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Ein Pilotprojekt der interkommunalen Zusammenarbeit: Gemeinde Veitshöchheim lässt für seinen Gemeindewald mit Torsten Lother und Tobias Gram zwei gelernte Schreiner als Quereinsteiger zu Forstwirten durch den Zellinger Gemeindeförster ausbilden

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Pressefoto im Zellinger Gemeindewald: Seit einem Jahr verfügt die Gemeinde Veitshöchheim über keine Waldarbeiter mehr. Nach erfolgloser Forstwirt-Ausschreibung stießen nun mit Torsten Lother und Tobias Gram (vorne mit Motorsäge) zwei gelernte Schreiner als Quereinsteiger zur Gemeinde, die vor einer Tätigkeit im Gemeindewald aber erst noch seit September 2024 die für sie aufgrund ihrer Vorbildung auf zwei Jahre verkürzte Forstwirt-Ausbildung an der Waldbauernschule in Kehlheim und betrieblich bei der Forstverwaltung der Gemeinde Zellingen als Ausbildungs-Partnerbetrieb absolvieren müssen (auf dem Foto v.l.n.r. in der zweiten und dritten Reihe von der Gemeinde Zellingen Gemeindeförster Peter Kretzinger und Bürgermeister Stefan Wohlfart, dahinter die Zellinger Waldarbeiter Michael Wilke, Casper Burkard, Azubi Rahphael Scherbaum und Vorarbeiter Alexander Muth sowie von der Gemeinde Veitshöchheim Bauhofleiter Thomas Remling, Bürgermeister Jürgen Götz und Geschäftsleitender Beamter Sebastian Öhrlein).

Die beiden Veitshöchheimer Waldfacharbeiter-Azubis kommen jeden Tag ihrer praktischen Ausbildung in den Bauhof der Gemeinde, ziehen sich hier um und fahren mit einem Dienstauto in den Zellinger Wald, wo ihnen die Gemeinde Veitshöchheim einen restaurierten Waldwagen aus ihrem Bestand zur Verfügung stellte. Ihre Ausbildung begann Anfang September mit einem fünfwöchigen Blockunterricht an der Berufsschul-Außenstelle Neunburg vorm Wald im Landkreis Schwanfeld, wo sie bereits in die Handhabung der Motorsäge eingewiesen wurden und einen Erste-Hilfe-Kurs absolvierten. Insgesamt sind im ersten Jahr zwölf Wochen und im zweiten Jahr zehn Wochen Blockunterricht, sowie noch zweimal ein zweiwöchiger Kettensägekurs terminiert Schriftliche Prüfungen stehen in den Fächern Holzernte/Forsttechnik, Waldwirtschaft/Landschaftspflege sowie Wirtschaftslehre/Sozialkunde und zwei praktische Prüfungen im Fach Waldwirtschaft/Landschaftspflege und eine Prüfung im Fach Holzernte/Forsttechnik an (Siehe nachstehender Link auf Video über Berufsausbildung Forstwirt).

Wie Seiteneinsteiger Torsten Lother sagt, ist er gerne in der Natur und suchte nach 25 Jahren Tätigkeit in einem kleinen Schreinerbetrieb und der monotonen Verlegung von Böden und dem Einbau von Fenstern nochmals eine neue Herausforderung.

Hinsichtlich der Waldbewirtschaftung sind beide Gemeinden nicht miteinander zu vergleichen. Während Zellingen über 1200 Hektar Waldbesitz verfügt, sind es in Veitshöchheim 223 Hektar. Durch den Kauf der 109 Hektar großen Waldflächen „Gebranntes Hölzlein“ und „Gadheimer Wald“ vom Juliusspital Würzburg im Jahr 1997 (rote Flächen) konnte die Gemeinde Veitshöchheim ihren Waldbesitz verdoppeln.

Während der Veitshöchheimer Forstwirtschaftsplan  jährlich von einem Gesamthiebsatz von 1.030 Festmeter ausgeht, wird im Zellinger Wald mit seinem 80 Prozent Laubwald und 20 Prozent Nadelhölzern mit 7.800 Festmetern fast das Achtfache an Holz geschlagen.

Zellingen kann sich deshalb mit Peter Kretzinger einen eigenen Gemeindeförster leisten, der diese Funktion bereits seit 32 Jahren mit Leib und Seele ausübt, während die Gemeinde Veitshöchheim sich hier der Dienste des staatlichen Forstamtes Würzburg bedient. Bei der Bewirtschaftung des Zellinger Waldes stehen Kretzinger drei Waldfacharbeiter zur Verfügung, einen vierten bildet er gerade aus.

Bürgermeister Jürgen Götz dankte seinem Zellinger Bürgermeisterkollegen für die Bereitschaft, dass dessen Gemeindeförster auch seine beiden Seiteneinsteiger ausbildet. Er sprach von einem Pilotprojekt der interkommunalen Zusammenarbeit zweier Gemeinden über die Landkreisgrenzen hinaus. Beide Gemeinden arbeiten bereits auch im Tourismus im ZweiUferLand e.V. zusammen.

Auch für die Gemeinde Veitshöchheim hat laut Bürgermeister bislang die ganzjährige Tätigkeit von zwei Forstwirten zu einer ökologischen Aufwertung und Sicherung des Gemeindewaldes in allen seinen Funktionen beigetragen. Zum 30. September 2023 hatte sich der Forstwirt Jürgen Taupp nach 34 Jahren bei der Gemeinde in die Freistellungsphase seiner Altersteilzeit verabschiedet. Schon einige Monate früher hatte  Sebastian Kräml gekündigt, der Taupp seit Juli 2015 nach dreijähriger Ausbildung zum Forstwirt zur Seite stand.

Dadurch ruht bereits seit einem Jahr der im Forstwirtschaftsplan vorgesehene Holzeinschlag. Die Verkehrssicherung wird jedoch laut Götz im Gemeindewald durch den Bauhof bis zum Abschluss der Ausbildung der beiden Seiteneinsteiger sichergestellt.

Foto Dieter Gürz

Der Veitshöchheimer Gemeindewald ist als FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat) eingestuft und als Bannwald geschützt.

Der muschelkalkhaltige Boden im Gemeindewald ermöglicht einen Mischwald mit großer Artenvielfalt. 17 Laub- und sechs untergeordnete Nadelholzbaumarten sind hier in ausgezeichneter Qualität und hoher ökologischer Wirksamkeit anzutreffen. Es dominiert das Laubholz mit 90 Prozent. Nur zehn Prozent entfallen auf Nadelholz. Es sind große Altbestände mit führender Eiche anzutreffen. 53 Prozent der Waldfläche hat ein Durchschnittsalter von mehr als 100 Jahren. Je jünger die Bestände sind, umso weniger ist hier Eiche anzutreffen.

Der reich strukturierte Eichen- und Buchenwald mit hohem Totholzanteil bietet insbesondere den seltensten Arten wie Mittelspecht, Halsbandschnäpper, Mops- und Bechsteinfledermaus, Hirschkäfer, Eremit oder Eichenbock gute Lebensbedingungen.

Beim Erhalt alter Bäume durch das Baummethusalem-Konzept steht zunächst die Waldästhetik im Mittelpunkt (Alter, Dimension Gestalt dieser Bäume). Da sie bis zu ihrem natürlichen Absterben stehenbleiben, haben sie mit der Zeit auch einen hohen ökologischen Wert (Refugium für viele Pflanzen und Tierarten). Bisher sind im Gemeindewald über 30 solcher Individuen dauerhaft markiert (umgedrehtes grünes Dreieck mit weißer Innenfläche).

Es bleiben auch Flächen der natürlichen Entwicklung überlassen. Hier bieten umgestürzte Bäume als Totholz einer Vielzahl von Vögeln, Insekten, Pilzen und Mikroorganismen artspezifische Lebensräume.

Großer Wert wird auch auf die Pflege des Waldrandes gelegt, der als Einladungskarte für den Zugang zum Wald vielfältige Funktionen zu erfüllen hat. Im Frühjahr erfreuen hier mehr die krautigen Blüh-Pflanzen, die noch mehr Licht benötigen und im Herbst fallen Weißdorn, Holunder, Liguster, Speierling oder die Elsbeere durch ihr Farbenspiel ins Auge.

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