Auskleidung der letzten Wehrpflichtigen am Standort Veitshöchheim - Fernmeldebataillon will offener nach außen hin werden
letzteRekrutenKommandeur
von Dieter Gürz
Zäsur beim DLO-Fernmeldebataillon
Der 30. Juniist ein historischer Stichtag des Heeres, denn zu diesem Zeitpunkt wird die am 21. Juni 1956 in der Bundesrepublik Deutschland eingeführte Wehrpflicht ausgesetzt und verlassen die letzten der rund acht Millionen jungen Männer, die zur Ableistung des Grundwehrdienstes verpflichtet waren, die Streitkräfte.
So wurden auch am Standort Veitshöchheim am 28. Juni die letzten Wehrpflichtigen ausgekleidet. In einem Pressegespräch verdeutlichte Oberstleutnant Anselm Stark, Kommandeur des Fernmeldebataillons der Division Luftbewegliche Operationen, dass dies auch eine Zäsur für seine 325 Mann zählende Einheit ist. Schließlich dienten hier zuletzt 61 Wehrpflichtige,die(FWDL) oder Zeitsoldaten gestopft werden müssen, zu einem Zeitpunkt, wo im zivilen Bereich die Wirtschaft boome.
Die Gewinnung von FWDLern bedarf nach den Worten von Oberstleutnant Stark wie in der gesamten Bundeswehr auch im FmBtl besonderer Anstrengungen, denn bisher wurde ein Drittel des Nachwuchses an Zeitsoldaten über den Grundwehrdienst gewonnen. Dies zeigte sich auch jetzt, den 37 von 61 verpflichteten sich nach Ende der Wehrpflicht als Freiwillig Wehrdienstleistende (FWDL) bis zu 23 Monate oder zum Teil auch als Zeitsoldat für die Feldwebel-Laufbahn weiter.
Grundwehrdienst eine Erfahrung wert
Zu den 24, für dies Kapitel Bundeswehr nun zu Ende ist, zählen die Gefreiten Yannis Wollenhaupt aus Gummersbach (re.) und Yannick Weigand aus Gießen, die gerade ihren Spind ausräumen und auf dem Foto oben vom Kommandeur verabschiedet werden.
Für die beiden war gleichwohl der halbjährige Wehrdienst auf jeden Fall eine Erfahrung wert, die sie nicht missen möchten. Sie hätten zuvor viel Widersprüchliches über die Bundeswehr gehört und könnten sich nun selber ein Bild machen. Das Zusammensein auf engstem Raum zu fünft in ihrer Stube mit Betten übereinander und die hier herrschende Kameradschaft habe sie besonders beeindruckt. Auch habe man Disziplin und Ordnung gelernt, was beide als Vorteil für ihr künftiges Leben betrachten. Für den Abiturienten Yannis, der nun eine Karriere bei der Polizei einschlagen will, war sein vierteljähriger Einsatz in der Pressestelle des Bataillons nach der Grundausbildung sehr lehrreich. Denn hier konnte er, wie er erzählte, unter anderem auch den Umgang mit dem Fotoapparat und die Bildbearbeitung erlernen. Von den Leuten, von der Arbeit, den Aufgaben und von der Atmosphäre her, habe er einen tollen Job gehabt. Yannick hat dagegen vor, nach einem Praktikum in einer Tierklinik den Beruf des Tierpflegers einzuschlagen.
Aktive Nachwuchsgewinnung
Für die Offizierslaufbahn sieht Oberstleutant Stark überhaupt keine Nachwuchsprobleme. Hier kämen auf eine Stelle fünf Bewerber. Für sein Bataillon ermittelte er dagegen für die Mannschaftslaufbahn einen Regenerationsbedarf pro Quartal von 30 Personen. Während früher das Kreiswehrersatzamt den Bedarf an Wehrpflichtigen befriedigte, sei nun, dass dies sein Bataillon jetzt selbst in die Hand nehme, um im Wettbewerb mit zivilen Arbeitgebern den eigenen Bedarf zu stillen.
Der Kommandeur hat deshalb in seinem Stab vor drei Monaten ein Nachwuchsgewinnungs-Team gebildet, das deutlich offener nach außen hin kommunizieren müsse.
Attraktiver Arbeitgeber mit tollen Berufsbildern
Es solle vor allem unter dem Slogan "Bundeswehr Deine Chance - Soldat in Veitshöchheim - Ein vielseitiger Beruf" vor Ort in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit und in Schulen und Verein werben. Es gelte deutlich zu machen, dass die Bundeswehr als attraktiver Arbeitgeber auch im Bereich der Mannschaften neben einem sicheren Arbeitsplatz eine Menge in einem abwechslungsreichen und herausgehobenen Beruf zu bieten habe. So eröffne der Freiwillige Dienst bis 23 Monate oder die Verpflichtung als Soldat auf Zeit ab zwei Jahren sowohl für Männer als auch seit 1. Juli 2011 erstmalig für Frauen nicht nur interessante, abwechslungsreiche und herausfordernde Aufgaben in vielen verschiedenen Berufsfeldern vom Handwerk, IT-Aufgaben bis hin zur Logistik, als Kraftfahrer, in der Gastronomie oder im Büro.
Durch qualifizierte schulische und berufliche Weiterbildungsmöglichkeiten während und nach der Dienstzeit könne dies auch zum Sprungbrett für die persönliche Karriere werden.
Verstärkt vor Ort präsent sein
Um dies rüberzubringen will das Bataillon auch vermehrt Praktika anbieten und um Berührungsängste abzubauen, die Zusammenarbeit mit Vereinen und Verbänden vor Ort intensivieren und verstärkt in der Bevölkerung präsent zu sein. So gestattete Stark bereits den Veitshöchheimer Sportschützen auf einer Rasenfläche in der Kaserne das Bogenschießen-Training. Auch gemeinsame Veranstaltungen mit örtlichen Vereinen könne er sich vorstellen. So will sich der Kommandeur dafür einsetzen, mit einer Bataillons-Mannschaft beim 1. Veitshöchheimer Benefizlauf am 17. Juli teilzunehmen.
Finanziell lohnenswert
Auch finanziell hält der Kommandeur eine berufliche Tätigkeit bei der Bundeswehr durchaus lohnenswert. So könne ein lediger 19jähriger im untersten Mannschaftsdienstgrad als Soldat auf Zeit für vier Jahre ein Gehalt von 1500 Euro netto beziehen, bei kostenfreier ärztlicher Versorgung, den BCE (LKW) Führerschein erwerben und eine siebenmonatige, bezahlte berufliche Aus- und Weiterbildung erhalten. FWDLer von neun bis 23 Monaten erhielten einen steuerfreien Wehrsold von 777,30 bis 1146,30 Euro, kostenfreie Unterkunft, Verpflegung und ärztliche Betreuung sowie bezahlte Familienheimfahrten. Die bisherigen Wehrpflichtigen bezogen dagegen laut Stark nur 282 bis 305 Euro netto monatlich zuzüglich Sachleistungen.
Auslandseinsatz keine Hemmschwelle
Eines werd laut Stark durch das zum 1. Juli in kraft tretende Wehrrechtsänderungsgesetz klar gestellt: Wer sich für einen Zeitraum von zwölf Monaten und mehr zum Freiwilligen Wehrdienst verpflichtet, müsse auch erklären, für einen besonderen Auslandseinsatz zur Verfügung zu stehen.
Der Oberstleutnant sieht in dieser Bereitschaftserklärung keine Hemmschwelle.So hätten viele der letzten Grundwehrdienstler ausdrücklich mit der Begründung verlängert, nach Afghanistan gehen zu wollen. Gleichwohl hätten natürlich auch einige aus diesem Grund eine Verlängerung abgelehnt.
Stationierungskonzept im Herbst soll Klarheit bringen
Neben der Nachwuchsgewinnung steht der Kommandeur aber auch noch vor der nach wie vor offenen Frage, wie sich die beschlossene Reduzierung des Umfangs und die Neuausrichtung der Bundeswehr vor Ort auswirkt. Der Kommandeur hofft, dass das von Minister Thomas de Maiziére für Herbst angekündigte Stationierungskonzept hier endlich Klarheit für ihn und seine Soldaten bringt.