrank für Materialien, Schrank mit Eigentumsfächern, Podeste und Einbauten für Lernwerkstätten/Funktionsecken, Spiegel, evtl. Stehpult oder Schreibecke für Erzieher.
Für die Kinderkrippe: Podeste, Treppen, Bewegungsmöglichkeiten im Raum, Möglichkeiten sich hochzuziehen, unterschiedlicher Bodenbelag, Essbereich mit Tisch und Sitzmöglichkeiten, Schrank für Materialien, Schrank mit Eigentumsfächern, Spiegel, Stehpult für Erzieher.
Allgemein
Professor Fischer fand es einmalig, dass bei der Baumaßnahme immer die Kinder als spätere Nutzer im Mittelpunkt standen und lobte das sehr gute Miteinander aller am Bau Beteiligten, besonders mit den Vertretern des Trägers. Beim Neubau habe man bewusst bei den Materialien darauf geachtet, was nachhaltig, ökologisch und lebenswert ist, dass Kinder hier gut wachsen und gedeihen können.