Neuland für die CEG: In die Seniorenwohnanlage Veitshöchheim ziehen in eine WG im EG des Hauses 1 Altenpflege-Auszubildende aus Indien ein - Ambulant betreute WG aus Kostengründen obsolet
Azubis aus Indien sollen dem Fachkräftemangel vorbeugen
In die Seniorenwohnanlage Würzburger Straße in Veitshöchheim ziehen 19- und 20-Jährige, um eine Ausbildung zur Pflegekraft zu absolvieren.
Link auf Mainpost-Online vom 14.8.2024
Zu einem Pressetermin hatte Veitshöchheims Bürgermeister Jürgen Götz am Montag ins Rathaus eingeladen, um die Öffentlichkeit über eine vom Gemeinderat am 9. Juli 2024 in nichtöffentlicher Sitzung beschlossene Veränderung in der Belegung des Erdgeschosses in Haus 1 der neuen Seniorenwohnanlage Würzburger Straße 60 zu informieren. Nach dem Kauf-Beschluss des Gemeinderates vom 16. August 2022 sollte die elf Zimmer des Erdgeschosses eine von der Caritas-Sozialstation St. Stephanus ambulant betreute Wohngemeinschaft (abWG) belegen. Anstelle dessen nutzt nun die Caritas-Einrichtungen gGmbH (CEG) diese Räumlichkeiten, um hier in einer Wohngemeinschaft junge Leute aus dem südindischen Bundesstaat Kerala unterzubringen, die bei der Caritas eine dreijährige Ausbildung zur Pflegekraft absolvieren.
Über die Details informierten v.l.n.r. CEG-Geschäftsführer Georg Sperrle, Bürgermeister Jürgen Götz, der aus Indien stammende Pfarrer Augustin Thomas Parambakathu und Geschäftsleitender Beamter Sebastian Öhrlein. Einziehen in die WG werden laut Sperrle zum 1. Oktober 2024 erst fünf Auszubildende, von denen allerdings nur zwei ihre Ausbildung gegenüber im Caritas-Haus St. Hedwig absolvieren. Der CEG-Geschäftsführer will dann zum nächsten Berufschul-Ausbildungsbeginn am 1. April 2025 die restlichen WG-Plätze belegen.
Die Herren konnten im Anschluss dann vor Ort sehen, dass nun auch die Außenanlagen der Seniorenwohnanlage bis auf die Grünbepflanzung fertiggestellt sind und die Azubi-Wohngemeinschaft im Erdgeschoss über eine großzügige Terrasse vor dem Gemeinschaftsraum zum Innenhof verfügen kann.
Gründe für den Wegfall der ambulanten WG
Wie Bürgermeister Jürgen Götz berichtete, hat die Gemeinde über Monate hinweg mit dem Geschäftsführer der Sozialstation St. Stephanus Martin Klug versucht, das Konstrukt "ambulant betreute Wohngemeinschaft (abWG)" aufs Gleis zu setzen. Letztendlich sei es daran gescheitert, dass in den letzten Jahren stationäre Pflegeeinrichtungen politisch deutlich mehr gefördert und durch die Senkung der Eigenanteile finanziell gestützt wurden, so dass im Vergleich dazu aufgrund der Finanz- und Kostenentwicklungen die Wirtschaftlichkeit einer abWG nicht mehr gegeben sei. Während nämlich die durchschnittliche Eigenbeteiligung in einer stationären Pflegeeinrichtung in Bayern bei 2.181 Euro/Monat ohne Zuschüsse liege, kämen nach den Kostenberechnungen der Sozialstation alleine 2.750 Euro monatliche Kosten auf mögliche Mieter zu, um die notwendige Betreuungspauschale für eine 24 h Betreuung, Haushaltsführung etc. zu decken. Zusätzlich fallen noch die regulären Mietkosten von 7,30 DM/m² nebst Nebenkosten, Kosten einer Haushaltskasse für z.B. allgemeine Anschaffungen für alle WG-Bewohner, für Einkäufe, Reparaturen sowie Kosten für notwendige ambulante Pflegedienstleistungen an.
Ein weiteres potentielles Risiko bestand laut Bürgermeister darin, dass eine abWG zusätzliches Personal hätte anstellen müssen, das jetzt schon für einen Regelbetrieb anderer Einrichtungen nicht zur Verfügung stehe. Bei Leerständen würde außerdem die Gefahr einer defizitären Vermietungsbelegung und eine stetige Kostendeckungsverpflichtung seitens der Gemeinde bestehen, so dass laufende Kosten nicht auf weniger Mieter verteilt, sondern anderweitig getragen werden müssten.
Mit Gesellschafterbeschluss der Caritas-Sozialstation vom 11. April 2024 wurde aus diesen Gründen die Betreuung der geplanten abWG in Haus 1 abgelehnt und auch beschlossen diesen Ansatz nicht weiterzuverfolgen.
Gründe für die Umwidmung in Wohngemeinschaft für Auszubildende in der Pflege
Bürgermeister Jürgen Götz: "Wir haben uns dann daran erinnert, dass Georg Sperrle in der Gemeinderatssitzung vom 12. März 2024 von einer "katastrophalen Situation" in den 17 Senioreneinrichtungen der CEG an zehn Standorten sprach, zu denen seit 1996 auch das von Barbara Bender geleitete Seniorenzentrum St. Hedwig in Veitshöchheim gehört." (siehe nachstehender Link auf Bericht vom 14.3.2024). Aufgrund des Fachkräftemangels können laut Sperrle von 94 verfügbaren Pflegeplätzen aktuell nur 74 im Caritas-Haus St. Hedwig belegt werden. Dabei würden derzeit noch Pflegekräfte einer Zeitarbeitsfirma im Einsatz sein, um diese Belegung halten zu können. Es sei auch das Ziel der politischen Gemeinde, so der Bürgermeister, wieder eine hundertprozentige Auslastung von St. Hedwig zu erreichen.
Die CEG tue alles, so der CEG-Geschäftsführer, um die Situation des Fachkräftemangels zu verbessern. Die CEG sei aktuell dabei, im Unternehmen insgesamt 40 internationale Pflegefachkräfte zu integrieren.
Er stehe in Kontakt mit Prof. Dr. Lukas Slotala von der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt, einem Experten für die Integration von ausländischen Fachkräften, der in einem vom Europäischen Sozialfonds (EFS) geförderten Projekt auch CEG-Mitarbeitende zur Integrations-Begleitung ausbildet.
Sperrle: "Jetzt ganz neu werden wir zum 1. September diesen Jahres 16 Auszubildende aus dem südindischen Bundesstaat Kerala für unsere Häuser in der Stadt und im Landkreis Würzburg einstellen."
Und hier kommt der 1970 in Kumily im indischen Bundesstaat Kerala geborene Pfarrer Augustin Thomas Parambakathu ins Spiel, wo er 1998 er als Mitglied des Ordens der Franziskaner-Minoriten zum Priester geweiht wurde. 2008 kam er nach Deutschland, nach drei Jahren in der Rhön am Fuße des Kreuzberges übernahm er im Spessart die dreieinhalb Jahre vakante Pfarreiengemeinschaft Waldaschaff, Weibersbrunn und Rothenburg, wo er sich -auch im Bereich der Caritas – als Vorsitzender des Trägervereins einer großen Sozialstation mit ambulanter Krankenpflege und Seniorentagesstätten engagiert. Der Teampfarrer des Pastoralen Raums Spessart Mitte (seit 2022), der seit 2016 die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, wurde im Februar dieses Jahres von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen und in Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz für sein gesellschaftliches Engagement geehrt (Foto links Bundespräsidialamt).
Zu seinem 25jährigen Priesterjubiläum Ende 2023 würdigte Domkapitular Clemens Bieber auch den Einsatz von Pfarrer Augustin, die Partnerschaft zwischen seiner Pfarrei und einer Erzdiözese in Kerala zu vertiefen.
Mit der Einstellung 16 indischer Auszubildender betritt die CEG völliges Neuland
Sperrle: "Pfarrer Augustin P. hat jetzt auch ganz wertvolle Kontakte zu jungen Menschen in seiner Heimat hergestellt und so als deren Vertrauensmann ausschließlich dafür gesorgt, dass nun so viele für eine Ausbildung bei der CEG als Pflegefachkraft aus dem südlichsten Zipfel Indiens nach Deutschland kommen."
Er unterstütze eine Sprachschule in Indien, in der 1000 Studierende auch deutsch lernen. Er selbst gebe dort seit einem Jahr per Zoom regelmäßig Online-Unterricht. So hat er einen guten Bezug nach dort zu allen, die nach Deutschland kommen wollen. Diese würden ihn kennen, er spreche ihre Sprache. So habe er auch bei den per Online-Schaltungen durchgeführten Vorstellungsgesprächen mitgewirkt, Lebenslauf und Motivation abgefragt und bei der Auswahl der 16 Auszubildenden darauf geschaut, dass diese gut nach hier passen.
Und umgekehrt habe der Pfarrer ein Youtube-Video über eine Caritas-Pflegeeinrichtung in seiner Muttersprache erstellt, so dass die Inder ein realistisches Bild bekamen, wie diese hier betrieben werden und was sie erwartet.
Zugute kämen ihnen, wie Pfarrer Augustin P. betont, dass die Region Kerala durch ihren christlichen Hintergrund mit der deutschen Mentalität sehr kompatibel sei. Geduld und Freundlichkeit würden in Indien großgeschrieben, also zwei Eigenschaften, die in der Pflege überaus wichtig seien.
Um nach Deutschland zu kommen, müssen Inder neben einem Visum auch Sprachniveau B2 besitzen, das ist ein gehobenes Sprachniveau nach einjährigem Besuch der Sprachschule, mit dem man komplexere Sachverhalte in einer Fremdsprache verstehen und sich selbständig ausdrücken kann.
Inzwischen sind laut Sperrle alle bürokratischen Hürden überwunden, sodass nun alle Flüge gebucht werden konnten. Er freue sich sehr über Menschen, die bereit seien, den riesigen Schritt aus ihrer 7500 Kilometer von Deutschland entfernten Heimat wegzugehen. Pfarrer Augustin P. sei es gelungen, die jungen Leute aus Indien nicht zuletzt durch sein Youtube-Video davon zu überzeugen, dass sie in Deutschland in Pflegeheimen genauso gut arbeiten können wie in Krankenhäusern.
Während sie in Indien eine Ausbildung selber zahlen müssten, erhalten sie hier laut Sperrle im ersten Jahr eine Vergütung von 1350 Euro, im zweiten von 1413 Euro und im dritten Jahr von 1514 Euro monatlich. Diese Ausbildungsgehälter der Caritas liegen damit förderrechtlich unter den Einkommensgrenzen des Kommunalen Wohnraumförderprogramms, so dass dies keine finanziellen Nachteile für die Gemeinde bringt. Während die Gemeinde die Küche im Gemeinschaftsraum einrichtet, sorgt die Caritas für die Ausstattung der elf Zimmer der WG.
"Wir freuen uns sehr über dieses neue Projekt in Veitshöchheim," so der CEG-Geschäftsführer, "das wir hier zum ersten Mal als Modell gestartet haben, auch um zu lernen, wie wir es in anderen Regionen in einer ähnlichen Art umsetzen können." Die CEG kooperiere mit der JuliusCare Berufsfachschule für Altenpflege der Juliusspitalstiftung Würzburg, die im Rahmen des dualen Systems 16 Schulplätze zur Verfügung stellt, wo die Auszubildenden aus Indien auch noch eine spezielle Sprachqualifizierung für den Pflegeberuf erhalten.
Bürgermeister Jürgen Götz ist denn auch einer Meinung mit dem CEG-Geschäftsführer: "Wir müssen in der Pflege neu denken. Hier gehe es nur noch so, auch Menschen aus anderen Ländern mit in die Ausbildung hereinzuholen. Nur dadurch bestehe die große Chance, dass auch alle Pflegeplatze in St. Hedwig in Veitshochheim wieder zur Verfügung gestellt werden können." Er freue sich über die gute Zusammenarbeit mit der Caritas, die ja für die 35 Seniorenwohnungen in Haus 2 komplett die Betreuung übernommen und nun mit der Wohngemeinschaft mit jungen Menschen aus Indien eine neue Säule hinzugefügt habe.
"Wir wollen von Anfang an eine Gemeinschaft herstellen," betonte Sperrle. Er ist sich sicher, dass unter den Mietern der Wohnanlage welche dabei sind, die Lust haben bei der Integration und Sprachförderung der aus Indien kommenden Bewohner mitzuwirken.
Im Veitshöchheimer Zentrum betreue nun die Caritas in St. Hedwig 94 Pflegeplätze und jetzt 52 barrierefrei gestaltete Seniorenwohnungen. Das Ganze funktioniere aber nur, so der CEG-Geschäftsführer, wenn genügend Mitarbeitende zur Verfügung stehen. Daran arbeite die CEG mit mittelfristigem Blick jetzt auch mit einem Projekt für Auszubildende als Modell für andere Regionen Unterfrankens.
Im Gegensatz zu ausländischen Pflegekräften, die nach einem Jahr Sprachkurs nach Deutschland kommen, haben die Auszubildenden im Alter von 19 und 20 Jahren nach den Worten von Pfarrer Augustin P. den Vorteil, die Pflege bei uns von Grund auf zu lernen sowie von Anfang an auch unsere Kultur, unsere fränkischen und deutschen Begebenheiten. So könnten sie auch viel besser integriert werden. Er sehe dies als große Chance, dass sie dann auch nach ihrer Ausbildung hier in der Altenpflege tätig bleiben.
Als bestes Beispiel nannte der Pfarrer Bad Neustadt an der Saale, wo im Bereich der Krankenpflege bereits 200 Leute aus seiner Heimat Kerala arbeiten würden und ohne die die Klinik nicht mehr funktionieren würde.
Als ganz toll bezeichnete es der Bürgermeister, dass sich Pfarrer Augustin P. sich hier so als Vermittler und Mentor engagiert, das Ganze mit moderiert und auch als Ansprechpartner der Azubis in der Muttersprache zur Verfügung stehe.
Von einer 'katastrophalen Situation' in der Altenpflege aufgrund des Fachkräftemangels spricht Georg Sperrle, Geschäftsführer der Caritas-Einrichtungen gGmbH, zu der 17 Senioreneinrichtungen an ...
Link auf Bericht vom 14.3.2024
Die Seniorenwohnanlage
Nach dem Spatenstich am 20. April 2023 und dem Richtfest am 10. Oktober 2023 kann die vom Architekten Jörg Lammert aus Weimar geplante und von der G+S Bau GmbH mit Sitz in Schweinfurt in der Würzburger Straße 60 am Eingang zum Altort gegenüber dem Feuerwehrhaus für 17,8 Mio. Euro erstellte Seniorenwohnanlage termingerecht zum 1. September 2024 fertiggestellt werden.
Bezogen werden kann dann zum 1. Oktober 2024 auch das für 7,5 Mio. Euro von der Gemeinde Veitshöchheim mit Fördermitteln des Freistaates Bayern in Höhe von 5,375 Mio. Euro von der G+S Bau GmbH erworbene Haus 1 (hier im Vordergrund - das Haus 2 mit 35 ETW beginnt nach dem blauen Glöckle-Banner). Die 16 zwischen 43 und 54 Quadratmeter großen, barrierefreie Ein- oder Zwei-Zimmerwohnungen (je acht) in den beiden Obergeschossen des Hauses 1 hat der Gemeinderat bereits zum 01.10.2024 nach den Richtlinien des sozialen Wohnungsbaus mit einer Kaltmiete von 7,30 Euro/m² an über 60 Jahre alte oder pflegebedürftige oder zu mindestens 50 Prozent schwerbehinderte Bürger vergeben. Die Wohnungen dienen dem seniorengerechten Wohnen mit der Zielsetzung, im Falle der Pflegebedürftigkeit eines Bewohners auf dessen Wunsch hin, den Umzug in ein Pflegeheim nach Möglichkeit auszuschließen.
Wie eingangs beschrieben stehen nun die elf Zimmer des Erdgeschosses der Caritas zur Verfügung, um in der Unterkunftsform einer Wohngemeinschaft ihre in Ausbildung befindlichen Pflegekräfte aus Indien unterzubringen.
Die 35 Seniorenwohnungen im Haus 2 hat die G+S Bau als Eigentumswohnungen veräußert, die von der Caritas Einrichtungen gGmbH als Generalmieter angemietet und inzwischen zum 1. September 2024 weitervermietet wurden an Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben oder pflegebedürftig oder zu mindestens 50 Prozent schwerbehindert sind. Der Mietpreis beträgt je nach Stockwerk 14,80 bis 15,50 Euro Kaltmiete. Die Nebenkosten liegen bei vier Euro pro Quadratmeter. Die Servicepauschale für Leistungen der CEG beträgt 90 Euro im Monat für die erste, 45 Euro für die zweite Person.
Alle 2- und 3-Zimmer-Wohnungen sind barrierefrei gestaltet, mit Wohnflächen zwischen ca. 49 und ca. 77 m², sowie jeweils einer Terrasse oder einem Balkon. Ein Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss steht für Feiern und Veranstaltungen zur Verfügung.
Fotos (c) Dieter Gürz