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Beim BFW-Neujahrsempfang erlebten die Gäste "200 Jahre Braille" greifbar durch Rhetorik, Tanz, Spiel und Kulinarik - MdL Kerstin Celina sieht Teilhabe durch AFD in Gefahr und appelliert auf Zusammenhalt

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Die Welt mit Fingern entdecken und sich über das ein oder andere bewegende und kulinarische Highlight freuen konnten die Gäste, die der Einladung der Geschäftsführerin Judith Faltl zum traditionellen Neujahrsempfang des Berufsförderungswerk Würzburg gGmbH (BFW) in der  Helen-Keller-Straße 5 in 97209 Veitshöchheim  gefolgt waren.

Der Empfang stand dieses Mal ganz im Zeichen der Feier des Jubiläums "200 Jahre Brailleschrift".

Anlässlich des Welt-Braille-Tages am 4. Januar hatte der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (DBSV) zusammen mit der Europäischen Blindenunion (EBU) dazu aufgerufen, dieses Jubiläum ganzjährig zu feiern.

So erlebten beim Neujahrsempfang die über 60 Gäste, darunter Betriebsräte, Teilnehmervertreter, Aufsichtsräte, Gesellschafter, Vertreter aus Politik und Partnern des BFW aus Stiftungen, Partnerorganisationen und Unternehmen, die Brailleschrift greifbar in einem bewegten Highlight sowie im Rahmen eines kleinen Spiels und des Menüs.

Bewegtes Highlight - Ein Braille-Tanz

Auf den Einladungskarten der Gäste waren Sterne als Braille-Punkte abgebildet. Diese Schrift blinder Menschen erweckten, jeder als Stern, 18  blinde und sehende Beschäftigte des BFW,  darunter auch die Geschäftsführerin Judith Faltl (rechts am Mikrofon.) mit einem Tanz zur Musik des Evergreens "Music was my first love" von John Miles zum Leben. Einstudiert hatte diesen mit ihnen acht Wochen lang immer mittwochs eineinhalb Stunden  Conny Lingnan-Scheckenbach (links am Mikrofon), die Trainerin der Tanzfamilie der TG Höchberg.

 Braille-Bingo

Anlässlich des 200-jährigen Bestehens der Braille-Schrift hatte BFW-Geschäftsführerin Judith Faltl jeden von ihr am Eingang begrüßten Gäste, wie  im Bild Manuela Burger, Geschäftsführerin des Job-Centers der Stadt Würzburg, zu einem  spannenden Bingo-Spiel eingeladen.

Jeder Gast  konnte aus einer Schale einen kleinen Zettel entnehmen, auf dem drei Buchstaben in Braille-Schrift abgedruckt waren.

 

 

 

 

Im Saal waren vier Tafeln aufgestellt, die jeweils ebenfalls drei Buchstaben zeigten. Aufgabe der Gäste war es nun, die Buchstaben auf dem erhaltenen Zettel zu entschlüsseln und zu überprüfen, ob sie mit einem der Wörter auf den Tafeln übereinstimmen. Gewonnen hatte man, wenn das Wort mit einem der vier Tafeln übereinstimmte. Auf die Gewinner wartete eine feine Auszeichnung, die Ihre Unterstützung für die Braille-Schrift würdigte.

Braille-Schrift auch auf Speisen erlebbar

Auch bei den Spezialitäten vom kalt-warmen Buffet, mit denen BFW-Küchenchef Thomas Lehrmann und sein Team die Gäste verwöhnten, war die Braille-Schrift bei einigen Vor- und Nachspeisen erlebbar:

 

 

 

 

 

Forellen-Braille-Törtchen

BFW-Braille-Schokoladenschnitte und Brûleé

Glückshufeisen

Die Geschichte der Braille-Schrift - vorgetragen von MdL Kerstin Celina

Die Grünen-Landtagsabgeordnete beleuchtete als Hauptrednerin zunächst das Leben von Louis Braille, der 1809 geboren, im Alter von drei Jahren durch eine Verletzung in der Schusterwerkstatt seines Vaters in der Nähe von Paris erblindete, wie er vor 200 Jahren die auf einem sechs Punkte-Raster basierte Blindenschrift erfand, die viel zu Inklusion, zum Zusammenleben und Augenhöhe zwischen erblindeten und nicht erblindeten Menschen beigetragen hat. 1829 wurde das erste Buch in Braille-Schrift gedruckt und 1879 die Braille-Schrift offiziell in Deutschland eingeführt.

Die Politikerin ging dann im zweiten Teil ihrer Rede auf die nach ihren Worten "unsägliche, unerträgliche Debatte im Bundestag am Donnerstag ein, bei der es die demokratischen Parteien nicht geschafft haben, hier einen gemeinsamen Vorschlag zu entwickeln." Sie verwies auf das von der CDU regierte Bundesland Sachsen, wo die AfD die Ausschüsse für Haushalt und Finanzen, für Schule und Bildung, für Verfassung, Recht und Europa, für Inneres, Kommunales und Sport leite und  wo selbst ins parlamentarische Kontrollgremium  ein Mitglied aus der AfD mit Stimmen der CDU gewählt wurde.

Celina hielt es für wichtig, dies hier angesichts der nahen Bundestagswahl zu erwähnen, denn Inklusion und Diversität hätten  bei der AfD keinen Stellenwert. In dem Maße, wie die Zusammenarbeit mit der AfD wachse, so befürchtet die Grünen-Vertreterin, könne das durchaus negative Folgen für das Thema Inklusion und Zusammenarbeit auf Augenhöhe haben, für das gesellschaftliche Klima, für den Umgang mit Menschen mit Behinderungen.

Ihr Blick ging zu dieser Feststellung auch in die USA, wo Donald Trump alle Bundesbehörden der Regierung angewiesen habe, ihre Büros und Positionen für Diversität, Gerechtigkeit und Inklusion (Diversity, Equity, Inclusion – DEI) innerhalb von 60 Tagen zu schließen.

Celina: " Das gesellschaftliche Klima, das politische Klima ist gerade im Umbruch." Es sei dringlich, bewusst Zeit darauf zu verwenden, die Ressourcen aller Menschen möglichst gut zu nutzen für Inklusion und Integration, für Diversität in vieler Hinsicht, und daran nicht in der Hektik zu kürzen."

Sie sei aber der festen Meinung: "Wir brauchen keine Angst zu haben, wenn wir zusammenhalten und über die politischen Debatten hinaus im täglichen Alltag den offenen, freundlichen Blick in die Gesellschaft richten, wenn wir uns alle dafür einsetzen, dass Menschen die Möglichkeit bekommen, sich einzubringen, sich weiterzuentwickeln. So wie das auch mit der Braille-Schrift gelungen ist."  Es gelte zu verinnerlichen, was die taubblinde Autorin Helen Keller gesagt hat: „Die besten und schönsten Dinge auf dieser Welt kann man weder sehen noch berühren, sondern nur im Herzen spüren.“

Grußwort Dr.  Marco Bambach, Aufsichtsratsvorsitzender

Der Aufsichtsratsvorsitzende der BFW gGmbH stellte in den Mittelpunkt seines Grußwortes die Aussage "Unser Leben wird durch das bestimmt, was wir behalten - und durch das, was wir loslassen" von Elke Heidenreich in ihrem Bestseller-Buch "Altern", in dem die Autorin im Alter von 80 Jahren auf ihr Leben zurückblickt.

In diesem ständigen Prozess würden sich, so Brambach, auch die Mitarbeitenden des BFW befinden, auf langjährige Erfahrung und großes fachliches Knowhow zurückgreifen, um neue Wege für die Teilnehmenden zu gestalten. Zugleich seien sie aber auch bereit, Überholtes los und sich auf Innovationen einzulassen - denn nur so könnten sie den sich ändernden Herausforderungen gerecht werden.

Brambach war voll des Lobes: "Judith Faltl und ihre Mitarbeitenden setzen sich hier im BFW intensiv mit hoher fachlicher und herzlicher menschlicher Begleitung und Unterstützung dafür ein, den Menschen, die einen schweren Schicksalsschlag erlebt haben, den Mut und das Selbstvertrauen zu vermitteln, damit sie den nächsten beruflichen und persönlichen Schritt gehen können."

Die Welt von Braille

Grußwort für den Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband durch Dr.  Thomas Krämer,  DBSV-Vizepräsident

Dr. Thomas Krämer, Vizepräsident des DBSV, nahm dann die Gäste mit in die Welt der Brailleschrift, die sich weltweit ausgebreitet hat. Er sprach die vor ihrer Einführung stehende europäische Norm für taktile Beschriftungen im öffentlichen Raum an und was man inzwischen neben der Basisschrift differenziert für Blinde darstellen kann, so mathematische Formeln, Noten, chemischen Reaktionen oder komplexe Sprachen wie chinesisch oder japanisch. Auch die Hilfsmittel entwickeln sich ständig weiter, so die Darstellung von Zeichnungen, die Folienkopie oder Flächendisplays sind heute Medien, mit den Blinde privat wie auch im beruflichen Bereich technisch mithalten können.

Im Bereich der zugänglichen Medien nannte Krämer 100.000 Titel, die pro Jahr veröffentlicht werden, von denen der DBSV versuche 2000 für Blinde zugänglich zu machen, was bis jetzt zu 30.000 Büchern in Blindenschrift geführt habe.

Um Braille zu lernen, seien viele plötzlich erblindete Menschen auf die Selbsthilfe angewiesen. Im Erwachsenenalter habe man  Glück, wenn man in eine berufliche Rehabilitation kommt. Inzwischen biete der DBSV Braille-Lehrbücher zum Download an. Eine sehr positive Entwicklung sei, dass Smartphones zu Discountpreisen die Ein- und Ausgabe von Braille ermöglichen. Eine große Bedeutung haben so auch Sprachausgaben und Hörbücher, die die Teilhabe viel schneller mit 500 Worten pro Minute erlauben, als dies Braille-Lesern möglich ist.

Die Braille-Schrift sei aber nach wie vor heute noch notwendig, um gerade im beruflichen Umfeld interaktivagieren zu können, so das Arbeiten mit Excel, das Abbilden in Tabellen und Zeichnungen, das Rechnen, auch interaktive Formate wie  Vorträge und Besprechungen, wo man präsentieren, notieren und nachschlagen und in Interaktion mit dem Gegenüber treten kann, seien ohne Braille nicht vorstellbar. Dies gelte auch im sonstigen Bereich so für Beschriftungen im öffentlichen Raum, das Lesen von Medikamenten oder Spiele und vieles mehr.

Als Resümee stellte der DSBV-Vizepräsident fest, dass die  Brailleschrift die Basis für die berufliche Teilhabe und technisch im 21. Jahrhundert angekommen und im Informationszeitalter unerlässlich ist. Sie biete Unabhängigkeit und Leichtigkeit in Beruf, Freizeit und Mobilität

Wie Celina beklagte aber auch Krämer, was aktuell hier in Europa und über dem Teich in Amerika passiert, sei sehr bedenklich. Eine der ersten Akte der Trump-Regierung sei gewesen, die Barrierefreiheit der Homepage des Weißen Hauses abzuschalten.

So stellte denn auch BFW-Geschäftsführerin Judith Faltl  fest, dass das Lesen und Schreiben mit Braille für sie auch heutzutage im digitalen Zeitalter unerlässlich sei.

Wie sie ausführte, habe das BFW im Jahr 2024 gemeinsam mit den Aufsichtsräten und den Gesellschaftern bewährte und neue Angebote auf den Weg gebracht für blinde und sehbehinderte Menschen, die sich beruflich neu orientieren.

Dank der Unterstützung von Stiftungen konnte ihr Haus im Jahr 2024 eine Fachkraft für Orientierung und Mobilität ausbilden und so selbst dem Fachkräftemangel begegnen, ein digitales Whiteboard beschaffen und das Projekt NVDA für mehr digitale Teilhabe für alle blinden und sehbehinderten Menschen nachhaltig starten. Durch den DBSV konnten sich im letzten Jahr vier der Mitarbeitenden weiterbilden im Bereich Braille Vermittlung und im Anschluss interessierte Kollegen im Haus schulen.

Mit dem Kollegenkreis  der Berufsförderungswerke und Bildungseinrichtungen werde gemeinsam im Bereich Reha an der gemeinschaftlich beauftragten Bedarfsermittlung für die Zukunft der Reha und mit den Kostenträgern Deutsche Rentenversicherung Nordbayern  (DRV) und Bundesanstalt für Arbeit an einem Zukunftskonzept für die berufliche Rehabilitation gearbeitet, insbesondere auch um Menschen mit zusätzlichen psychischen Beeinträchtigungen optimal auf ihre berufliche Rehabilitation vorzubereiten.

Faltl schloss ihre Ausführungen mit Zitaten eines Teilnehmers, der nach gut sechs Jahren das BFW verließ, in denen dieser  die Möglichkeit hatte, nicht nur die deutsche Sprache bis zum Niveau B2 zu erlernen, sondern auch eine umfassende Ausbildung zu absolvieren, die ihm sowohl beruflich als auch persönlich enorm weitergebracht habe. Die von ihm erlangten Kenntnisse in der Brailleschrift und der Umgang mit spezieller Software und Technologie seien für ihn  als sehbehinderte Person von großem Wert und eine unverzichtbare Grundlage für sein weiteres Leben. Er blicke  mit Stolz auf seine Fortschritte und sei unendlich dankbar, dass er im BFW ein Umfeld voller Verständnis und Förderung gefunden hatte.

Die Nachricht "Wir haben es bald geschafft"  hatte die Geschäftsführerin in ihrer Begrüßung an Bürgermeister Jürgen Götz bezüglich des Teilverkaufs des Sportplatzes auf dem BFW-Areal zur Errichtung einer Wohnstätte für 32 Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen und für Barrierefreies Senioren-Wohnen (siehe nachstehender Link auf Bericht vom 19.1.2022. Faltl dankte der Gemeinde ebenso dem Geschäftsführer Klaus Kräutner der ESW Bauträger GmbH des Evangelischen Siedlungswerkes, den Vertretern der Blindeninstitutsstiftung und allen Planenden für das konstruktive Miteinander im letzten Jahr.

Wie die finanzielle Lage des BFW zum Jahresende aussieht, war beim NJE kein Thema, gibt diese offenbar zu keinen Klagen Anlass. Noch im Jahr 2017 war der seit 1980 in Veitshöchheim beheimatete "Dampfer" des Berufsförderungswerkes Würzburg (BFW) in heftige Stürme geraten, wurde der damalige Geschäftsführer  Christoph Wutz  Anfang November 2017 durch Karsten Hohler ersetzt und von diesem in den Folgejahren das BFW in einem schmerzhaften Prozess wieder  auf Erfolgskurs mit  schwarzen Zahlen gebracht, war das Haus Anfang 2020 mit 220 Rehabilitanden wieder vollbelegt. Judith Faltl, beruflich 30 Jahre lang als Software-Ingenieurin in der Automobilindustrie und der öffentlichen Verwaltung tätig, war dann die erste Frau, die zum 1. Januar 2022 als selbst Betroffene die Geschäftsführung übernahm, nach dem sie hier am BFW bereits von 2015 bis 2021 als Aufsichtsratsvorsitzende wirkte.

Bevor die Gäste den Neujahrsempfang verließen, wartete auf sie am Ausgang noch als Give-Away ein Apfel als das Symbol des BFW für Innovation., Barrierefreiheit und Inklusion

Weiter köstliche Gerichte beim BFW-Neujahrsempfang

Lammrücken mit Speckbohnen und gerösteten Drillingen

Gegrilltes Lachsfilet auf  Pfifferling Graupen Risotto

 

 

 

 

 

Gnocchi in Salbeibutter mit getrockneten Tomaten, Oliven und Kapern

Kürbis-Ingwer Suppe mit gerösteten Kernen

Noch einige Gäste-Fotos

 Unter den Gästen weilten als Ehrengäste im Bild auch v.l.n.r. Landrat Thomas Ebert und sein Behindertenbeauftragter Ernst Joßberger, Bezirksrätin Christina Feiler, Bürgermeister Jürgen Götz und seine Gemeinderats-Referentin für Vereine und Sport Petra Doßler sowie der Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht Marc Doßler.

Fotos Dieter Gürz

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