Nach 6,0 Mio. Euro-Investition: Versuchsbetrieb Thüngersheim des Instituts für Erwerbs- und Freizeitgartenbau der LWG in Veitshöchheim erstrahlt in neuem Glanz
Auf der rund 11 Hektar großen Versuchsfläche bei Thüngersheim („Stutel“) beschäftigt sich das Institut für Erwerbs- und Freizeitgartenbau der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim seit 1967 (damals Umzug von Gadheim) mit Forschungsfragen rund um Obstbau (5 ha) und Baumschule (4 ha). 1973 wurde hier das erste Betriebsgebäude errichtet. Außer Erdbeeren sind hier sämtliche Kulturen vertreten.
Damit die bayerischen Obstbaubetriebe und Baumschulen auch künftig aktuelle Forschungsergebnisse schnell und praxisgerecht zur Verfügung haben, investierte der Freistaat Bayern nach dem Spatenstich durch Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber Mitte September 2018 rund 6,0 Millionen Euro in den Neubau eines Mehrzweckgebäudes (Foto oben) und einer Werkstatt- und Maschinenhalle (Foto links) mit insgesamt 850 Quadratmeter Nutzfläche.
Beide Gebäude wurden in einem zeitgemäß nachhaltigen Stil errichtet.
Im Mehrzweckgebäude entstanden oberhalb der Treppe Büro- und Personalräume (Sanitär, Umkleiden, Duschen) - im Bild der technische Betriebsleiter Roman Döppler in seinem Büro - für ihn brachten die beiden Neubauten viel neue Technik, die regelmäßig überprüft und gewartet werden muss.
Unterhalb der Treppe sind ein Labor
ein großer Aufenthalts- und Besprechungsraum
und ganz am Ende die auch von außen befahrbare Mehrzweckhalle, die neben der Versuchsauswertung auch für Veranstaltungen und Tagungen für bis zu 100 Personen genutzt werden kann. Sie dient vor allem der Aufbereitung der geernteten Früchte,
die dann den normalen oder CA-Kühllagern (rechts) hinter den gelben Türen zugeführt werden. CA bedeutet kontrollierte Atmosphäre: hier wird in den Boxen Stickstoff und Sauerstoff auf eine Temperatur von 2 Grad heruntergefahren, um den Reifungsprozess der Früchte zu verlängern, so dass beispielsweise im Vorjahr geerntete Äpfel auch noch vor der neuen Ernte im Juli frisch auf den Markt kommen können.
Hier wird auch mit unterschiedlichen Temperaturen, Stickstoff- und Sauerstoffgehalten getestet, wie lange man Beerenobst oder Minikiwis oder Indianerbananen nach der Ernte lagern kann.
Döppler spricht von einer sehr arbeitsintensiven Versuchstätigkeit aufgrund der enormen Vielseitigkeit, weil hier im Rahmen der angewandten Forschung ständig viel zu bonitieren, zu messen und zu wiegen ist, für eine Sorte es bis zu zehn verschiedene Unterlagen gibt, die über Wuchsstärke und Fruchtgröße entscheiden, die Erträge festzuhalten sind, es oft bis zu fünf Bäume von einer Sorte mit unterschiedlichen Erträgen gibt und auch die Art der Veredelung oft eine Rolle spielt.
Blick in die Maschinen- und Werkstatthalle
hier ist auch der Heizraum mit Pellet-Feuerungsanlage untergebracht
Im Versuchsbetrieb wird zwar ökologischer Pflanzenschutz angewandt. Aber auch hier muss sichergestellt sein, dass Pflanzenschutzmittel auch bei der Gerätereinigung auf dem Hof nicht einfach dem Abwasser zugeführt oder versickert werden dürfen. Es wurde deshalb vor der Maschinenhalle ein entsprechender Waschplatz mit dazugehörigem Phytobac-Auffangsystem eingerichtet, wo das Waschwasser aufgefangen und zum biologischen Abbau von Wirkstoffresten in ein „Biobed“ abgeführt wird.
Der Abbau der Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe findet in einem mikrobiologisch aktiven Substrat statt, während der Wasseranteil von der Substratoberfläche verdunstet. Der Erhalt der biologischen Aktivität wird durch regelmäßiges Einarbeiten von Stroh sichergestellt. Da es sich um ein geschlossenes System handelt, sind keine unmittelbaren Entsorgungsschritte mehr notwendig.
Nach interimistischer Containerunterbringung konnten der technische Betriebsleiter des Instituts Roman Döppler und seine elf Mitarbeiter (darunter drei Teilzeitkräfte und zwei Lehrlinge) in das noch nicht fertige neue Bürogebäude schon im November 2020 einziehen, nachdem die Heizung lief und die Sozialräume fertig waren.
Im November 2021 war es dann soweit, dass das Staatliche Bauamt die fertiggestellten neuen Gebäude an LWG-Präsident Andreas Maier übergeben konnte. Wegen Corona entfiel eine große Einweihungsfeier. Döppler ist sehr froh, dass hier neu gebaut wurde. Es sei nun ein ganz anderes Arbeiten möglich.
Wie das Schild an der Einfahrt offenbart, ist der Versuchsbetrieb für die Öffentichkeit nach wie vor noch weiter bis Dezember 2022 geschlossen.
Gezeigt werden neben den neuen Gebäuden der neu angelegte Biodiversitätsgarten. Im Fokus stehen auch der naturnahe Anbau von Obst, Klimabäumen, Beerensträuchern, sowie die Sichtung für die Allgemeine Deutsche Rosenneuheitenprüfung (ADR). Wildobst und robuste Obstsorten für den Hausgarten sind weitere interessante Themen, die bei den Führungen beleuchtet werden.
Der LWG-Versuchsbetrieb ist nicht nur aufgrund seiner Vielfalt an historischen, traditionellen aber auch exotischen Obstsorten wie Kiwibeeren, Indianerbananen, Feigen und Quitten einzigartig in Bayern.
Mit seiner praxisorientierten Forschungsarbeit, wie etwa dem Langzeitversuch für die „Bäume der Zukunft“ mit über 180 Baumarten aus Europa und Nordamerika mit Prüfung auf Hitze- und Trockenstressverträglichkeit, nimmt er auch im gesamten Bundesgebiet eine wichtige Rolle ein.
Seit 2019 werden die Versuchsflächen ohne chemische Herbizide und vorwiegend mit Pflanzenschutzmitteln für den ökologischen Landbau bearbeitet. An alternativen Pflanzenschutzmethoden wie Einnetzung, Nützlingseinsatz und –förderung sowie Beikrautregulierung wird seitdem zusätzlich geforscht.
Im Versuchsbetrieb wird zwar ökologischer Pflanzenschutz angewandt. Aber da sind laut Döppler auch Mittel dabei, wo nach dem Ausbringen Besucher mehrere Tage nicht in die Anlage sollen. Es sollen deshalb der neu angelegte Biodiversitätsgarten und der Obstschaugarten für die Freizeitgärtner rund um die Uhr öffentlich zugänglich gemacht werden.
Neu angelegt hat das Institut einen Bienen- (Biodiversität-)garten mit einem großen Bienenhotel und einem Sandbeet für Erdwespen.
Es ist nun vorgesehen, so Döppler, diesen Bereich einzuzäunen und durch ein Tor vom oben vorbeiführenden Wein-Wanderweg über ein Drehkreuz rund um die Uhr öffentlich zugänglich zu machen. Es müssten aber noch die staatlichen Auflagen abgeklärt werden (z.B. ob wassergebundene Wege, behindertengerecht, Toilette, Hotspot notwendig), so dass er mit einer Realisierung erst für Herbst 2023 rechnet, da zuvor noch der Versuchsbetrieb in diesem Herbst eine komplett neue Bewässerungsanlage mit einer neu verlegten Ringleitung erhalten soll. Die Gelder hierfür seien bereit gestellt.
Verlagert auf diese Fläche mit gleicher Öffnung zum oben vorbeiführenden Weinwanderweg soll auch der neue Besucher-Obstgarten des Versuchsbetriebs Stutel.
Der für Freizeitgärtner konzipierte Obst-Schau-Garten beinhaltet die aus LWG-Sicht empfehlenswerten Obstsorten und soll allen interessierten Besuchern auf kleiner Fläche ermöglichen, verschiedene Obstgehölze von Apfel als Spindel über Johannisbeeren auf Stämmchen bis zu neuartigen Kiwi-Sorten und Zwetschgen oder der Cornelkirsche (im Foto rechts) kennen und schätzen zu lernen. Sie wurden nach jahrelangen Beobachtungen von den Fachleuten ausgewählt. Alle unter dem Aspekt: robust im Garten, wohlschmeckend und angepasst an das bayerische Klima. Ziel ist, zu zeigen, welche Sorten für den Hausgarten geeignet sind, wie die Früchte schmecken und welche Erziehungsformen im Garten möglich sind.
Empfehlenswerte Sorten Steinobst, Apfel und Beeren für den Haus- und Kleingarten
Eine Regenschutz-Überdachung bei Süßkirschanlagen reduziert das Aufplatzen der Früchte, Moniliafruchtfäulen und andere Schaderreger und ermöglicht ein ständiges und sicheres Angebot durch „Ernte bei jeglichem Wetter“. Bei Sorten wie Regina lassen sich bis zu 20 Tonnen pro Hektar im vierten Laub erzielen.
Hügelpflanzung für Himbeeren unter einer Tropfleitung
40 Quittensorten
Schrägpflanzung von Pfirsichbäumen
Mulchabdeckung für Apfelbäume
Rotfleischige Apfelsorten (blühen auch rot)
Im Bereich Baumschule wird vom Institut als eine von zehn Stellen in Deutschland drei Jahre lang die Neuzüchtung von Rosen getestet. Die Rosen müssen dreimal wöchentlich bonitiert werden. Wenn neugezüchtete Rosen in mehreren Prüfgärten wie bei der LWG 75 Punkte von 100 erreichen, wird entschieden, ob sie ADR-Rose werden, d.h. ein Prüfsiegel als besonders robuste und blühfreudige Rosen und vom Züchter dann auch einen Namen bekommen.
Döppler: "Das Sortenkarussel dreht sich immer schneller, egal ob dies bei den Äpfeln oder bei den Rosen ist." Die Versuche der LWG sind für die Züchter kostenneutral. Ein Problem sei, dass aufgrund des Klimawandels die Wärme immer früher kommt, aber dann doch immer Spätfröste eintreten. Und da werde vom Versuchsbetrieb der LWG alles ausprobiert, von Überdachungssystemen, Frostschutzberegnung, Benebelungsgeräte bis hin zu Gasheizern.
Dabei gebe es Fragen noch und nöcher, die es zu beantworten gelte. Die effektivste Methode gegen die kalten Frühjahrsnächte sei die Frostschutzberegnung. Durch die frei werdende Erstarrungswärme bei gefrierendem Wasser werden die empfindlichen Blütenorgane und jungen Früchte geschützt. Auf den Versuchsflächen am Standort Stutel werden wassersparende Reihensprinkler bei verschieden Kulturen ausprobiert.
In dieser Zeile bilden Clematis und Rosen in wenigen Wochen eine dichte Wand. Die Clematis-Testung wurde vom Versuchsbetrieb inzwischen zurückgefahren, nachdem bei dieser ersten großen Geschichte des Versuchsbetriebs ausreichend Empfehlungen für etablierte und bewährte robuste Sorten gegeben werden konnten.
Link auf LWG-Infoflyer Clematis und Kletterrose zärtlich vereint
Klima-Bäume der Zukunft
Im Bereich Baumschule gilt nun der Schwerpunkt des Versuchsbetriebs Am Stutel den Klimabäumen.
Auf den Versuchsflächen des Instituts werden seit 2010 auf zwei Hektar 180 verschiedene Baumarten und Sorten mit vier Bäumen je Sorte getestet, um für zukünftige Entwicklungen möglichst breit aufgestellt zu sein. Diese Versuchsfläche wird regelmäßig bonitiert und laufend durch Neupflanzungen erweitert. Sie liefert der LWG wichtige Erkenntnisse, wie Bäume ohne Bewässerung ein gutes Wachstum haben und trockene Sommer überstehen.
Relativ neu ist seit einem Jahr das Waldarium mit 150 Sorten Jungpflanzen von Ahorn bis Zürgelbaum, um für die Forstleute Erfahrungen zu sammeln und Hilfestellung zu geben, wie wachsen sie und wie kommen sie mit unterschiedlichen Wuchsstärken zurecht. Grundlage ist im Stutel ein leichter Sandboden, eine geringe Wasserhaltekraft, eine 30er Bonität. Döppler: "Der Baum, der hier ohne Wasser zurecht kommt, der hält viel aus."
In diesem Bereich werden Hortensien, Kirschlorbeer und Zwergflieder auf Frosthärte und Wuchs getestet.
Im Unteren Bereich des Versuchsbetriebes zur B 27 hin gibt es auch ein Sortiment an Nadelgehölzen mit einem mächtigen Mammutbaum
Fotos Dieter Gürz