Nikolaus-Fey-Straße heißt nun "Mittlere Setz" - Zwei eigentlich verbotswidrige Stimmenthaltungen komplizierten Umbenennungsverfahren im Gemeinderat
Link auf Mainpost-Online vom 10.11.23
Zu einem Tagesordnungspunkt voller Brisanz avancierte in der Gemeinderatssitzung am Dienstag die Abstimmung zur Umbenennung der Nikolaus-Fey-Straße durch die verbotswidrige Stimmenthaltung von zwei Ratsmitgliedern.
Wie berichtet (siehe nachstehender Link) hatte der Gemeinderat in seiner Sitzung am 11. Juli 2023 entgegen dem 94 Prozent-Votum von 65 Anwohnern mehrheitlich beschlossen, die Ortsstraße „Nikolaus-Fey-Straße" umzubenennen. In der Sitzung am Dienstag stand nun die neue Namensgebung für den seit 1972 nach dem fränkischen Mundartdichter Nikolaus Fey benannten rund 400 Meter langen Straßenzug von der Kreuzung am ehemaligen Ulsamer-Markt bis zur Einmündung in die Günterslebener Straße an der Christuskirche auf der Tagesordnung des Gemeinderates.
Nach dem Sachvortrag von Bürgermeister Jürgen Götz hatte die Gemeindeverwaltung die Anlieger mit Schreiben vom 18. Juli 2023 über diesen Beschluss informiert und gebeten, Anregungen zu einem neuen Straßennamen abzugeben. Die aus der Bevölkerung eingegangenen 35 Namensvorschläge hat die Verwaltung an die Fraktionen des Gemeinderates weitergeleitet, die dann folgende eigene Vorschläge einreichten, zum Teil Namensvorschläge der Bürger übernehmend:.
Vorschläge der Fraktionen
CSU / Veitshöchheimer Mitte |
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Bündnis90/Die Grünen |
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UWG |
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SPD |
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Zur besseren Entscheidungsfindung markierte an der Tafel des Sitzungssaals jedes Ratsmitglied zwei Klebepunkte an den beiden von ihm favorisierten Straßennamen. Bei insgesamt 34 Klebepunkten ist ersichtlich, dass von den 19 anwesenden Abstimmungsberechtigten zwei Ratsmitglieder davon absahen. Wie sich später herausstellte, beteiligten sich die CSU-Räte Marc Zenner und Simon Kneitz nicht an dieser Aktion, da sie in der Sitzung am 11. Juli 2023 für eine Beibehaltung der Nikolaus-Fey-Straße votiert und die Umbenennung wie weitere vier Ratsmitglieder abgelehnt hatten.
Der nach den Feststellungen des Bürgermeisters von der Bevölkerung und den Fraktionen meistgenannte Vorschlag „Nikolausstraße“ landete bei der Aktion mit sieben Punkten an dritter Stelle. Laut Bürgermeister hätte dieser Name den Vorteil gehabt, dass der bestehende Name nicht mehr ersichtlich ist, aber trotzdem eine Verbindung zur Straße bestehen bleibt. Auch bei der Eingabe ins Navigationssystem würde die Straße angezeigt werden (zwar als Nikolaus-Fey-Straße, aber Ortsfremde würden die Nikolausstraße so finden).
Die meisten Punkte erhielt dagegen mit der Zahl 13 der Vorschlag "Anne-Frank-Straße" der Grünen-Fraktion (ihr Tagebuch gilt als ein historisches Dokument aus der Zeit des Holocausts und die Autorin als Symbolfigur gegen die Unmenschlichkeit des Völkermordes in der Zeit des Nationalsozialismus).
Der von CSU-Gemeinderat Jochen Müller unterbreitete Vorschlag "Mittlere Setz" landete mit der Zahl 9 auf dem zweiten Rang. Wie Müller sagte, liegt die Nikolaus-Fey-Straße in einem Gebiet, das in einer historischen topographischen Karte des Bayernatlas aus dem 19. Jahrhundert als "Mittlere Setz" bezeichnet wird, gleich im Anschluss daran in südlicher Richtung im Bereich des Setzweges die "Äußere Setz".
Die zwei Straßennamen mit den meisten Punkten gingen dann in die Abstimmung. Gegen dieses Verfahren gab es keinerlei Einwendungen.
Für "Anne-Frank-Straße" gab es 8-Ja- und 9 Neinstimmen, für "Mittlere Setz" 9 Ja- und 8 Neinstimmen, also für beide Straßen keine Mehrheit der anwesenden 19 Abstimmungsberechtigten. Einige Zeit herrschte Ungewissheit über die Rechtslage.
Wie der Geschäftsleitende Beamte Sebastian Öhrlein nach seinen Recherchen insbesondere in den Kommentaren zum Kommunalrecht in Bayern (Prandl/Zimmermann/Büchner/
Wie der Geschäftleitende Beamte weiter feststellte, sind den Ratsmitgliedern Stimmenthaltungen verboten. Dies habe aber keine Auswirkung auf die Beschlussfähigkeit des Gemeinderats, weil die Nichtabstimmenden anwesend im Sinn des Art. 47 Abs. 2 GO sind. Diese Anwesenheit zähle dagegen aber nicht bei der Berechnung der Abstimmungsmehrheit nach Art.
Wie von Simon Kneitz auf Nachfrage zu erfahren war, beruhten die Stimmenthaltung von ihm und seinem Fraktionssprecher Zenner auf ihrer weiterhin bestehenden Ablehnung der Umbenennung der Straße. Als Demokraten würden sie jedoch den Mehrheitsbeschluss vom 11.07.2023 für die Umbenennung respektieren. Sie wollen deshalb nicht gelten lassen, dass sie sich durch ihre eigentlich nach Art. 48 GO verbotswidrige Stimmenthaltung ein Eigentor geschossen haben, denn mit ihrer Neinstimme hätten sie durchaus die von ihnen abgelehnte Umbenennung verhindern können. Der Bürgermeister hätte dann in einer neuen Sitzung nochmals eine Abstimmung herbeiführen können, in der Hoffnung dass dann alle 21 Abstimmungsberechtigten anwesend sind und sich dann eine Mehrheit ergibt (in der Sitzung fehlten bei der Abstimmung die UWG-Räte Stefan Oppmann und Martin Issing).
In der Sitzung am 11. Juli 2023 wurde auch beschlossen, auf der Grünfläche rechts an der Einmündung in die Günterslebener Straße eine Informationstafel zu installieren, auf der die Gründe für die Umbenennung dokumentiert werden (= Kontextualisierung).
Zu dem dazu von der gemeindlichen Kulturreferentin Dr. Martina Edelmann erstellten Text gingen, so der Bürgermeister, verschiedene Vorschläge aus den Fraktionen zu einer Anpassung dieses Entwurfs ein. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit befasste sich das Gremium entsprechend dem Vorschlag des Bürgermeisters in der Sitzung aber nur mit den Straßennamen. Das Thema Kontextualsierung wurde einstimmig auf eine der nächsten Sitzungen zurückgestellt.
Link auf Bericht vom 12.7.2023