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10. PzDiv beteiligt sich seit dieser Woche mit 650 Soldaten an den nächsten beiden Übungszyklen der US-amerikanischen Übungsserie „Warfighter“ in Grafenwöhr

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Zwei Generationen suchen die Bewährung im neuen Auftrag

Als erster deutscher Großverband beteiligt sich die 10. Panzerdivision an der US-amerikanischen Übungsserie „Warfighter“. Zwei Feldwebel stellen sich mit ihrem Team einer für die Division neuen Herausforderung – den Rear Area Operations, also allen taktischen Tätigkeiten im rückwärtigen Raum der Division.

Von Oberstleutnant Karsten Dyba, Pressestelle der 10. Panzerdivision in Veitshöchheim
 

Soldaten zweier Generationen stehen vor einer gemeinsamen Herausforderung: Oberfeldwebel Florian E. und Oberstabsfeldwebel Martin B. sind bei der 10. Panzerdivision in der US-amerikanischen Übungsserie „Warfighter“ im Rear Area Operations Center eingesetzt.

Foto: Bundeswehr / Oberstabsgefreiter Zachery White

Seit Anfang des Jahres steht die 10. Panzerdivision (Veitshöchheim) der NATO für den Fall einer Bedrohung an deren Ostflanke zur Verfügung – nach rund zwei Jahren Umstrukturierung zu einer „Warfighting Division“.

Nun beweist die Division ihre Kriegstauglichkeit – bei der US-amerikanischen Übungsserie „Warfighter“ in Grafenwöhr. Die sicherheitspolitische Zeitenwende hat vieles verändert: Für einen erfahrenen Oberstabsfeldwebel bedeutet dies die Rückkehr zu vielen Grundsätzen aus dem Kalten Krieg zu Beginn seiner Dienstzeit vor rund 30 Jahren. 

Für einen jungen Oberfeldwebel ist es eine neue Herausforderung in seiner Karriere. Oberstabsfeldwebel Martin B. und Oberfeldwebel Florian E. stehen für zwei unterschiedliche Generationen von Bundeswehr-Soldaten. Der eine profitiert vom anderen. Eines ist aber für beide Neuland: Rear Area Operations, also das Agieren im sogenannten rückwärtigen Raum der Division. Früher war das die eigene Heimat, heute liegt der „rückwärtige Raum“ irgendwo im fernen Litauen, wo es gilt, im Ernstfall die NATO-Ostflanke zu verteidigen.  

Grundsätze aus dem Kalten Krieg

Einsatzbereit: Oberfeldwebel Florian E. auf der Schießbahn in Külsheim. Bei der Übungsserie „Warfighter“ hat er als Battle Space Manager eine verantwortungsvolle Aufgabe.

Foto: Bundeswehr / Oberstleutnant Karsten Dyba

Eigentlich wollte er gar nicht zum Bund, aber Zivildienst kam auch nicht in Frage: 1992 betrat Martin B. als Wehrdienstleistender die Kurmainz-Kaserne in Tauberbischofsheim. Und blieb beim Bund – für immer. In den Jahren des weltpolitischen Umbruchs – der Kalte Krieg war zu Ende und die Sowjetunion zerbrach gerade – wurde Martin B. beim Panzerartilleriebataillon 121 zum Feuerleitfeldwebel ausgebildet – nach den immer noch geltenden Grundsätzen der früheren Jahrzehnte. 

„Ich habe die alte Bundeswehr noch erlebt, in der wir stets die Verteidigung des eigenen Landes ausgebildet und geübt haben“, erzählt Martin B. Heute ist der 53-jährige Oberstabsfeldwebel in der Generalstabsabteilung 7 der 10. Panzerdivision in Veitshöchheim zuständig für alle Vorgänge rund um die Ausbildung und Übungen der Truppe.  

Ein paar Türen weiter arbeitet ein wesentlich jüngerer Kamerad: Oberfeldwebel Florian E. ist seit 2022 Stabsdienstfeldwebel in derselben Abteilung. Soldat wurde der 27-Jährige 2019 in einer Zeit, als die Bundeswehr ihre Ausrichtung gerade erst wieder vom internationalen Krisenmanagement auf die Landes- und Bündnisverteidigung umstellte. Florian E. übernimmt bei der Übungsserie „Warfighter“ eine sehr verantwortungsvolle Rolle als Battle Space Manager für den rückwärtigen Raum der Division.

Bei diesem Gefechtsfeld-Koordinator laufen alle Drähte zusammen. Er muss sich darum kümmern, dass in seinem Verantwortungsbereich die Truppen, Zivilbehörden und Einwohner sich nicht ins Gehege kommen. Zum ersten Mal macht er das, fühlt sich aber gut vorbereitet – und vor allem: Er kann auf die Erfahrung seines Kameraden Martin B. setzen. So ergänzen sich zwei Soldaten unterschiedlicher Generationen mit unterschiedlichen Prägungen.

„Man probiert viel Neues aus“

Vorbereitung auf den nächsten Turnus der Übungsserie „Warfighter“: Oberstabsfeldwebel Martin B. und Oberfeldwebel Florian E. besprechen sich in einem Büro ihrer Stabsabteilung in der Balthasar-Neumann-Kaserne in Veitshöchheim.

Foto: Bundeswehr / Oberstabsgefreiter Zachery White

Derzeit steht ihr Team vor der nächsten Etappe in der US-amerikanischen Übungsserie „Warfighter“. Wie schon im Februar geht es von Mai bis Juni erneut nach Grafenwöhr – um dort zu üben, wie die 10. Panzerdivision gemeinsam mit einer US-amerikanischen, einer britischen und einer französischen Division unter Führung des US-amerikanischen III. Armoured Corps die NATO-Ostflanke im Baltikum verteidigt.

Dort führt Martin B. die Lagekarte des sogenannten Rear Area Operations Center (RAOC), der verantwortlichen Stelle für den rückwärtigen Raum der Division: Sanitätsdienst und Krankenhäuser, Feldjäger, Flüchtlingsströme, Kriegsgefangene, Luftverteidigung, Seehäfen und Logistikeinrichtungen, Versorgung der eigenen Truppe und Unterstützung durch baltische Streitkräfte und Behörden sowie auch der Kampf gegen feindliche Kräfte und die Schutzbedürfnisse der Zivilbevölkerung – „also alles, was sich im Rücken der Division bewegt, all das muss berücksichtigt und koordiniert werden“. 

Erstmals hat die Division vor zwei Jahren mit einem solchen RAOC geübt. „Es geht letztlich darum, dass der rückwärtige Raum der Division frei und für uns nutzbar ist“, erklärt Martin B. Das RAOC werde stets weiterentwickelt, „man probiert viel Neues aus. Das bringt die Division auch weiter“. Der Unterschied zu früher, als Martin B. Soldat wurde, ist klar: Der rückwärtige Raum– das  wäre im Verteidigungsfall die eigene Heimat gewesen, mit der bekannten Infrastruktur, deutschen Behörden und der eigenen Bevölkerung – im Ernstfall hätte man dieselbe Sprache gesprochen und gewusst, wer der Ansprechpartner ist.

„Über den rückwärtigen Raum hat man sich im Kalten Krieg bei einer Kampftruppen-Division kaum einen Kopf gemacht – das war Aufgabe des Territorialheeres und seiner Heimatschutzverbände“, erklärt Martin B. Diese gibt es so heute nicht mehr, dafür aber eine „Host Nation“, ein gastgebender Staat mit seinen Streitkräften und Behörden. Einer von vielen Bündnispartnern, die es im Ernstfall zusammen mit den Streitkräften anderer NATO-Staaten zu verteidigen gilt. Verteidigung ist also heute um einiges multinationaler, als das bis vor rund 40 Jahren an der innerdeutschen Grenze der Fall gewesen wäre.

Versorgen auf große Entfernung

Ein Verkehrsführer der 10. Panzerdivision, steht an der Verladerampe von Pašumenė am Rande des litauischen Truppenübungsplatzes Pabradė und überwacht die Entladung von Radpanzern, die die Division bei der Übung „Grand Quadriga 24“ mit dem Zug ins Baltikum transportiert hat.

Foto: Bundeswehr / Oberstabsgefreiter Zachery White

Heutzutage beginnt die Herausforderung schon bei der Verlegung in den Einsatzraum, denn verteidigt wird das Bündnis nicht mehr vor der eigenen Haustür: Alles, womit die 10. Panzerdivision kämpft – insbesondere das schwere Gerät wie Panzer und Haubitzen – muss erst einmal über eine Entfernung von 800 Kilometern in den Einsatzraum nach Litauen transportiert werden. 

Hier kommt Hauptmann André H. ins Spiel: Er ist Verkehrsführer in der Generalstabsabteilung 4 der 10. Panzerdivision und damit verantwortlich für die Steuerung aller Transporte ins Baltikum zu Lande, in der Luft und auf See. Wird die 10. Panzerdivision alarmiert, müssen in wenigen Wochen rund 30.000 Soldatinnen und Soldaten und 8000 Fahrzeuge an die NATO-Ostflanke transportiert werden. 

Dass die 10. Panzerdivision mit ihrem Material schnell zur Stelle ist, um die territoriale Integrität der verbündeten baltischen Staaten zu sichern, hat sie im vergangenen Jahr bei der Übung „Quadriga 24“ bewiesen. Ein wesentlicher Schritt zur Kriegstüchtigkeit der Division. Dafür erhielt sie im Zuge ihrer Umstrukturierung zu einer „Warfighting Division“ in den vergangenen Jahren zusätzliche Divisionstruppen, bekam eine niederländische Brigade unterstellt und mit Priorität Material und Personal der Bundeswehr zugewiesen. 

Das Ziel: Die Division schnellstmöglich fit machen für einen möglichen gemeinsamen Einsatz mit anderen NATO-Partnern an der Ostflanke. „Sobald die ersten Kräfte verlegen, muss auch die Folgeversorgung ausgeplant sein. Das geht meist über dieselben Versorgungswege“, erklärt Hauptmann André H. Zwischen 800 und 1000 Tonnen Betriebsstoff, Munition und Verpflegung, so rechnen die Logistikplaner, müssen täglich ins Baltikum gebracht werden, um die im Kampf stehende Division zu versorgen. „Und wir sind nicht die einzigen Player im Einsatzraum, deshalb sind multinationale Absprachen auf NATO-Ebene notwendig, damit nicht fünf Schiffe gleichzeitig im Hafen einlaufen“, sagt André H.

Alles muss immer wieder geübt werden

Beim „Rehearsal of Concept“ für die Übung „Schneller Degen 23“ trägt der Kommandeur der niederländischen 13. Lichte Brigade, Brigadegeneral Gert-Jan Kooij, seinen Operationsplan vor.

Foto: Bundeswehr / Oberstabsgefreiter Zachery White

All das – und letztlich auch das Führen des Gefechts in einem hochintensiven Konflikt – muss weiter geübt werden. Dafür dient die Teilnahme an der US-Übungsserie „Warfighter“ (deutsch etwa: „Krieger“). Übrigens ist die „Zehnte“ die erste deutsche Division, die an dieser US-amerikanischen Übungsserie teilnimmt. „Jetzt beweisen wir bei Warfighter unsere hohe Leistungsbereitschaft“, erklärt der Divisionskommandeur, Generalmajor Jörg See. „Das ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Einsatzbereitschaft im internationalen Umfeld.“ Denn die reibungslose Zusammenarbeit mit den US-Streitkräften sei ein wichtiger Baustein einer professionellen Division. „Warfighter testet unseren hohen Leistungsstand mit einem Fokus auf die Interoperabilität mit multinationalen Kernpartnern“, erklärt der Kommandeur. 

Seit 2024 ist die 10. Panzerdivision bereits in die amerikanische Übungsserie eingebunden. Unter dem Kommando des III. US Armoured Corps mit Sitz in Kansas wird sie gemeinsam mit Amerikanern, Briten und Franzosen das Baltikum verteidigen. Das Szenario: Russland bedroht die baltischen Staaten und greift schließlich an – die Alliierten stellen die territoriale Unversehrtheit ihrer Bündnispartner wieder her. Das alles geschieht computerunterstützt – Panzer fahren lediglich als kleines Symbol über digitale Lagekarten. Drei Übungszyklen durchläuft die Division dieses Jahr – Auftakt war im Februar. Ein weiterer Übungszyklus folgt im Mai und die Hauptübung im Juni. Im Oktober geht es dann weiter mit dem ersten Durchlauf im Übungszyklus des „Warfighter 26“.

Führen mit digitaler Technik

Die 10. Panzerdivision testet neueste Digitaltechnik: Bei der Übung „Grand Quadriga 24“ nutzt der Kommandeur der litauischen Brigade „Geležinis Vilkas“, Oberst Aurelijus Motiejūnas, eine 3D-Brille zur Operationsplanung mit einer virtuellen Landkarte. 

Foto: Bundeswehr / Oberstabsfeldwebel Marco Dorow

Am anderen Ende der Logistikkette – im rückwärtigen Raum – greifen der Verkehrsführer und das Rear Area Operations Center ineinander. Oberfeldwebel Florian E. soll dort als Battle Space Manager alle Verbände und Einheiten koordinieren, die im rückwärtigen Raum der Division tätig oder unterwegs sind. „Da gibt es beispielsweise Feuerstellungen der Artillerie, Versorgungswege und -einrichtungen, Feldjäger und Reservekräfte, Sanitätseinrichtungen und möglicherweise auch Sammelplätze für Kriegsgefangene“, erklärt Florian, „und ich kümmere mich darum, dass die sich nicht ins Gehege kommen“. 

Normalerweise sei das ein Dienstposten für einen Offizier, betont dessen Vorgesetzter, Oberstleutnant Sven T., Florians Dezernatsleiter. Aber der junge Stabsdienstfeldwebel hat ein Händchen für Computertechnik: „Oberfeldwebel E. hat viel Erfahrung im Umgang mit unserem digitalen Führungssystem Sitaware, deshalb setze ich in an dieser Stelle ein. Ich bin sicher: Er kann das.“

Mit 650 Soldaten in Grafenwöhr

Jüngster Turnus der Übungsserie „Warfighter“ im Februar 2025 in Grafenwöhr: In einem großen Saal arbeiten die Bediener der Computersimulation (Kräfte „Rot“ und „Blau“), die die Lage-Simulation für die übende Truppe steuern.

Foto: Bundeswehr / Stabsfeldwebel Roberto Valguarnera

Der Kalte Krieg, dessen Nachwehen sein Kamerad Martin B. noch erlebt hat, ist für Oberfeldwebel E. weit weg – ein historisches Ereignis. Doch profitieren junge Soldaten wie er heute auch von der Erfahrung der „altgedienten“ Kameraden. Das liegt nicht nur daran, dass Oberstabsfeldwebel Martin B. noch ein anderes Einsatzszenario erlebt hat, sondern auch, weil er neun Jahre lang im Eurokorps in Straßburg diente und etliche multinationale Übungen absolvierte. 

Ein wenig multinationale Erfahrung bringt auch Florian E. mit – aus seinem alten Beruf: Als Hotelfachmann in einem Würzburger Hotel hat er viele gute Erfahrungen gesammelt. „Mit der amerikanischen Mentalität komme ich sehr gut klar“, sagt er. Internationales Zusammenarbeiten gefalle ihm immer. 

Seine Offenheit kann er einbringen, wenn er die kommenden drei Wochen zusammen mit rund 650 Kameraden der Division auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr verbringt und sich meist auf Englisch verständigen wird. Die große Verantwortung ehrt ihn, geht er doch in seinem jetzigen Beruf als Soldat voll auf. „Das liegt ein bisschen auch in der Familie“, verrät Florian, „schon mein Vater war Sanitätsfeldwebel bei der Bundeswehr in Regensburg.“

Info-Box: Die Übungsserie „Warfighter“

  • Übung der US-Armee für Korps- und Divisionsstäbe auf höchster taktischer Ebene
  • Simulationsbasiert über ein digital vernetztes Computersystem
  • Kriegsorientiert-fiktives Übungsszenario für den möglichen Bündnisfall oder die Landesverteidigung
  • Gefechtsstandübung mit bis zu vier Durchgängen im Jahr
  • Rund 10.000 Teilnehmer aus mehreren Staaten (davon rund 650 der Bundeswehr), an mehreren Standorten weltweit in einem 24/7-Schichtsystem
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