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Infogang Station 1 - Ausbau Kirchstraße: Verkehr fließt wieder ab 14. November 2022

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Über eine Stunde lang lauschten beim Info-Gang der Gemeinde an der Station 1 in der Kirchstraße über 100 interessierte Bürgerinnen und Bürger den drei Vortragenden und es gab auch Beifall. Rechts vorne Bauhofgärtner Ralf Emmerling, der den Transport der Infotafeln sicherstellte.

Bürgermeister Jürgen Götz rief  vor dem Hintergrund, dass aktuell diskutiert werde, macht man den Altort autofrei oder nicht, in Erinnerung, dass bis zum Bau der A 7 und der  Fertigstellung der Umgehungsstraße der B 27  der komplette Nord-Süd-Verkehr durch den Ort mit noch im Jahr 1973 rund 8.000 Fahrzeugen täglich ging. Der im Rahmen der Altortsanierung erfolgte verkehrsberuhigte Ausbau der Kirchstraße mit Verkehrsfreigabe im November 1986 musste nun aufgrund der teilweise massiven Schäden im Pflaster saniert werden. Das im März 2017 beauftragte Ingenieurbüro Holl-Wieden konnte dann im Mai 2018 die Vorentwurfsplanung im Gemeinderat vorstellen.

Im ersten 140 Meter langen Bauabschnitt von der Parkstraße bis zur Oberen Maingasse wurde von Oktober bis Dezember 2018 mit Kosten von 260.000 Euro auf der Fahrbahn lediglich das beschädigte Pflaster abgetragen und mit neuer Asphalttragschicht und Asphaltdeckschicht wieder hergestellt unter Beibehalt der Borde und Gehwege und Anordnung einer 20 km/-Zone.

Seit Mai 2020 erfolgte nun der Ausbau des zweiten 225 Meter langen Bauabschnittes von der Oberen bis zur Unteren Maingasse als Verkehrsberuhigter Bereich. Von der Auftragssumme an die Würzburger Pflasterbau von 3,8 Mio. Euro entfallen 2,7 Mio. Euro auf den Straßenbau und 1,1 Mio. Euro auf Versorgungsleitungen.

Bauliche Verzögerungen

Wie der Bürgermeister ausführte, sollte die Baumaßnahme ursprünglich bis Ende 2021 fertig sein. Etliche nicht vorhersehbare Behinderungen und zusätzliche Arbeiten hätten jedoch einen erhöhten Aufwand verursacht. So wurden nach seinen Worten die Kanalhausanschlussleitungen einbetoniert vorgefunden, mussten Gasleitungen aufgrund zu geringer Tiefenlage ausgetauscht und neu verlegt werden, ebenso auch die Wasserleitungen mit den Hausanschlüssen aufgrund des schlechten Bauzustands sowie Stromleitungen aufgrund schadhafter Muffen.

Weiter waren zu Baubeginn Sicherungsmaßnahmen an der Hofgartenmauer sowie am Torbogen zum Betriebshof notwendig. Archäologische Funde von 21 Skeletten und Mauerfundamenten im Bereich des Kirchplatzes führten zu weiteren Verzögerungen, ebenso auch die durch die Coronapandemie mit den Störungen im Welthandel verursachten Lieferschwierigkeiten von Rohrmaterialien und Natursteinen sowie auch Quarantäneausfälle von Pflasterkolonnen. Laut ursprünglichem Terminplan sollte Anfang Mai 2021 mit den Pflasterarbeiten begonnen werden. Die erste Teillieferung des Granitpflasters aus China traf jedoch auch aufgrund des Rückstaus im Suezkanal erst Mitte Juli in Veitshöchheim ein. Deshalb entschloss man sich, auch im zweiten Abschnitt vom Schulhof bis zur Unteren Maingasse mit den Tiefbauarbeiten zu beginnen und diesen dann entgegen der ursprünglichen Absicht auch als ersten zu pflastern.

Der letztendlich im Juli 2021 aufgestellte und den Anliegern übermittelte Terminplan hat laut Bürgermeister auch heute noch Bestand, kann vor allem die dort vorgesehene Fertigstellung der Pflasterarbeiten bis Ende Oktober eingehalten werden.

Gemeinde und Baufirma haben sicherheitshalber vereinbart, so war beim Infogang zu hören, statt sieben Tagen eine dreiwöchige Ruhephase im neu gepflasterten Kreuzungsbereich einzuhalten, sodass letztendlich die Kirchstraße am 14. November für den Verkehr freigegeben werden kann.

Der gemeindliche Tiefbauingenieur Jürgen Hardecker (rechts) erläuterte im Detail die wesentlichen planerischen Gesichtspunkte des Ausbaus (in der Mitte Bauamtsleiter Klaus Kaiser, der den Info-Gang organisiert hat).

 

Eine planerische Komponente ist eine Einengung des Straßenraums vor dem Zugang zum Hofgarten (im Bereich der Absperrgitter) zur Verdeutlichung des Beginns des Verkehrsberuhigten Bereichs mit Gestaltung als Aufenthaltsbereich beim Verlassen des Hofgartens unter Schaffung eines barrierefreien Zugangs durch Wegfall der Stufe.

Alle besonderen Aufenthaltsbereiche werden durch Aluguss-Poller von der Fahrbahn abgetrennt, wie hier die Fußgängerzone vor der Kirche, wo nur noch eine vier Meter breite Durchfahrt berechtigten Fahrzeugen eine Zufahrt zum Rathausinnenhof ermöglich.  Solche Poller sollen neben dem Hofgarteneingang künftig auch die Außenbestuhlung vor dem Escavinum schützen, ebenso auch den Zugangsbereich zur Vitusschule.

Es erfolgte ein niveaugleicher Ausbau ohne Borde nach dem Shared-Space-Prinzip = "gemeinsamer Raum“ unter Verzicht  auf Verkehrszeichen und Fahrbahnmarkierungen sowie vollständiger Gleichberechtigung der die Verkehrsteilnehmer). Einzige Ausnahme sind die beiden barrierefreien Bushaltestellen mit einer Bordhöhe von 18 Zentimeter für einen niveaugleichen Buseinstieg mit Einstiegsfeld vorne aus  Rippenplatten und Auffindestreifen bis zur Bordhinterkante.

Nach Absprache mit dem BFW-Mobilitätstrainer und Behindertenorganisationen wurde bereits auf der Westseite der Kirchstraße in einem Teilbereich ein Leitsystem für Sehbehinderte mittels Edelstahlelementen installiert. Grundsätzlich sollen in allen anderen Bereichen die Gebäudekanten als Tastkante dienen.

 Barrierefrei hergestellt wurde auch der Zugang zum Ehrenmalplatz. Verkleinert wurde das Treppenpodest zur Vituskirche. Der Kirchplatz wurde mit Unterflur-Elektro-, Wasser- und Abwasseranschlusspunkten ausgestattet, was die Durchführung von Veranstaltungen auf  dem Platz erleichtert.

Im Detail erläuterte dann noch der gemeindliche Tiefbauingenieur den Straßenaufbau von 70 Zentimeter, die Straßenentwässerung, die Auswechslung der Ver- und Entsorgungsleitungen für Strom, Gas, Wasser, Abwasser, Telekommunikation und Breitband. So wurden an jedem Grundstück Speedpiperohre für einen späteren Glasfaserausbau eingebaut, ebenso auch Leerrohre zur Anbindung der Mainfrankensäle, des Jüdischen Kulturmuseums und des Bauhofes an die Server des Rathauses.

Abgesprießt werden musste kurz nach Baubeginn die Hofgartenmauer nach dem Eingangstor, im Bild unten mit einem Stahlgestell im Hofgarten gestützt, da der hinter der Mauer unter Schutz gestellte riesige Baum diese nach außen gedrückt hatte.

WPB-Bauleiter Michael Spies blieb es dann noch vorbehalten, etwas zu den hohen Grundwasserständen und der notwendigen Grundwasserhaltung zu sagen, was besonders bei den Schmutzwasseranschlüssen und auch im Kreuzungbereich zu großen Problemen geführt habe. Aber zum Glück sei in der Kreuzung der Einbau von Spundwänden nicht notwendig gewesen, was sonst zu einer weiteren erheblichen Bauverzögerung von locker einem halben Jahr geführt hätte.

Das Problem bei dieser Baustelle war, so der Baupolier, dass die Leitungen auf ca. 40 bis 50 Zentimeter, der Straßenkoffer laut Plan jedoch auf 80 Zentimeter (40 Zentimeter Schottermaterial mit Frostschutzschicht und 40 Zentimeter Drainbeton und Granitpflaster im Mörtelbett). Somit mussten unvorhergesehen und ungeplant alle Leitungen freigelegt und tiefer neu verlegt werden, darunter stellenweise sogar 30 KV-Kabel.

Weiter erläuterte Spies, die Vorteile, die der Einbau des von einer WPB-Tochterfirma produzierte Flüssigboden bei den Leitungsverlegungen brachte. Dieser erschütterungs-, hohlraum- und setzungsfreie Boden lasse sich leicht wieder lösen und müsse nicht aufgemeißelt werden wie Beton.

Zur Pflasterverlegung wie Unterbau,  Verfugung oder Aushärtungszeiten führte der Bauleiter aus, dass der Stand der Technik sich seit der Pflaster-Erstverlegung auf Sand-Bitumen vor 40 Jahren wesentlich geändert habe. Die Verlegung erfolgte nun auf einer 20 Zentimeter starken Drain-Betontragschicht, im Kreuzungsbereich wegen der Scherkräfte auf 30 Zentimeter, was eine Verlegung in kleinen Chargen ermöglicht habe.

Weiter wurde im Fahrbahnbereich die Verlegung eines Geoschutzgitters auf das Frostschutzmaterial eingebaut zur zusätzlichen Stabilisierung des Untergrundes, der laut Spies doppelt bis dreifach so stark, wie das, was vor 40 Jahren eingebaut wurde.

Die Vorgehensweise beim Pflastereinbau, so Spies, ist nicht mehr vergleichbar mit früher. So wird Pflaster nur noch auf einem wasserdurchlässigen Drainmörtel verlegt, nachdem zuvor ein Kleber als sogenannte Haftbrücke aufgebracht wurde. Auch der Fugenmörtel aus Sand und Zement ist kunststoffmodifiziert und enthält Fließmittel, so dass er sich hohlraumfrei in die Fugen einbringen lässt.

Der Baupolier ist deshalb felsenfest sicher, dass das neue Pflaster wesentlich länger hält als das alte.

Für die noch zu erledigenden Restarbeiten benötige seine Firma noch zwei bis drei Wochen. Dann muss das Fugenmaterial aushärten, je nach Witterung sieben bis 21 Tage. Weil es im Kreuzungsbereich zu erhöhten Scherkräften komme, habe man sich auf eine 21tägige Aushärtezeit festgelegt. Dies bedeute, dass Busse wieder ab  14. November durch die Kirchstraße fahren können.

 Mittelalterliche Funde unter dem Kirchplatz

Der Bürgermeister infomierte auch ausführlich über die umfangreichen Funde der Knochen von 21 Skeletten, Mauerresten und Keramikteilen aus der Geschichte Veitshöchheims, die während der Bauarbeiten gemacht wurden. Der Raum um die Kirche wurde seit dem 7. Jahrhundert als Friedhof genutzt. Nach 1803 waren hier keine Bestattungen mehr erlaubt.

Der abschließende Bericht der Denkmalschützer steht laut Götz zwar noch aus, aber erkennbar seien drei Phasen.

So wurde das Skelett eines 60jährigen Mannes auf die Zeit von 688 bis 877 datiert, also aus der Zeit der Merowinger, die das Reich der Franken regieren, die Zeit der Heiligen Bilhildis, die um 655 in Veitshöchheim in Veitshöchheim geboren sein soll und die Zeit des Kilian, der um 689 in Würzburg ermordet worden sein soll. Aus dieser Phase 1 stammen aus der Zeit von 797 bis 824 auch Mauern einer adligen Hofstatt mit Grablege, eine der ersten christlichen Siedlungen in Veitshöchheim.

Aus der Phase 2 wurde unter dem heutigen Kirchplatz  ein männliches Skelett um 1300 bis 1400 datiert sowie Bauerreste von verschiedenen Häusern.

Die Grabungen offenbarten in der Phase 3 um 1700/1750 große Veränderungen. So wurden neben weitere Gräben Mauerreste entdeckt, die auf den Abriss von Gebäuden vor der Kirche für den Neubau der Vituskirche 1691 schließen lassen. In dieser Phase liegt auch der Beginn des Ausbaus einer Sommerresidenzstadt der Fürstbischöfe, so der Abbruch des Echterschlosses für den Neubau des Kavaliersgebäudes und der Abriss des Wasserschlosses für den Neubau des Wirtschaftshofes.

Wie geht es weiter?

Laut Bürgermeister wird über die Ergebnisse der archäologischen Grabungen eine Informationstafel am Kirchplatz aufgestellt. Die archäologischen Skelette werden zukünftig in München in der Prähistorischen Sammlung aufbewahrt und die nicht zuzuordnenden Knochen in Kürze in Veitshöchheim bestattet.

Der der Gemeinde entstehende denkmalpflegerische Mehraufwand und welche Baukostenmehrung durch die zeitlichen Verzögerungen eintrat,  kann derzeit von vom Tiefbaureferat der Gemeinde noch nicht beziffert werden.

Fotos Dieter Gürz

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