Der am 26. Mai 2024 im Alter von 93 Jahren verstorbene Kirchenbaumeister Walter Schilling hat auch in Veitshöchheim viele bauliche Spuren hinterlassen
Der in Bayreuth geborene und in Veitshöchheim seit 1964 ansässige Architekt Walter Schilling verstarb am 26. Mai 2024 im Alter von 93 Jahren. Über das Leben und Wirken des Verstorbenen hat der Verfasser als Veitshöchheimer Lokalberichterstatter einige Berichte geschrieben, so zu seinem 75. Geburtstag am 24. August 2005, als ihm der damalige Bürgermeister Rainer Kinzkofer vor der von ihm zuletzt sanierten Vituskirche ein Präsent zum 75. überreichte.
Walter Schilling wurde bekannt durch eine Vielzahl von kirchlichen und öffentlichen Bauten in drei Regierungsbezirken und zwei Bistümern. Bei 22 Kirchen-, 14 Kindergarten- und 17 sonstigen öffentlichen Neubauten und bei Restaurierungen, Sanierungen und Umnutzungen von über 50 kirchlichen Anlagen erwies sich der namhafte Architekt stets als kreativer, zuverlässiger und fachkundiger Baufachmann.
Auch in seiner Heimatgemeinde erstellte er bedeutende Werke, so 1971 den Waldfriedhof mit Friedhofshalle, 1981 nach einem gewonnenen Ideenwettbewerb das Veranstaltungs- und Kongreßzentrum Mainfrankensäle, zur gleichen Zeit auch das Sportzentrum der Turngemeinde in der Gartensiedlung, 1992 die gelungene Reihenhausanlage an der Danziger Straße, 1993 den Kindergarten Sankt Martin, 1995 die Friedhofshalle Sankt Martin und die grundlegende Innen- (1991) und Außenrenovierung (2007) der Vituskirche mit Turm.
„Schilling hat mit hoher architektonischer und funktionaler Qualität in den letzten Jahrzehnten den Ort baulich beeinflusst“, so lobte Kinzkofer 2005 dessen Wirken. Zu Schillings Freizeithobbyies zählten die Astronomie in seiner in einem Turm seines Wohnhauses eingebauten Sternwarte, seine Vorliebe für klassische Musik, das Segeln auf dem Chiemsee und das Zeichnen für sein 2012 erschienenes schriftstellerisches Werk über die "Burgen, Schlösser und Herrensitze in Unterfranken" (nachstehend ausführlich beschrieben).
Schillings architektonisches Wirken
In der Herzogenmühle in Bayreuth geboren besuchte er dort in der Kriegszeit von 1940 bis 1947 die Oberrealschule, arbeitete Anfang der 50er Jahre als technischer Zeichner, legte 1954 die Maurergesellenprüfung ab und studierte bis 1956 am Polytechnikum in Würzburg.
Seine erste Stelle als Architekt trat er im gleichen Jahr am Bischöflichen Bauamt Würzburg bei Hans Schädel an. Hier lernte er auch die Innenarchitektin Traudel Schneider kennen, die er 1958 ehelichte und die ihm zwei Töchter und zwei Söhne schenkte. 1959 wird Schilling dann selbständiger Mitarbeiter bei Emil Steffann und gründet 1961 mit Walter Feser ein erstes gemeinsames Büro, das 1974 im Würzburger Bohlleitenweg 17 in eigene Räume zieht. Sein Zuhause baute sich Schilling 1964 im Sendelbachtal in Veitshöchheim.
Schilling verstand sich stets als „moderner“ Architekt, dessen Entwürfe Bescheidenheit und Intimität protziger Repräsentation vorziehen. Ausnahmslos ordnen sich seine Neubauten der jeweiligen Umgebung unter. Die Architektur war für Schilling das Medium, das er für eine Vision nutzt. Getragen von eigener tiefer Gläubigkeit setzte er sich so in seiner langjährigen Bautätigkeit für die Kirche intensiv mit der Frage nach dem Sakralraum auseinander. Seit Papst Johannes XXIII. durch das zweite Vatikanische Konzil Anfang der 60er Jahre als wichtigste Neuerung die Demokratisierung der Liturgie einführte und eine enge räumliche Verbindung von Gemeinde und Altarraum zuließ, bedeutete dies für den Kirchenbau eine grundlegend neue Raumordnung.
Bei Schillings gebauten Kirchen steht der Altar, der Ort der Eucharistiefeier im Mittelpunkt und im Gegensatz zum barocken Kirchenraum, der ablenkt, erleichtert der Architekt durch die Einfachheit und Klarheit seiner Kirchen den Gläubigen, zur Sammlung und zur Ruhe zu kommen. Diese Schlichtheit wird schon ganz am Anfang seiner Bautätigkeit im Jahr 1961 bei dem fast klösterlich anmutenden Gemeindezentrum „Thomas Morus“ in Geroldshausen augenscheinlich. Hier wird auch deutlich, dass Schilling stets auch Naturstein als zeitloses Material bevorzugt. Dass dieses Material trotz inzwischen teurer Löhne auch heute noch möglich ist, beweist er mit dem von ihm 1993 fertiggestellten Kindergarten Sankt Martin in Veitshöchheim.
Letzte größere Neubau-Objekte Schillings waren das 1995 fertiggestellte Tagungs- und Bildungshaus in Weisendorf und 1997 die Altenpflegestätte Nürnberg-Nord. Aber nicht nur bei Neubauten, auch Restaurierungen, Sanierungen und Umnutzungen von über 50 kirchlichen Anlagen, darunter 1991 auch die Innenumgestaltung der Veitshöchheimer Vituskirche, tragen seine Handschrift.
Obwohl er nur 15 private Wohnhäuser baute, bewies er beispielsweise 1992 mit der gelungenen Reihenhausbebauung in der Danzigerstraße in Veitshöchheim, dass er auch dieses Metier bestens beherrschte.
Der Autor Walter Schilling
Der Veitshöchheimer Architekt Walter Schilling hatte sich neben seinen zahlreichen Neubauten und Generalinstandsetzungen als 82jähriger auch als Autor verewigt. Im September 2012 über gab er ein frisch gedrucktes Exemplar seines Buches "Die Burgen, Schlösser und Herrensitze Unterfrankens" an Elisabeth Birkhold zur Aufnahme in die heimatgeschichtliche Abteilung der Veitshöchheimer Bücherei im Bahnhof. In dem mit Mitteln des Bezirks Unterfranken geförderten Buch lädt der Heimatforscher auf 574 Seiten ein zu einer Reise durch die Vergangenheit, die auch heute noch unter uns weilt.
Mit feinen Stiftzeichnungen der über 300 Burgen, Schlösser und Herrensitze und kurzen, allgemein verständlichen Beschreibungen jedes historischen Bauwerkes macht Walter Schilling auf unbekannte, oft ungesehene Meisterwerke der Baukunst aufmerksam, die sich in Unterfranken verstecken.
Der Architekturhistoriker Dr. Joachim Hennze beschreibt in seiner Einführung Schillings Wirken: "Die von Schilling verwendete Stiftzeichnung, ein bewährtes Arbeitsmittel, wie sie früher in der Architektenausbildung gang und gäbe war, hat den Vorteil, dass interessierte Leser und Betrachter nicht nur nüchterne Worte oder beliebige Fotografien vor sich haben, sondern eine konzentrierte, detailreiche Ansicht jedes Bauwerkes. Dem Leser legt er seine auf Fahrten und Wanderungen gesammelten und gezeichneten Bauten ans Herz. Wichtig dabei: Diese Zeugen der Vergangenheit sind allesamt Lehrbeispiele, die heute noch von gutem Bauen künden! Den Neugierigen und den Nichtfranken führt es ein in die „grüne Ouvertüre“ Franken, dem Kundigen und Kenner aber eröffnet es neue Perspektiven, Blickachsen auf vor langer Zeit Gesehenes, das eine erneute Reise wert ist."
Die dargestellten Objekte hat er gegliedert nach den Stadt- und Landkreisen des Bezirks. Schematische Übersichtskarten der einzelnen Kreise erleichtern das Auffinden der Orte und machen es einfach auf eine Wanderung mit Kulturcharakter aufzubrechen. Allein in Würzburg skizzierte Schilling 20 historische Bauwerke (siehe Lageplan).
18 Jahre lang zeichnete Schilling historische Bauwerke. Es sind alles Unikate, die er aus seinem speziellen Blickwinkel heraus, alle vor Ort anfertigte und mit vielen Notizen versah.
Augenscheinlich wird der besondere Blickwinkel bei den Perspektiven einiger bedeutender Sehenswürdigkeiten der Festung Marienberg in Würzburg wie v.l. der Rundkirche mit einem Außendurchmesser von 19,8 Meter an der Nord-Ost-Seite der Kernburg, der mittig in der Kernburg stehende 35,3 Meter hohe Bergfried mit fünf Geschossen, der markante Kiliansturm an der Nord-West-Ecke (Schillings Beschreibung: über vier quadratischen Geschossen wurde unter Julius Echter ein zurückversetztes, achteckiges Geschoss aufgebaut, das eine Zwiebelhaube mit Laterne trägt) und der mächtige von Balthasar Neumann erbaute Maschkuliturm mit fünf Schießscharten in fünf Geschossen am südlichen Fuß des Festungsberges.
Schilling hat für sein Buch alles zusammengetragen, was über die Burgen und Schlösser Unterfrankens — ob verfallen oder noch erhalten — zu erfahren war.
Seine Arbeit, so hatte Schilling bei der Übergabe des Buches in der Bücherei ausgeführt, solle nicht nur eine Katalogisierung der momentan auffindbaren Baudenkmäler darstellen, sondern auch zum Besuch baugeschichtlicher Zeugen anregen. Nicht nur für Kenner würden sich neue Perspektiven auf Vergangenes eröffnen, auf eine ungeahnte Vielfalt an Baustilen und auf das, was über Jahrhunderte Bestand hatte. Denn immer noch könnten uns viele geschichtliche Vorbilder ein einfühlsames, maßstäbliches und materialgerechtes Bauen lehren, das — überwiegend auf dem Lande — heute im Argen liege.
Im Gegensatz zu anderen Autoren hebt Schilling die „Sterne“ der fränkischen Architektur wie Aschaffenburgs Johannisburg, die fürstbischöflichen Sommerresidenzen Werneck und Veitshöchheim oder gar Würzburgs barocke Prunkbauten nicht besonders hervor. Die seien schon an anderer Stelle ausführlich beleuchtet worden! Alle herrschaftlichen Gebäude — seien sie nun ehrwürdig und vornehm oder ernst und verhalten — würden gleichwertig in seinem Werk Aufnahme finden.
Auch Schillings Heimatort Veitshöchheim ist selbstverständlich vertreten:
So präsentiert er zum berühmten Rokokogarten einen einmaligen Blickwinkel auf den Hofgartensee von der Spitze des benachbarten 44 Meter hohen Vitusturms, den er 2002 bei der von ihm geleiteten Turm-Restaurierung bestiegen hatte.
Natürlich fehlt auch nicht die Ruine Ravensburg (Rabensburg), direkt an der Gemarkungsgrenze auf Thüngersheimer Gebiet.
Dazu schreibt Schilling:
"Auf einer rechts des Mains dreiseitig steil abfallenden und etwa parallel zu ihm verlaufenden Felszunge liegt die Ruine der ehem. Rabensburg, von der noch ein Stumpf des Bergfrieds mit einem äußeren Durchmesser von 11 m und einer lichten Raumgröße von 2,50 x 2,5 m und einer Höhe von ca. 3 m erhalten ist. Zusammen mit einem 1838 freigelegten, aber wieder eingefüllten Keller von ca. 20 x 7 m im Grundriss und einigen kleinen Mauerresten aus Muschelkalk-Steinen lassen sich Dimension und Form der staufischen Burg nicht eindeutig rekonstruieren. Ein breiter Graben im nördlichen Teil trennt und schützte die Hauptburg-Ebene vom nach Norden ansteigenden Hang. Im südlichen Teil des Plateaus lässt eine deutliche Vertiefung im Fels eine ursprüngliche Zisterne vermuten. Weinberge bedecken heute große Teile des Berings. Auf der Burg lebte um 1160 Dietho von Rabensburg, später Heinrich von Rabensburg bis 1202, als die Burg zur Strafe für den Mord an dem Würzburger Bischof Konrad von Rabensburg (nach Heßler), durch Botho von Rabensburg und seinem verbündeten Heinrich Hund von Falkenberg (dessen Burg lag nahe der gegenüberliegenden Mainseite) zerstört und nicht wieder aufgebaut wurde. Spätere Besitzer des Burgareals waren die Abtei St. Stephan zu Würzburg und die Herren von Reinstein aus Veitshöchheim."
Walter Schilling: Die Burgen, Schlösser und Herrensitze Unterfrankens. Echter Verlag, Würzburg 2012, ISBN: 978-3-429-03516-7
Auf diesem Foto erläutert Walter Schilling 2009 an der Burgrunie den Teilnehmern einer naturkundlichen Exkursion durch das Naturschutzgebiet "Edelmannswald" oberhalb der Veitshöchheimer Weinbergslage "Fachtel" die Geschichte der Ravensburg.
Fotos Dieter Gürz
Beeindruckende Hale-Bopp-Aufnahmen in Schillings Sternwarte
Seine Veitshöchheimer Privatsternenwarte betrieb der Amateur Walter Schilling dort seit 1988. In der Höhe von 220 m über NN hatte er in seinem am Ortsrand gelegenen Wohnhaus in der Sendelbachstraße eine drehbare Kuppel von 3,6 m Durchmesser angefügt, die ein fähiger Schlossermeister des Ortes baute. Unter ihr befanden sich als Hauptinstrumente ein Spiegelteleskop mit 30 Zentimeter Durchmesser, ein Linsenrefraktor mit 15 Zentimeter Objektivdurchmesser und ein Protuberanzenansatz. Der Sternfreud hat schon viele Stunden und Nächte in der oft eiskalten Kuppel verbracht und viele Hundert fotografische Aufnahmen der verschiedensten Himmelskörper mit zum Teil recht langen Belichtungszeiten hergestellt. Wenn auch die Sichtmöglichkeiten durch Licht- und Luftverschmutzung in Orts- und Stadtnähe immer mehr beeinträchtigt werden, so bleiben doch im Jahr vielleicht 20 oder 30 Nächte, in denen sich der Sternfreund von der Größe, Vielfalt und Großartigkeit des Alls gefangen nehmen lassen kann.
Beeindruckende Aufnahmen des Kometen Hale Bopp hatte Walter Schilling mit seiner Privatsternwarte am 1.4.1997 gemacht, als der Komet mit 136,8 Mio. Kilometer der Sonne am nächsten kam. In den Tagen danach wuchsen noch seine beiden Schweife, der weiße Staubschweif und der blaue Plasmaschweif aus ionisiertem Gas.. Zur Zeit der Aufnahme des Kometen befand er sich im Sternbild Andromeda. Er wanderte über Perseus, Stier und Orion ab, bevor er für einige Jahrtausende unser Sonnensystem verließ. Man hatte errechnet, dass dieser periodische Himmelskörper mit einem Eiskern von ca. 40 - 70 km Durchmesser vor 4160 Jahren sich schon einmal unserer Sonne und damit auch der Erde genähert hat.
Ein Faible für "alte" Sachen
Das Wort "Oldie" hatte im Leben von Walter Schilling eine vielfältige Bedeutung. Mit seinen 80 Jahren zählte er im April 2011, als dieses Foto geschossen wurde, ohne Zweifel zu dieser Kategorie. Auch berufsmäßig hatte er zu diesem Zeitpunkt schon viele historische Kirchen restauriert. Eine Vorliebe für "alte" Sachen hatte er auch in seinem privaten Umfeld. So war er auf der Suche nach einem alten Häuschen im Altort, um hier für seine in vielen Jahren gesammelten "Oldies" ein Museum einzurichten. Ganz und gar ein Oldtimer ist sein Fahrrad, das er 1938 im Alter von acht Jahren voller Stolz sein eigen nennen durfte. Damit er als "Bimpf" es fahren konnte, hatte ihm sein Vater einen Sattel direkt auf die Querstange montiert, damit er überhaupt mit seinen Füßen die Pedale erreichen konnte.
Mit 15 leistete ihm der Renner ohne Gangschaltung gute Dienste, um mit Schulfreunden das Voralpengebiet von Kempten bis Berchtesgaden zu durchqueren. Und bis 2010 nutzte er das "alte" Stück noch regelmäßig, um von seinem Haus im Sendelbach den Ort und manchmal auch, um sein Architekturbüro in der Zellerau in Würzburg aufzusuchen.
Doch der Zahn der Zeit hatte auch mit dem 72 Jahre alten Vehikel kein Mitleid, versagte zuletzt die total verklebte Rücktrittsbremse ihren Dienst und auch ansonsten war der "alte Bock" zur Rostlaube verkommen. Bei jedem anderen wäre er wohl im Sperrmüll gelandet. Nicht jedoch für den auch mit 80 noch immer aktiven Architekten.
In dem ortsansässigen Fahrradhändler- und -Mechaniker Stefan Einberger (S & S-Bikes) in der Thüngersheimer Straße fand er einen Zeitgenossen, der selber ein Faible für Oldtimer hat. Wie wie auf dem Foto oben hinten zu sehen, nennt Einberger auch einen seltenen Lincoln, Baujahr 1979 mit Lederdach und roten Ledersitzen sein eigen, mit dem er 2010 beim großen US-Oldtimertreffen in Geiselwind den ersten Platz einfuhr.
Obwohl damals gerade die neue Fahrradsaison begonnen hatte, packte den Tüftler der Ehrgeiz und nach 30 Stunden Arbeitszeit hatte er mit viel Liebe ins Detail Walter Schillings sehnlichsten Wunsch erfüllt. Der alte rostige, museumsreife "Schinken" war nicht mehr wieder zu erkennen und wieder voll funktionsfähig einsetzbar.
So erstrahlt auch die originale Vorderlampe wieder und auch der 72 Jahre alte Dynamo war wieder voll funktionsfähig und auch der originale Fahrradständer mit veränderbar einstellbaren Neigungswinkel, je nach Schräglage. Sichtbar voller Stolz fuhr damals Senior Schilling von dannen, reute ihn auch nicht das viele Geld, die die Aufmöblierung seines Lieblings kostete und für das er sich auch ein komfortables Elektrofahrrad hätte zulegen können. So hatte er voller Tatendrang und bereits für die Osterfeiertage seine nächste Tour mit seinem jetzt wieder wie neu erscheinenden und voll funktionsfähigen "Wanderer-Oldie" geplant, auch wenn dieses über keinerlei Gangschaltung verfügte.
Fotos Dieter Gürz