Zum zugeparkten Blindenleitweg in der Kirchstraße äußern sich Betroffene und der Bürgermeister
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Für Veitshöchheim hat das Blindenleitsystem in der Kirchstraße eine besondere Bedeutung. Denn in der Gemeinde befindet sich das Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte (BFW). Von den gut 2...
Mainpost-Online 13.1.2023
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Am 2. Januar 2023 wurde hier auf Veitshöchheim News berichtet, dass es Ärgnernis für viele Blinde in Veitshöchheim ist, dass der neue Blindenleitweg in der Kirchstraße ständig von Autos zugeparkt wird (siehe nachstehender Link).
Ergänzend dazu wurde zu der Problematik die Meinung betroffener Blinder und die Stellungnahme des Bürgermeisters eingeholt. Nachstehend wiedergegeben werden auch Äußerungen von Veitshöchheimern zu diesem Thema in Faceebook.
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"Die Blindenleitstreifen sind für mich als Betroffener leider in der Kirchstraße nicht sehr hilfreich, da sich da öfters Passanten draufstellen und mit einander ratschen oder Autos darauf parken, "bedauert der blinde Physiotherapeut Cem Tören, der in der Kirchstraße 13 im Veitshöchheimer Altort neben dem Eingang zur Vitusschule seit August 2017 eine eigene Praxis betreibt und deshalb tagtäglich hier negative Erfahrungen macht. Bei der Kollison mit parkenden Autos habe es auch schon Dellen gegeben.
Es komme auch sehr oft vor, so der 32jährige, dass er Mitbürger erschrecke, wenn er „hoppla“ schreie, wenn er sie mit dem Blindenlangstock treffe oder sie gar anrempele. Tören: "Wenn ich dann Passanten darauf aufmerksam mache, dass die Leitstreifen für uns zur Orientierung dienen, dann sagen alle, das wussten wir nicht."
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Auch für die blinden Veitshöchheimer Mitbürger Sonja und Rainer Brell ist es ein vermeidbares Ärgernis, wenn Leitlinien auf Gehwegen oder im oder um den Bahnhof mit Autos, Fahrrädern, Koffern oder Personen blockiert sind.
Rainer Brell: "Man stelle sich als Autofahrer vor, dass auf einer Straße plötzlich sechs Fahrräder abgestellt sind– möchte man das erleben?" Blindenleitstreifen seien für die Eheleute wie für alle Nutzer eines Blindenlangstocks, eine „sichere Straße“, denn sie würden mit ihren Indikatoren zielgenau den Weg von A nach B zeigen. "Zugestellte Leitlinien können zwar notfalls umgangen werden. Dies birgt jedoch die Gefahr, auf unerwartete neue Hindernisse zu stoßen oder gar die Linie, und damit die Orientierung, ganz zu verlieren," stellt Sonja Brell fest.
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Judith Faltl, die blinde Geschäftsführerin des BFW in Veitshöchheim und zugleich Landesvorsitzende des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes (BBSB) e.V. in München appelliert an alle Verkehrsteilnehmer: "Bitte Blindenleitsystem freihalten! Wenn ich auf einem Blindenleitsystem mit meinem Blindenlangstock gehe, fühle ich mich sehr, sehr sicher. Ich kann nicht stürzen, mich nicht verletzen, bin auf dem richtigen Weg. Darauf abgestellte Hindernisse wie Fahrzeuge, Auslagen, Sitzmöbel, treffen mich völlig unvermittelt, da ich gerade hier damit eben nicht rechnen muss. Wenn ich das Blindenleitsystem verlassen muss, begebe ich mich in Gefahr. Betrete ich die Fahrbahn? Gibt es Stufen, Kanten, absturzgefährdete Stellen? Rillen und Noppen, die häufig auch kontrastreich gestaltet sind, geben uns blinden und sehbehinderten Menschen Sicherheit und sie unterstützen unsere Orientierung. Bitte halten sie sie frei. Vielen Dank"
Stellungnahme des Bürgermeisters
Bürgermeister Jürgen Götz: „Letztendlich haben wir hier in der Kirchstraße einen Kompromiss. Es gab die Diskussion, hier eine Fußgängerzone einzuführen, in der dann kein Auto hätte parken dürfen, was jedoch nicht mehrheitsfähig im Gemeinderat war." Jetzt habe man einen verkehrsberuhigten Bereich mit niveaugleichem Ausbau der Verkehrsfläche, wo alle Beteiligten gleiches Recht haben, wodurch sich gewisse Graubereiche ergeben würden.
Bei einer solchen niveaugleichem Gemeinschaftsstraße wie hier in der Kirchstraße muss laut Götz nach der einschlägigen DIN-Vorschrift 18040-3 von 2014 zur Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehrs- und Freiraum gewährleistet sein, dass blinde und sehbehinderte Menschen mittels einer taktilen Führung durch Leitelemente solche Gemeinschaftsstraßen gefahrlos nutzen können.
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Ein ruhender Verkehr dürfe deshalb diese Leitelemente nicht verdecken, was aber aktuell aber leider noch häufig der Fall sei.
Nach Meinung des Bürgermeisters muss sich alles noch einspielen und ins Bewusstsein der Autofahrer kommen, dass der Blindenleitstreifen nicht beparkt wird.
Da offenbar viele die Bedeutung der Leitstreifen nicht wissen, sei man auch im Rathaus auf die Idee gekommen, Schilder aufzustellen und darauf die Verkehrsteilnehmer anzuhalten, den Blindenleitweg stets freizuhalten.
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Die Politessen der Gemeinde würden außerdem schon jetzt auf den Leitstreifen parkenden Autos diesen Zettel an den Scheibenwischern befestigen. Außerdem werde versucht, mit Hinweisen im Mitteilungsblatt möglichst viele zu erreichen. Götz hofft, dass es durch diese Maßnahmen sukzessive besser wird.
Für den Bürgermeister ist es nicht schlüssig, dass der Gesetzgeber Blindenleitstreifen im niveaugleichen verkehrsberuhigten Bereich vorschreibt, auf der anderen Seite es aber im Gegensatz zu Fahrradstreifen nicht bußgeldbewehrt ist, wenn jemand darauf parkt. Da im verkehrsberuhigten Bereich der Kirchstraße keine Parkplätze ausgewiesen, so Götz, würden natürlich alle Autofahrer durch den VÜD der Gemeinde verwarnt, wenn sie dort länger als fünf Minuten mit ihrem Fahrzeug stehen.
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Ziele des Leitstreifens in der Kirchstraße sind die Einstiegsfelder der Bushaltestellen auf beiden Straßenseiten. Da beidseitig des Blindenleitweges ein Streifen von 60 Zentimeter von Einbauten und Hindernissen freizuhalten ist (von Sitzgelegenheiten sogar von 1,20 Meter), hat Planer Thomas Wieden bewusst die Leistreifen nicht an die Hauskanten verlegt, da es auch eine Zielsetzung des Ausbaus war, die Randbereiche an den Gebäuden bis zur Bahnhofstraße hin verbreitern, um mehr Aufstellfläche für die nach seinen Worten "für den Ort so wichtige Außengastronomie und die Geschäftsauslagen" zu erhalten.
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Verkehrsberuhigter Bereich: Was hier erlaubt ist
In einer verkehrsberuhigten Zone sind Fußgänger und Fahrzeuge gleichberechtigt. Fußgänger, egal ob klein oder groß, müssen nicht am Fahrbahnrand gehen, sondern dürfen die gesamte Straße nutzen.
Wenn nötig, müssen Fahrzeuge warten. Kinder dürfen hier spielen, allerdings dürfen Fußgänger ihrerseits den Fahrverkehr nicht behindern.
Fußgänger müssen zur Seite gehen, wenn ein Fahrzeug vorbeifahren möchte. Die Straße darf nicht blockiert werden, etwa durch große Gegenstände, Spielzeug oder Ähnliches.
Ja. Motorisierte Fahrzeuge und Fahrräder müssen allerdings besondere Rücksicht auf Fußgänger nehmen und dürfen maximal Schrittgeschwindigkeit fahren. In der Rechtsprechung werden teilweise 7 km/h und teilweise 10 km/h als Schrittgeschwindigkeit angenommen.
Darf man in einer verkehrsberuhigten Zone parken?
Parken ist hier nur auf speziell ausgewiesenen Flächen erlaubt. Ausnahmen gelten ausschließlich für das Be- und Entladen. Wer sich nicht daran hält, muss mit einem Verwarnungsgeld rechnen.
Quelle: ADAC
Ergänzung:
Ambulante soziale Dienste (wie Alten- und Pflegedienste) und Handwerksbetriebe können in verkehrsberuhigten Bereichen auch außerhalb der gekennzeichneten Flächen mit einem befristeten Parkausweis der Kommunen parken, aber nur soweit und solange dies mangels anderer geeigneter Parkmöglichkeiten zur Durchführung der Arbeiten notwendig ist.
Hinweis:
Die Gemeinde könnte im Parkausweis darauf hinweisen, dass der Ausweis nicht berechtigt, auf dem Blindenleitweg zu parken.
Fotos Dieter Gürz