Die Schülerin Franziska Oppel verkleidete und fotografierte sich unter dem Titel "Frauen heute - Ein Vergleich von kulturellen Rollenbildern" auf so unterschiedliche Art, dass man meint, sie hätte noch vier Schwestern auf anderen Kontinenten. Sie schlüpfte dabei in Anlehnung an ausgewählte Werke von Cindy Sherman in 14 Rollen. Die originelle Kleidung stammt dabei unter anderem von ihren Auslandsaufenthalten in Indien und Moskau.
Alles drehte sich um das Thema "Entfremdung" in der Ausstellung mit Abschlussfest des Q 12-W-Seminars unter der Leitung der Oberstudienrätin Britta Habersack vom Fachbereich Kunst des Gymnasiums Veitshöchheim.
Neun Schülerinnen und drei Schüler hatten in ihren Seminararbeiten ein Jahr lang an diesem Thema gearbeitet und überzeugende, ja beeindruckende praktische Arbeiten erstellt.
Das Duo Christiane WolfundMona Fischer umrahmte mit Gitarre und Gesang die Ausstellung mit Abschlussfest bei dem die Schülerlounge ein Buffet servierte. Schulleiter Dieter Brückner bereicherte den Abend mit Gedanken, dass der Begriff der Entfremdung in Philosophie, Soziologie und Literatur im Laufe der Zeitepochen von der Antike bis heute sehr unterschiedlich interpretiert wurde.
"Fühlst du dich auch manchmal gerädert, wie im falschen Film, ziellos, einsam, wie ein Tropfen im Meer oder leer?" Zu dieser Fragestellung führten Marie KleinundChristiane Wolf aus, das die Kunst eine Möglichkeit sei, dieser Entfremdung entgegenzuwirken. Die ausgestellten künstlerischen Arbeiten würden alle das gleiche Gefühl, nämlich die "Entfremdung" ansprechen. Ein Ausdruck, der heute fast alle Lebensbereiche betreffe, gekennzeichnet durch Unwohlsein, Machtlosigkeit und Anonymität in der modernen Gesellschaft. Ziel des Seminars sei es gewesen, sich mit den Positionen verschiedener renommierter Künstler zu diesem Thema auseinanderzusetzen und verschiedene Bedeutungsebenen zu beleuchten.
Ein Schwerpunkt lag dabei auf den Tierbildern von Franz Marc, die deutlich die Sehnsucht nach der Ruhe und dem Frieden zeigen. Seine Bilder stellen den Versuch dar, durch die expressionistische Darstellung der Natur aus der verstädterten, hektischen Zivilisation auszubrechen. Isabel Hoyer nahm sich ihn zum Vorbild, um mit ihren eigenen Interpretationen, wie im Bild die Eule zum Vergleich realistisch und expressionistisch gegenüber zu stellen.
Surrealistische Künstler wie Max Ernst hingegen suchen in den Welten des Traums und des menschlichen Unterbewusstseins Zuflucht vor den Nachwirkungen und grausamen Eindrücken des Ersten Weltkrieges.
Jonas Dorsch eiferte so in seiner Collage-Serie gekonnt dem Werk "L'homme 100 têtes" von Max Ernst nach, geprägt durch das zufällige oder künstlich provozierte Zusammentreffens von zwei oder mehr wesensfremden Realitäten auf einer Ebene.
Neben diesen beiden Künstlern finden sich noch zehn weitere, mit denen sich jeder einzelne Seminarteilnehmer in seiner Arbeit intensiv beschäftigte. Die ausgestellten Werke offenbaren so in Anlehnung an die Gedanken und Arbeitsweisen dieser Künstler, wie sich Entfremdung in den letzten hundert Jahren und in den verschiedensten Kunstepochen entwickelt haben, von Expressionismus und Surrealismus über Nachkriegskunst und abstrakten Expressionismus bis hin zur Postmoderne. Die Arbeiten sind aber, darauf legten Klein und Wolf in ihren einführenden Worten besonderen Wert, nicht einfach Nachahmung des künstlerischen Vorbilds. Alle hätten vielmehr versucht, Entfremdung unter dem heutigen Blickwinkel auszudrücken. So breit wie die zu Tage getretenen unterschiedlichen Bedeutungen von Entfremdung seien auch die entstandenen Arbeiten und die dabei verwendeten Techniken wie Collagen, gegenständliche und abstrakte Malerei, Fotografie oder Video-Performance. Sie thematisieren zugleich unterschiedlichste Felder, die unsere Gesellschaft heute bewegen, so den übermäßigen Konsum, die mediale Manipulation, dem Phänomen der Großstädte oder der Frage, welchen Platz die Frauen in unserer Gesellschaft einnehmen oder wir als Individuum einnehmen möchten.
Jana Grub beeindruckte so nicht nur mit ihren abstrakten expressionistischen Zeichnungen ala Woman-Bilder von Willem de Kooning und seiner ständig wechselnden Anordnung von menschlichen Figuren im „Auflösungsprozess". Sie glänzte auch in dem dazu von ihr inszenierten Video "Change" mit toller tänzerischer Performance.
Mit aufwendig erstellten Schrottplastiken als Symbol der heutigen Konsumgesellschaft, angelehnt an Pablo Picasso, machte Lukas Witter mit den Figuren v.l. Hoffnung, Wahrheit, digitaler Mensch, Konsumrausch und Rettung auf sich aufmerksam.
Zwölf Meter lang ist das Bild, das der 18jährige Vitalij Pech als besonderer Hingucker entrollte, auf dem er in Anlehnung an den US-Graffiti-Künstler Keith Haring als Zeichen der Gegenwart die Stationen seines bisherigen Lebens mittels Strichmännchen darstellt.
Mona Fischer setzte sich in ihrer Fotoserie unter anderem mit dem Auto-Schrott-Platz im Rothof an der B 27 als eines der Mahnmale der Gegenwart auseinander, analog der dokumentarischen Schwarz-Weiß-Fotografiekunst des Künstlerpaares Bernd und Hilla Becher.
Sita-Rose Boileu nahm sich die Idee der sozialen Plastik von Joseph Beuys als Vorbild, der die kreative Mitgestaltung an der Gesellschaft durch die Kunst propagiert hat.
Ihre Plastik symbolisiert die Spuren, die sie als Individuum in der Gemeinschaft der Familie und global hinterlässt.
Tanja Henkel setzte sich in ihrer Arbeit mit ihrem eigenen Ich und "Freiheit statt Fremdbestimmung" auseinander, inspiriert von Arnulf Rainer, bekanntgeworden durch sein Fotoübermalungen von Selbstportraits. Wie Henkel sich äußerte, sagte es ihr mehr zu, mit dem Körper wie auf dem rechten Foto zu arbeiten, als ihr Gesicht zu entfremden wie auf dem linken Foto.
"Unschärfe als Sichtweise" propagiert Leonie Schäfers in ihrer verwischten Kohlezeichnung über Kindersoldaten. Als Vorlage dienten ihr Gerhard Richters Verfremdungstechnik der unscharfen Darstellung. Wie der Künstler übertrug Schäfers ein Foto abmalend vergrößert und überwiegend in Grau-Weiß auf die Leinwand und damit überhöht. Die Unschärfe verfremdet den Realismus der Vorlagen.
"Künstliche Welt" der Großstadt Berlin taufte Sofia Hassine ihre Fotoserie als Kontrast zur Natur, angelehnt an zwei Werkbeispiele des weltweit erfolgreichsten zeitgenössischen Fotografen Andreas Gursky, die Anonymität und Vereinsamung offenbaren. Gurskys digitale Montagen und Bildkompositionen thematisieren das Verhältnis von Sein und Schein, Wahrheit und Inszenierung.
Art brut (französisch "unverbildete, rohe Kunst") des französischen Malers Jean Dubuffet hatte es Marie Klein angetan. Es ist dies weder eine Kunstrichtung noch eine Stilbezeichnung, sondern beschreibt eine Kunst jenseits etablierter Kunstformen und -strömungen, die geprägt ist von einer naiven und antiakademischen Ästhetik und deshalb auch als autodidaktische Kunst von Laien gilt. So war es auch für Klein reiner Zufall, dass ihr abstraktes Bild in der Mitte als Schwanensee-Ballett-Tänzerin interpretiert werden kann.
Gender-Hinweis: Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, meint die gewählte Formulierung sämtliche Geschlechteridentitäten.
Vertretungsberechtigter und V.i.S.d.P. Dieter Gürz
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