Nach neun Jahren beim Heeresmusikkorps in Veitshöchheim verabschiedete sich Oberstleutnant Roland Kahle mit einem phänomenalen Benefizkonzert in den Mainfrankensälen vor 650 Gästen
Das Heeresmusikkorps Veitshöchheim veranstaltete am Donnerstag, den 11. Juli 2024 ein Benefizkonzert in den Mainfrankensälen Veitshöchheim zugunsten des BRK-Kreisverbandes Würzburg. Für Orchesterchef Oberstleutnant Roland Kahle war es sein letzter konzertant er Auftritt in der Region. Nach neun Jahren Dienstzeit als Leiter des Musikkorps übergibt er am Freitag, 26. Juli 2024, um 11.00 Uhr bei einem feierlichen Appell in der Balthasar-Neumann-Kaserne die Dienstgeschäfte an seinen Nachfolger, Hauptmann Wolfgang Dietrich (derzeit HMK Koblenz). Zuvor tritt er noch in der nächsten Woche in seiner Heimat in der Region Hof auf und will dann seinen Taktstock in seine Andenkenvitrine legen.
Ende September 2024 geht der Oberstleutnant dann nach 43 sehr erlebnisreichen, intensiven und musikalisch sehr erfüllenden Jahren als Offizier im Militärmusikdienst der Bundeswehr in den Ruhestand. Er kann dann auf unzählige Auftritte im In- und Ausland sowie im Fernsehen zurückblicken. Sein Herzensanliegen und sein Motto bei all seinen Auftritten: „Aus Freude an der Musik die Zuhörer begeistern!“
Die Ehre erwiesen dem Oberstleutnant v.l.n.r. Bürgermeister Jürgen Götz, der Standortälteste Brigadegeneral Michael Podzus (höchster Repräsentant der Bundeswehr hier am Standort), die Bundestags-Wehrbeauftragte Dr. Eva Högl (siehe nachstehender Link auf weitere Infos) und Landrat Thomas Eberth (re.).
Der Orchesterchef sprach bei seinem Abschiedskonzert in der Region von einem ganz besonderen Abend, den er nach 37 Jahren aktiv als Führungskraft in der Militärmusik der Bundeswehr gestalten durfte.
"Ich habe in dieser Zeit unglaublich viel erlebt", erzählt der Oberstleutnant. Was die Bundeswehr einem da biete, könne kein anderer Arbeitgeber. So war er als Gastdirigent in Taschkent, Usbekistan, Madrid und Lissabon, in den Botschaften in Moskau, Washington, Paris, Wien, Rom und Athen immer mit Orchesterbesetzung. Weiter habe er Festivals geleitet und auch welche gegründet und organisiert und stand vor 700 Mitwirkenden. Kahle blickt begeistert zurück: "Es ist einfach toll was man mit der Militärmusik der Bundeswehr erleben kann." Das sei soviel, dass es danach nichts mehr zu toppen geht.
Kahle: "Mein Motto ist nie gewesen, einfach nur Musik zu machen, sondern allen Zuhörenden die Möglichkeit geben, einmal abzuschalten und die Seele baumeln zu lassen, sodass alle nach Hause gehen und sagen, das war ein schöner Abend."
Die 650 Gäste im Saal erlebten nicht zuletzt durch herausragende solistische Einlagen einen musikalischen Ohrenschmaus auf höchstem Niveau. Der Orchesterchef und seine 50 Profimusiker auf der Bühne verwöhnten das Publikum drei Stunden lang von 19:30 bis 22:30 Uhr mit vielfältigen musikalischen Leckerbissen im Big-Band-Sound. Bekannte Titel wie „Music was my first love“ von John Miles und “Against all odds” von Phil Collins waren ebenso dabei wie Filmmusik und ein Harry Belafonte Medley sowie grandiose Auftritte einzelner Solisten. Alle Blasmusikfans kamen bei Märschen und Militärmusik auf ihre Kosten.
Stabsfeldwebel Thomas Althön führte in einer sehr lockeren und humorvollen Art trefflich mit interessanten Anekdoten zu den Musikstücken durch das kurzweilige, abwechslungsreiche Programm, das an Professionalität nicht zu überbieten war.
Zur Begrüßung servierten die Heeresmusiker angetrieben von Paukenschlägen eine klangvolle Fanfare von Richard Strauss, eine sinfonische Dichtung frei nach Friedrich Nietzsches "Also sprach Zarathustra", uraufgeführt 1896 durch das Frankfurter Städtische Orchester, weltberühmt durch den Film "Odyssee im Weltraum" 2001.
Zu Gehör brachte dann das Orchester die weltberühmte Ouvertüre der Operette "Leichte Kavallerie" des österreichischen Operettenkönigs Franz von Suppé mit schöner Trompetenfanfare und quirligen Klarinetten die sich durch S-Dur schummeln, uraufgeführt im Jahr 1866 im Carl-Theater in Wien.
Vier Trompeter spielten sich in den Vordergrund mit ihren Fanfaren beim lautstarken "Parademarsch der 18er Husaren" des „Königlichen Musikdirigenten" Alwin Müller, der dem 1. Sächsischen Husarenregiment Nr. 18 in Großenhain angehörte
Das Sinfonische Blasorchester brachte dann ausdrucksvoll das Werk "Victory" des zeitgenössischen amerikanischen Komponisten Rossano Galante zu Gehör, freudige Klänge am Anfang (laut Moderator "auskomponiertes Lachen"), später ein trauriger Teil zu Tränen rührend und am Ende konnte man im 7/8-Takt die rhythmische Adaption des Eröffnungsthemas hören, das ein Gefühl des tiefen Nachdenkens hervorruft und in einer grandiosen Reprise des Hauptthemas gipfelt.
Beim nächsten Stück griff der Orchesterchef selbst zum Mikrofon, um mit dem von Kuno von Moltke 1892 komponierten "Des großen Kurfürsten Reitermarsch" einen der schönsten getragenen Reitermärsche, mit eindrucksvollen Solofanfaren im Zwischenspiel, anzukündigen, um den uns die ganze Welt beneide. Es mache ihm jedes mal Spaß dieses Lieblingsstück aller Kommandeure bei militärischen Feiern wie dem Großen Zapfenstreich zu zelebrieren, mit einem Trompetensolo, mit dem Stabsfeldwebel Markus Lenhardt nun in der Dunkelheit an der Saalwand hinten brillierte.
Vor der Pause begaben sich die Musikanten mit dem Publikum auf eine 960 Kilometer lange Reise über den "Königsweg" entlang der Westcoast Südamerikas inklusive langer Durststrecke in der Wüste. Der für seine Werke für Blasorchester bekannt gewordene amerikanische Komponist Alfred Reed 1921 - 2005) komponierte 1986 mit "El Camino Real", eine außergewöhnliche Fantasie mit lateinamerikanischen Elementen voller Brillanz und Kraft, die in einem fulminanten Furio enden. Der feurige Stil und das brillante Spiel von Reeds "A Latin Fantasy" war auch für die Veitshöchheimer Heeresmusiker eine große Herausforderung, die aber das zehnminütige Stück der Höchststufe mit einem fulminanten Furioso zu einem wunderschönen Ergebnis führten.
Recht schwungvoll ging es dann nach der Pause weiter mit der "Fanfare for the Common Man", ein musikalisches Werk des US-amerikanischen Komponisten Aaron Copland aus dem Jahr 1942. Dazu inspiriert hatte ihn die Rede des Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten, Henry A. Wallace, als dieser das „Jahrhundert des Normalbürgers“ ausrief. Coplands kurzes majestätisches Stück, ehrt die Menschen, die keine Heldentaten auf dem Schlachtfeld vollbracht, sondern die Anstrengungen, Sorgen und Hoffnungen derer geteilt haben, die nach dem Sieg gestrebt haben.
Die inzwischen Kultstatus besitzende Fanfare mit ihren majestätischen Bläser- und Schlagzeugpartien ist bei großen Sportveranstaltungen mittlerweile nicht mehr wegzudenken, haben mit ihr auch "Styx" und die "Stones" ihre Konzerte eröffnet.
Nach diesem schon etwas modernerem Stück begab sich nun das Orchester in das Genre der Filmmusik. Das Publikum konnte eintauchen in die fantastische Klangwelt des iranisch-amerikanischen Films "Caravans", der 1978 in die Kinos kam, mit Anthony Quinn in der Hauptrolle und mit einer Karawane durch den musikalischen Orient ziehen. Ein Film, der weniger durch seine Handlung, sondern vor allem durch seine sensationelle Musik erfolgreich wurde. Der Soundtrack wurde vom britischen Komponisten Mike Batt geschrieben. Ohne Zweifel: Eine der wohl authentischsten und berührendsten Filmmusiken, die 1986 unvergessen wurde, als die Eiskunstläuferin Kathy Witt mit dieser Melodie Weltmeisterin wurde. In der Wüste wurde in dem Film viel Schalmei gespielt, um die Schlangen zu vertreiben, nun wunderbar interpretiert vom HMK-Oboisten Karl Grabowski
Kahle blieb im Genre der Filmmusik mit dem Soundtrack "Against All Odds (Take a Look at Me Now)" ein Lied von Phil Collins aus dem Jahr 1984 zu dem Film "Gegen jede Chance" mit dem unvergessenen Saxophon-Solo von Gerald Albright, aus den Reihen des HMK hervorragend von Stabsfeldwebel André Müller.
Die Bühne freigeräumt wurde nun für die Schlagzeuger, dass sie auch einmal in der ersten Reihe stehen können, die dann mit Plastikeimern bei ihrer "Bucket Parade" nur Quatsch im Kopf hatten.
Dass das Musikkorps mit vielen großartigen Musikern gesegnet ist, war augenscheinlich. Einen oben drauf setzte Stabsfeldwebel Markus Lenhardt, der als phantastischer Sänger mit den größten Hits von Harry Belafonte das Publikum total begeisterte, so mit den Evergreens "Angelina, Angelina", "Jamaica Farewell", "Mathilda", "Island in the sun" und "Banana-Boat".
Kahle verlieh Markus Lenhardt (nun wieder in der Uniform) im Namen der Bundesrepublik Deutschland das Eiserne Kreuz der Bundeswehr in Gold für treue Pflichterfüllung und überdurchschnittliche Leistungen. Lenhardt habe sich beim HMK in außergewöhnlicher Weise hervorgetan, wie zuvor auch das Publikum erleben konnte. Kahle: "Mit seiner außergewöhnlichen Befähigung zum Gesangssolisten und Entertainer setzt er seit Jahrzehnten regelmäßig Glanzpunkte im musikalischen Programm bei Auftritten des HMK." Er gehöre zweifelsohne zu den zahlenmäßig sehr seltenen Angehörigen des Militärmusikdienstes, die über eine derartige Begabung verfügen und das Publikum restlos begeistern können.
In der Traditionspflege der Bundeswehr gilt das Ehrenkreuz gemäß Traditionserlass als nationales Erkennungszeichen und als Sinnbild für Tapferkeit, Freiheitsliebe und Ritterlichkeit.
"Music was my First Love" John Miles war das letzte Stück auf dem Programmflyer, mit dem Roland Kahle nochmals förmlich auf dem Dirigentenpult explodierte und die 50 Mitglieder seines Orchester zu Höchstleistungen anspornte. Der kurze und einfache Text dieses sich durch starke Kontraste auszeichnenden Liedes von John Miles, besonders der beiden ersten Zeilen "Musik war meine erste Liebe und sie wird meine letzte sein" drückt Kahles niemals endende Liebe zur Musik aus.
"Wir alle spielen es für unseren scheidenden Kapellmeister, denn wir alle wissen, dass er ein Musiker durch und durch ist und auch bleiben wird," betonte denn auch Moderator Althön. Wie der Stabsfeldwebel sagte, waren es sehr fordernde, sehr spannende und sehr, sehr lustige neun Jahre mit ihm.
"Was kann es Schöneres geben" mit diesen Worten versüßte nach Verklingen des Liedes Landrat Thomas Eberth Oberstleutnant Roland Kahle seinen Abschied mit einem Präsentkorb, ein paar Worte des Dankes und des Respektes zum Ausdruck bringend. Er habe seine Tätigkeit als Orchesterchef stets mit Leidenschaft und Herzblut, mit Engagement und Kraft ausgeübt und Freude in die Ohren und Herzen der Menschen gebracht. Kahle sei ein wunderbarer Musiker, ein genialer Geist, der zusammenführe und Harmonie bringt.
Als BRK-Kreisvorstand sagte Eberth Dank für einen weiteren großen Punkt. Der Oberstleutnant habe immer auch an die Menschen gedacht, die nicht an der Sonnenseite des Lebens stehen und viele Benefizkonzerte bestritten für Einrichtungen, die sich um Soziales kümmern.
Eberth: "Wir sind stolz auf unser Heeresmusikkorps sind, denn es bereichert die gesamte Region, bringt Generationen von Musikern zum Vorschein, die auch unsere Laienorchester bereichern und dann auch wieder welche beim Musikkorps landen."
Der scheidende Orchesterchef konnte sich auch über ein Gemälde des Freundeskreises Würzburg-Suhl freuen, das ihm Bernd Höland als Dankeschön für die vielen Benefizkonzerte zugunsten sozialer Einrichtungen und Zwecke in Würzburgs Partnerstadt überreichte.
Man sah dem scheidenden Orchesterchef seine Wehmut an, nun den Dirigentenstock des HMK aus der Hand zu geben. Kahle: "Ich bin stolz auf meine Musiker, mit denen ich durch die Lande ziehen durfte, eine tolle Truppe, mit denen es wirklich Spaß machte."
Nachdem zuvor zwei Märsche als Zugabe ertönten, darunter auch der weltberühmte Radetzkymarsch, verabschiedete sich Kahle mit "Auld Lang Syne" („längst vergangene Zeit“), eines der bekanntesten Lieder im englischsprachigen Raum mit dem deutschen Titel "Nehmt Abschied, Brüder", zuvor noch Moderator Althön das Kompliment machend, das Publikum dermaßen fasziniert zu haben, dass nicht um eine Autogrammstunde im Foyer herumkomme.
Stehend wie das Publikum, intonierten dann als letzten Akt die Heeresmusiker noch die Nationalhymne.
Fotos (c) Dieter Gürz