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BFW-Geschäftsführerin beim Neujahrsempfang voll des Lobes über die tolle Vernetzung - Sie beklagt jedoch digitale Barrieren und sinkende Teilnehmerzahlen

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Beim traditionellen Neujahrsempfang des Berufsförderungswerks Würzburg (BFW) in Veitshöchheim am 11. Januar 2024 freuen sich im Bild über die vorbildliche Inklusion, die in dieser mit 209 Ausbildungsplätzen bundesweit führenden Einrichtung gelebt wird v.r.n.l MdL Björn Jungbauer, Aufsichtsratskvorsitzender Dr. Marco Bambach, BFW-Geschäftsführerin Judith Faltl, Landrat Thomas Eberth, Veitshöchheims Bürgermeister Jürgen Götz und die stellvertretende Landrätin Christine Haupt-Kreutzer. Als überregionales Kompetenzzentrum  kümmmert sich das BFW um die berufliche Bildung und Wiedereingliederung von erwachsenen blinden und sehbehinderten oder anderen gesundheitlich eingeschränkten Menschen.

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Über die erfolgreiche Vernetzung mit vielen Partnern wie Reha-Kliniken, Sehbehindertenambulanzen, Beratungsstellen aller Art,  aber auch mit der Forschung und Wissenschaft konnte BFW-Geschäftsführerin Judith Faltl (links im Bild) in ihrem Impuls zu Beginn des Neujahrsempfangs ihrer Einrichtung den 100 Gästen berichten.

Faltl: "Wir stellten unsere Arbeit vor und konnten so viele Multiplikatoren gewinnen, wenn es um die berufliche und gesellschaftliche Eingliederung von Menschen geht, die während ihres Berufslebens erblinden, sehbehindert werden, eine psychische Beeinträchtigung erleben oder auch, weil sie flohen, einen Sprachkurs benötigen."

So konnte beispielsweise mit der Bayernwerk Netz AG das Fundament für eine Partnerschaft im Bereich Praktika und Arbeitsplätze gelegt.

Mit der Contagt GmbH in Mannheim,  die mit ihrer Software das Indoor-Erlebnis neu definiert und  Probleme in Gebäuden auf innovative Weise löst, wurde an der Erfassung von Umweltbarrieren gearbeitet.

Das BFW begleitet weiter zwei Masterantinnen des Forschungsinstitut für berufliche Bildung und dem Lehrstuhl für Psychologie an der LMU in Würzburg, die sich aktuell mit beruflicher Teilhabe für Menschen mit Beeinträchtigung befassen.

Durch die Partnerschaften mit Stiftungen wie der Lederle Stiftung, der San Antonio Stiftung,  der HVB Stiftungsverwaltung oder der Hans Tomann Stiftung werde die Arbeit des BFW als wichtige Ergänzung großartig unterstützt.

Neben diesen erfreulichen Nachrichten sprach die Geschäftsführerin auch Probleme und Hürden an, wie die digitalen Barrieren, die blinde Menschen wie sie selbst erleben, wenn sie sich vor den Computer setzen und der Bildschirm schwarz bleibt. Alle anderen würden Zeichen, Bilder, Grafiken auf dem Bildschirm sehen. Faltl: "Wir tasten und hören nichts. So kanns nicht weitergehen. Wir brauchen endlich eine Verpflichtung zu digital barrierefreier Software in den Behörden des Freistaates Bayern."  Leider sei die Wahrheit nach 14 Jahren UN Behindertenrechtskonvention in Deutschland, dass man hier offensichtlich nur durch verbindliche Verpflichtungen mit Sanktionen weiterkommt.

Hoffnung macht der Geschäftsführerin an dieser Stelle der Koalitionsvertrag der neuen Bayerischen Staatsregierung, wo es heißt: Wir wollen die Inklusion in allen Bereichen weiter vorantreiben und Barrieren in der Lebenswelt und in den Köpfen weiter abbauen. Inklusion soll von der Kita über Schule, Ausbildung, Beruf und Wohnen noch mehr gelebter Alltag werden. Faltl: "Ich bin sehr gespannt über was wir sprechen können, wenn wir uns genau in einem Jahr an dieser Stelle wieder treffen."

Große Sorgen machen ihr daneben, wie in allen  Berufsförderungswerken, die sinkenden Teilnehmendenzahlen. Sinkende Teilnehmendenzahlen bedeuteten aber auch weniger Geld und dadurch, Schwierigkeiten, Angebote aufrecht zu erhalten. Das BFW tue deshalb, was es könne, um alle, die die Einrichtung brauchen, aufzuspüren.

Seit Anfang des Jahres 2024 ist so das BFW Würzburg nicht nur wie bisher auf den Social Media Plattformen LinkedIn und XING mit Berichten und Stellenanzeigen vertreten, sondern  berichtet nun auch auf Instagram und Facebook über das Leben und Arbeiten am BFW Würzburg.

Am Schluss ihrer Rede schloss sich Faltl der Aussage von Gülcan Miyanyedi, der neuen Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation an: "Unsere Aufgabe ist es, deutlich zu machen, dass Rehabilitation sich vielleicht nicht immer rechnet, aber immer lohnt."

Und dazu brauche man die Spezialeinrichtungen für blinde und sehbehinderte Menschen, die so etwas wie die Herzzentren der beruflichen Rehabilitation sind, die die nötige psychosoziale Stabilisierung bieten, die Fähigkeiten und Fertigkeiten für Alltag und Beruf vermitteln und sie in die neue Identität als Mensch mit Behinderung begleiten.

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Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Marco Bambach, zugleich Vorstand der Blindeninsitutsstiftung Würzburg zitierte aus dem 2023 erschienenen neuen Büchlein des Berliner Philosophen Wilhelm Schmid mit dem Titel "Schaukeln - Die kleine Kunst der Lebensfreude". Er verglich die Arbeit des BFW Würzburg mit dem Gefühl beim Schaukeln - beim Schwung holen, spürt man die Leichtigkeit am höchsten Punkt. Man schwingt zwischen Glück und Niederlagen, zwischen Gesundheit und Krankheit. Teilnehmende des BFW Würzburg müssen lernen ihre Blindheit zu akzeptieren. Sie wollen sich weiterbilden und wieder am Leben teilnehmen. „Diese Zuversicht ist Dank der großartigen Arbeit der Mitarbeitenden des BFW sowie der Geschäftsführerin Judith Faltl, möglich. Respekt und Danke für ihren Einsatz.“ so Bambach.

Trauer und Freude eng verbunden hat der Aufsichtsvorsitzende auch bei einem  jungen Teilnehmer aus dem BFW feststellen können, der nach einem Motorradunfall erblindet an einem Tiefpunkt seines Lebens angekommen war. Hier im BFW habe dieser gelernt mit der Blindheit umzugehen, diese zu akzeptieren, neu zu lernen, sich weiterzuentwickeln. Der junge Mann habe gestrahlt und war stolz, wie er mit Hilfe der Mitarbeitenden sich schnell im Internet, dem Tor zur Welt, surfen, ganz flink die Tasten bewegen und mit der Sprachausgabe die Orientierung erhalten konnte. So habe der junge Teilnehmer  trotz Motorradunfall hier im BFW viel Zuversicht verbreitet. Diese Zuversicht wünschte Brambuch allen Gästen des Neujahrsempfang für das neue Jahr 2024 und dass die persönliche Schaukel eines jeden immer wieder auch in die angenehme Richtung mit viel Schönem schwingt - hin zur kleinen Kunst der Lebensfreude.

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Der "frischgebackene" CSU-Landtagsabgeordnete Björn Jungbauer stellte in seinem Grußwort  in Vertretung seines Fraktionsvorsitzenden Klaus Holetschek, u.a die Anstrengungen der Staatsregierung im Bereich der Teilhabe, der Inklusion und der Barrierefreiheit heraus. Den Beschäftigten des BFW attestierte er, mit ihrem beruflichen Einsatz einen großartigen Abbau von Barrieren zu leisten. Durch seine auf blinde und sehbehinderte Menschen abgstimmte Qualifizierungsmaßnahmen sei das BFW einer der bundesweit führenden Einrichtungen in diesem Bereich und besonders erfreulich sei, dass über 70 Prozent der Absolventen nach ihrer Ausbildung beim BFW wieder einen festen Arbeitsplatz finden.

Für den CSU-Politiker ist es eine Daueraufgabe und zentrales Thema der Bayerischen Staatsregierung in den nächsten Jahren, die Inklusion in allen Bereichen weiter voranzutreiben. Dafür habe der Freistaat bereits 2023 knapp 275 Mio. Euro direkt für Menschen mit Behinderung und die betreffenden Einrichtungen in Bayern bereit gestellt (z.B. für Blindengeld und die berufliche Inklusion). Trotz des Mitteleinsatzes von über einer Milliarde Euro sei das Ziel noch nicht erreicht "Bayern barrierefrei" im gesamten öffentlichen Raum und im gesamten ÖPNV zu machen. Einzigartig im Bund und Pionierarbeit sei Bayerns Autismusstrategie. Der Landtagsabgeordnete kündigte für diese Legislaturperiode den Einstieg in das Bayerische Gehörlosengeld an.

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Für Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung stellt der 3D-Druck eine vielseitige Möglichkeit dar, die Dank der Spende von San Antonio Stiftung und Wehrfritz Stiftung auch im BFW Würzburg nun verfügbar ist.

Silvia Schlagmüller, stellvertretende Leitung der Operativen Geschäftsfelder des BFW Würzburg stellte in ihrem Vortrag Objekte und Hilfsmittel vor, die im Haus bereits produziert werden.

Die Objekte er-möglichen blinden und stark sehbehinderten Menschen diese zu ertasten und im wörtlichen Sinne „zu begreifen“. Mit dem Verfahren ist es beispielsweise möglich, tastbare Modelle einer Zelle anzufertigen, die für die Ausbildung nötig sind. Aber auch Braille-Module zum Erlernen der Braille-Schrift können mit der Technik schnell hergestellt werden. Die kleinen Module wurden an die Gäste ausgeteilt und es wurde eifrig das Alphabet geübt.

 

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Für ein bewegtes Highlight des Empfangs sorgte die Juniorengarde der Tanzsportgarde Veishöchheim (TSGV) mit ihrem Schautanz "Wie das Fernsehen Farbe bekam". Es war dies ein Dankeschön der TSGV an das BFW für die eingeräumte Möglichkeit, dass ihre 120 Tänzerinnen und Tänzer in den Altersklassen Jugend, Junioren und Ü15 im Marsch- und Schautanz, sowie die Solisten in den Räumlichkeiten des BFW Montag,  Mittwoch,  Donnerstag und Freitag, zeitweise auch Samstag, trainieren dürfen.

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Im Anschluss an die Reden und den Schautanz nutzten die Gäste die Chance, sich an den Bistrotischen gegenseitig auszutauschen, während Küchenchef Thomas Lehrmann und sein Team mit fränkischen Spezialitäten vom kalt-warmen Buffet verwöhnte (im Bild links Pasta aus dem Parmesanlaib mit Weißweinsoße, Babyspinat, getrocknete Tomaten und Pinienkerne - eine der drei Hauptgerichte).ƒ

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