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Pro und Contra Gemeinderatssitzungen per Video im Internet

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

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Bayerische Piraten wollen Gemeinderatssitzung im Internet übertragen

Laut "Die Welt" vom 15.10.2012 sollen nach dem Willen der Piratenpartei öffentliche Stadt- und Gemeinderatssitzungen in Bayern künftig per Video aufgezeichnet und anschließend im Internet veröffentlicht werden. Transparenz und Teilhabe der Bürger an politischen Entscheidungen seien nur möglich, "wenn die Öffentlichkeit der Sitzungen konsequent ausgedehnt wird", begründete der bayerische Piratenchef Stefan Körner seinen Vorschlag. Körner verwies dabei auf Städte wie Pfaffenhofen und Passau, wo ein Internet-Livestream aus dem Stadtratssitzungen bereits erfolgreich praktiziert werde. "Diese guten Beispiele müssen endlich Standard werden", sagte Körner.

 

Ein gleichlautender Antrag eines Bürgers ging nun auch bei der Gemeinde Veitshöchheim  ein. Vielen Bürgern sei es nicht möglich, so die Begründung, in den öffentlichen Sitzungen des Plenums und der Ausschüsse ihr Recht auf Teilhabe an demokratischen Prozessen wahrzunehmen, da manche zu diesen Zeiten arbeiten, andere familiäre Verpflichtungen haben.

Auch in zahlreichen anderen Kommunen gingen Petitionen mit dem Ziel ein, durch die Übertragung von Gemeinderatssitzungen im Internet, Kommunalpolitik "sichtbar" und somit transparent zu machen.

 


Recherchen der Veitshöchheimer Geschäftsleitung:

Datenschutz

Bei der Video-Aufzeichnung von Sitzungen und der Veröffentlichung im Internet sind datenschutzrechtliche Bestimmungen zu beachten, insbesondere muss das Persönlichkeitsrecht gewahrt bleiben.

Dazu hat der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz Dr. Thomas Petri in seiner 2011 herausgegebenen Broschüre „Datenschutz Rathaus“ ausgeführt: „Werden Gemeinderatssitzungen ins Internet übertragen, so ist darauf zu achten, dass einzelne Zuschauer nicht erkannt werden können, Bürgerangelegenheiten nur anonym behandelt werden und Gemeinderatsmitglieder bzw. Gemeindebedienstete einer Übertragung ihrer Beiträge vorher wirksam zugestimmt haben. Sitzungsvorlagen, die personenbezogene Daten enthalten – auch für öffentliche Sitzungen – sind interne Ausarbeitungen der Verwaltung und gehören nicht ins Internet. Auch bei einer Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle – selbst von öffentlichen Sitzungen – dürfen regelmäßig nicht mehr als Tag und Ort der Sitzung, die Namen der Gemeinderatsmitglieder, die behandelten Gegenstände, die Beschlüsse und das Abstimmungsergebnis veröffentlicht werden.“

Weiter wird von Datenschützern geltend gemacht: Eine „wirksame schriftliche Einwilligung“ setzt Folgendes voraus: Ausführliche Aufklärung über Verwendungsmöglichkeiten der Aufzeichnungen (auch durch Internetnutzer), Bedenkzeit und Nichtöffentlichkeit der Einwilligung – sonst entsteht ein Entscheidungsdruck und damit gibt es keine Freiwilligkeit im Sinne des Datenschutzrechts mehr – sowie jederzeitiger Widerruf und Nichtöffentlichkeit des Widerrufs.

Kameras und Mikrofone dürfen nur Personen erfassen, die eingewilligt und nicht widerrufen haben – nach Möglichkeit nur Redner. Die versehentliche Aufzeichnung – in Bild und Ton – von Personen, die nicht eingewilligt hätten, muss verhindert werden.

Wird eine Einwilligung zurückgezogen oder würden personenbezogene Daten Dritter in Ausführungen des Bürgermeisters oder der Gemeinderäte behandelt, darf nicht übertragen werden. Die Kommune hat dies sicher zu stellen, indem bei einer Live-Übertragung unterbrochen oder bei Aufzeichnungen entsprechend herausgeschnitten wird.

Nach Möglichkeit soll es keine Speicherung der Aufzeichnungen geben, andernfalls seien eingestellte Aufzeichnungen spätestens nach der nächsten Sitzung aus dem Netz zu nehmen. Den Internetnutzern soll nicht ohne Weiteres die Anfertigung einer Kopie ermöglicht werden.


Beispiel Pfaffenhofen

In Pfaffenhofen, wo alle Ratsmitglieder mit einer Übertragung einverstanden waren, hat man sich wohl über diese datenschutzrechtlichen Bedenken hinweggesetzt. Es wurde aber mit Rücksicht auf gewisse Bedenken einiger Stadträte die Technik so eingerichtet, dass die Räte nicht ständig im Bild sind, sondern das Übertragungsbild grundsätzlich auf das Podium mit Bürgermeister, Verwaltung und Leinwand ausgerichtet wird und die Stadträte nur bei Wortmeldungen ins Bild kommen: Erst wenn ein Stadtrat den Mikrofonknopf betätigt, wird die Kamera automatisch auf diesen Sprechplatz ausgerichtet. Da sich immer zwei Stadträte ein Mikrofon teilen, sind dann beide Personen im Bild. Während der Umschaltzeiten zwischen den Rednern ist das letzte Bild des Vorredners kurz - für maximal drei Sekunden - eingefroren. Da keine Kameraschwenks übertragen werden, ist sichergestellt, dass nur aktive Redner zu sehen sind.

In Pfaffenhofen wurden für dieses Projekt 30.000 € im Haushalt 2012 eingestellt.


Beispiel Passau

In Passau haben ein Drittel der Stadträte ihre Zustimmung verweigert. Die Folge sind gesplittete, ständig unterbrochene und deshalb lt. Fernsehkommentar fragwürdige Livestream-Übertragungen. Eine Passauer Fraktion beanstandet deshalb, dass bei einer Veröffentlichung des Videos im Internet nicht mehr kontrollierbar ist und die Gefahr besteht, dass aus Beiträgen Fragmente zusammenhanglos herausgelöst und womöglich in einen neuen Beitrag zusammengesetzt werden, der das tatsächliche Geschehen verzerrt und wahrheitswidrig wiedergibt.


Eine Sitzungsvorlage für die Region Stuttgart am 10.10.2012 hat das Fazit: Die Übertragung von Gremiensitzungen im Internet ist grundsätzlich möglich. Die Umsetzung wird durch den Daten- und Persönlichkeitsschutz allerdings dermaßen erschwert, dass der organisatorische, technische und personelle Aufwand unverhältnismäßig hoch ist. Eine Investition unter der derzeitigen Rechtslage in Personal und Technik kann daher solange nicht empfohlen werden, bis die rechtlichen Rahmenbedingungen dies mit einem vertretbaren Aufwand zulassen. Der Datenschutz hat in mehreren Städten einen Livestream von Gemeinderatssitzungen verhindert.


Die Stadt Karlruhe teilte, wie es heißt, die Bedenken des Landesdatenschutzbeauftragten. Sie sah eine „rechtssichere Umsetzung“ aufgrund der Einwände als kaum vorstellbar an. Die Verwaltung hatte in der Sitzung in Karlsruhe deshalb vorgeschlagen, bis auf weiteres von einer Übertragung von Gemeinderatssitzungen im Internet abzusehen. Der Rat habe diesem Vorschlag entsprochen.


Die hessische Landesregierung hat mit der Änderung der hessischen Gemeindeordnung zum 1.1.2012 den Kommunen eine Ermächtigungsgrundlage für Internetübertragungen von Kommunalparlamenten eröffnet. Dort heißt es in Art. 52 Abs. 3: Die Hauptsatzung kann bestimmen, dass in öffentlichen Sitzungen Film- und Tonaufnahmen durch die Medien mit dem Ziel der Veröffentlichung zulässig sind.

Gleichwohl wurde diese Öffnung bei der Verabschiedung der Gesetzesänderung auch skeptisch gesehen und von einer „Schwachstelle“ gesprochen. Es sei nämlich „gar nicht so einfach, zwischen dem Anspruch nach transparenten und öffentlichen Verfahren in der Politik und den Persönlichkeitsrechten der ehrenamtlich agierenden Mandatsträger die richtige Balance zu halten. Mahnende Worte hatte der hessische Datenschutzbeauftragte Michael Ronellenfitsch an die Abgeordneten gerichtet. Zwar lehnte er die Regelung nicht grundsätzlich ab, nannte sie aber „eine hochsensible Angelegenheit“. Für die demokratische Kontrolle reiche es aus, wenn die Lokalpresse aus den Sitzungen berichte, urteilte der Datenschützer.


Beurteilung der Veitshöchheimer Geschäftsleitung

Unabhängig davon, ob in Veitshöchheim alle Ratsmitglieder mit einer Übertragung einverstanden sind (dies gilt gleichermaßen auch für die Referenten aus der Verwaltung, die häufig aus fachlicher Sicht während der Sitzung angehört werden - beides müsste erst noch eruiert werden) enthalten sowohl die Sitzungs-Vorlagen als auch die Powerpoint-Folien in den meisten Fällen personenbezogene Daten, insbesondere in allen Bausachen. In den Vorträgen des Bürgermeisters und der Referenten zum Sachverhalt und auch bei den Wortmeldungen müssten als in den Video-Aufzeichnungen diese Passagen wieder herausgeschnitten werden, ebenso auch soweit bei Redebeitragen keine Zustimmung erteilt wird..

Ein Sitzungs-Video über Sitzungen in Veitshöchheim wäre deshalb höchst lückenhaft. Ein externes Unternehmen, das mit der Videofilmerstellung beauftragt werden müsste, verfügt wiederum auch nicht über die rechtlichen Kenntnisse, was nun zulässig ist. Ähnlich wie der Protokollauszug, könnte das Video erst nach Freigabe durch den Gemeinderat veröffentlicht werden.

Es stellt sich deshalb die Frage, ob ein solch großer Verwaltungs-Aufwand unbeschadet der datenschutzrechtlichen Bedenken gerechtfertigt ist.

Bereits vorbildliche Öffentlichkeitsarbeit

Das von Bürgern geltend gemacht Recht auf Teilhabe an demokratischen Prozessen ist in Veitshöchheim bereits weitgehend dadurch ermöglicht,  dass über alle öffentlichen Sitzungen Protokollauszüge im wöchentlich erscheinenden Mitteilungsblatt Veitshöchheim Aktuell bekannt gegeben werden, das zudem schon am Donnerstagabend vor der Veröffentlichung auch im Internet auf www.veitshoechhheim.de nachgelesen werden kann.

Über wichtige Punkte berichtet darüber hinaus regelmäßig die Tagespresse und seit zwei Jahren werden fast alle Themen ausführlich im Blog „Veitshöchheim News“ www.veitshoechheim-blog.de aufbereitet . Es besteht hier auch die Möglichkeit für Bürger, eigene Kommentare abzugeben

Für Bürgermeister Rainer Kinzkofer ist deshalb die Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinde auch ohne Sitzungsübertragung bereits vorbildlich.

In diesem Zusammenhang kann auch auf die alljährliche ausführliche Chronik Veitshöchheim verwiesen werden. Eine Teilhabe-Möglichkeit besteht auch für alle Bürger, sich im Agenda 21- Arbeitskreis einzubringen und so Veitshöchheim mitzugestalten. Unter anderem arbeitete der AK ein Leitbild für Veitshöchheim aus. Wer sich über gemeindliche Probleme informieren will, hat dazu ausreichend Gelegenheit. Schließlich ist auch die Bürgerversammlung (die nächste am 15.11.) ein Forum, sich über die aktuellen gemeindlichen Themen zu informieren und auch Fragen und Anregungen vorzubringen.

Im übrigen zeigen jahrzehntelange Erfahrungen, dass das Interesse an den um 18.00 Uhr beginnenden Sitzungen des Gemeinderates und des Hauptausschusses bis auf wenige an den Fingern einer Hand zählbaren Ausnahmen meist nur dann gegeben ist, wenn Bürger persönlich von einer Entscheidung betroffen sind, wie beispielsweise Grundstückseigentümer bei Ausweisung eines Baugebietes.


Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema? Sie können dazu in der Leiste unten einen Kommentar abgeben.

 


Kommentar von Bruno Winter auf Facebook am 22.10.2012:

Bruno hat geschrieben: „Transparenz schön und gut. Aber irgendwo muss man auch Aufwand und Nutzen abwägen. Und: Das Internet ist nicht die einzige Medium, Öffentlichkeit herzustellen. Jeder kann und darf hingehen, jeder kann sich informieren, jeder weiß, was passiert. Noch etwas: Die Unbefangenheit -die Freiheit des gesprochenen Wortes- dürfte dann nicht mehr gegeben sein. Es besteht die Gefahr, dass die Arbeit des GR eher behindert wird.“ 

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