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Von Down Under nach Veitshöchheim - Australische Austauschschülerin besuchte zehn Wochen Gymnasium Veitshöchheim

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Zehn Wochen am anderen Ende der Welt. Diesen Traum erfüllte sich die Australierin Charly, die noch bis Dienstag (4.2.) bei Familie Zollner in der Veitshöchheimer Gartensiedlung wohnt. Julius, der 15jährige Sohn ihrer Gastgeber möchte im Gegenzug im Juni 2020 für den gleichen Zeitraum nach Australien reisen. Diesen Schüleraustausch ermöglicht der Verein GDANSA e.V. (Gesellschaft für Deutsch-Australischen/Neuseeländischen Schüleraustausch) mit Sitz in Hamburg.

Julius wurde von GDANSA über ein Auswahlverfahren für den Schüleraustausch nach Australien ausgewählt. Darauf gekommen war er durch einen Flyer, der im Gymnasium auslag. Außer Taschengeld und Flugticket muss er nichts bezahlen.  Zu Charly kann er aber nicht, denn sie ist  aus dem vorherigen Jahrgang und ihre Familie hatte bereits einen Gastschüler bei sich aufgenommen.

Die  16jährige  stammt aus dem direkt am Meer gelegenen Melbourner Vorort Hampton im  Bundesstaat Victoria im Südosten Australiens. Die Umstellung von der Fünf-Millionen-Großstadt Melbourne mit 14 über 200 bis 297 Meter hohen Wolkenkratzern auf die kleinstädtisch strukturierte Region hier und vom australischen Sommer auf den deutschen Winter musste von ihr erst einmal gemeistert werden. "Es ist kalt hier,“ war so ihr erster Eindruck, als sie am 24. November in Frankfurt aus dem Flugzeug stieg.

Charly besucht während ihres Aufenthalts hier zusammen mit Julius den Unterricht des Gymnasiums Veitshöchheim (im Hintergrund auf dem Foto oben von Dieter Gürz), wegen Platzmangel allerdings nicht in der 10 b von Julius, sondern  in der Parallel-Klasse 10 a.

Die Lehrkraft  Michael Körber äußerte sich sehr angetan über Charly, die er in der Woche fünf Stunden  in den Fächern Englisch und Religion unterrichte. Sie sei sehr wissbegierig, sagt er, sei aber ziemlich schockiert gewesen, als sie in 25 Minuten einen Aufsatz schreiben sollte "Warum bin ich hier und nirgends anders?" Sie habe sich dabei sehr schwer getan, hier ihre eigene Meinung zu äußern. Bei ihr zu Hause habe sie zum einen  für einen Aufsatz drei Stunden Zeit gehabt und zum anderen sei keine Bewertung, sondern nur eine Beschreibung gefragt. Und Religion steht in Australien nur von der 7. bis 9. Klasse auf dem Stundenplan. Keine Frage, dass die Schülerin in ihrer Muttersprache Englisch glänzte, aber auch auf deutsch keine Probleme hatte mitzukommen, denn sie hat das Wahl-Fach Deutsch bereits seit fünf Jahren freiwillig belegt.

Dennoch bedeutete der Schulbesuch in Veitshöchheim für Charly eine große Umstellung. Das Schuljahr beginnt nämlich in ihrer Heimat Ende Januar. Genau am Tag des Interviews kam sie in die 12. Klasse. Die durchgehend sieben Wochen am Stück dauernden Sommerferien beginnen im Dezember, denn Australien liegt auf der südlichen Erdhalbkugel und da sind die Jahreszeiten genau umgekehrt zu unseren.

Nach der bis zum 6. Schuljahr gehenden Grundschule besuchen in Australien alle Schüler eine Gesamtschule ohne Unterscheidung in Gymnasien, Real- oder Hauptschulen. Die Schulpflicht endet in Australien zwar mit dem 16. Lebensjahr, doch 70 von 100 Kindern gehen zwölf Jahre zur Schule, um anschließend mit dem Senior Secondary Certificate of Education-Abschluss  eine Hochschule besuchen zu können.

Charly gehört zu dem einen Drittel der Schüler, die in Australien eine Privatschule besuchen, die sich von staatlichen Schulen erheblich unterscheiden. Der Besuch kostet zwischen 6.000 und 11.000 australische Dollar (1 Dollar = 0,6 Euro) pro Jahr., allerdings weniger Schüler auf einen Lehrer kommen. In ihrer Privatschule werden Jungen und Mädchen getrennt unterrichtet und es besteht Uniform-Pflicht. Mädchen dürfen zwischen Röcken und Hosen wählen. Es gibt eine Uniform für den Winter, eine für den Sommer und eine spezielle Sport-Uniform, was Charly, die am liebsten in ganz legerer Kleidung rumläuft, als hässlich empfindet. Den Schultag empfindet sie hier als kürzer, aber die Stofffülle sei viel intensiver. In den zwei Monaten, die sie nun hier ist, hat es hier so gut im Gymnasium gefallen, hat sie in der Klasse auch eine sehr gute Freundin gefunden, so dass sie nun lieber hier weiter zur Schule gehen würde.

Die Frauenärztin Professorin Dr. Ursula Zollner, die zusammen mit ihrem Mann, dem Reproduktionsbiologen Klaus-Peter das MainKid-Kinderwunschzentrum am Theater in Würzburg betreibt, bescheinigt Charly, dass sie sich sehr gut in ihre Familie integriert und eingelebt hat. Neben Julius lebt im Haushalt der Zollnerfamilie auch noch dessen 19jährige Schwester Theresa, die im letzten Schuljahr ihr Abitur machte und nun studieren will.

Wie Mutter Zollner berichtet,  ist das Handy ein wichtiger Begleiter von Charly, wie bei allen anderen Jugendlichen auch bei uns. Nachmittags seien die Kids oft mit dem Fahrrad rumgefahren oder hätten Gesellschafts-Spiele gespielt. So habe ihre Familie der Gastschülerin alle möglichen Spiele wie Phase 10, Watten und Poker beigebracht.

Eine neue Erfahrung machte Charly in der Weihnachtszeit. Kein Wunder, ist doch bei ihr Zuhause gerade Hochsommer. So gebe es keine Adventszeit mit Plätzchenbacken, keinen Nikolaus,  keine Weihnachtsmärkte und die Christbäume seien aus Plastik – wegen der Hitze. Selbst an Heilig Abend gehe sie mit der ganzen Familie noch surfen, wohnt sie doch nur fünf Gehminuten vom Strand entfernt. Zu Weihnachten gebe es aber auch bei ihr zu Hause Geschenke, allerdings erst am 25. Dezember.

Die Zollners haben mit ihr Weihnachtsmärkte in Würzburg, München und Veitshöchheim besucht. Der Veitshöchheimer (Foto Zollner) hat ihr am besten gefallen, so Charly, weil er so übersichtlich war.

Ursula Zollner: "Es war mit ihr sehr unkompliziert, weil sie alles mitgemacht hat." So habe sie auch den Tanzkursabschlussball von Julius mitgemacht, ohne tanzen zu können.

Sie habe alles probiert oder gegessen und sich auch wacker durch die Winzerplatte in der Veitshöchheimer Heckenwirtschaft gekämpft.

Mittags habe sie bei ihr zu Hause gegessen oder auch in der Schülerlounge, wenn sie nachmittags Unterricht hatte.

 

 

Bei ihrem Aufenthalt in Veitshöchheim sah die australische Schülerin viele verschiedene Seiten des Lebens in Deutschland. Keine Frage, dass die Zollners mit ihrem Gast nicht nur Veitshöchheim mit seinem Hofgarten und Würzburg besichtigten. Es ging auch ins neue Nautiland. Ausflüge führten nach München, am letzten Wochenende nach Berlin und auch einige Tage nach Regensburg zur Oma von Julius. Hier hatte es Charly besonders die typisch bayerischen Gerichte wie Schweinshaxe mit Semmelknödel und Sauerkraut oder Schweinebraten mit Knödel und Blaukraut und Wiener Schnitzel angetan.

Das Mädchen hat aber nicht nur bei der Gastfamilie, sondern auch bei einem einwöchigen GDANSA-Workcamp Anfang Januar in einer Jugendherberge in Osterrode zusammen mit den 22 übrigen australischen Teilnehmern des Schüleraustausches gute Einblicke in das Leben hierzulande gewinnen können.

Sorgenvoll blickte Charly allerdings Mitte Januar in ihre Heimat nach Melbourne, wo die die Feuer in den Brandgebieten die Luft rekordverdächtig dick gemacht hatte. Die schlechte Luft sorgte nicht nur für Probleme bei der Qualifikation für die Australian Open im Tennis. Es wurde den  Bewohnern mehrere Tage in Folge geraten, drinnen zu bleiben. Der Rauch löste im Stadtgebiet Feuermelder aus. Mehr als 100 Menschen suchten wegen Atembeschwerden Notfallambulanzen auf. Viele Menschen trugen Schutzmasken, so auch Charlys Mutter, die unter Asthma leidet. Ein in der Nähe der Buschfeuer wohnender Onkel musste mit seiner Familie evakuiert werden.  Die Australien Open habe sie schön öfters besucht, da sie selbst neben Surfen und einer Art Volleyball auch gerne Tennis spiele. 

Auf die Aktivitäten von Schülern bei der Aktion "Friday for Future" angesprochen,  gab sie zu erkennen, dass Klimaschutz für sie ein eher untergeordnetes Thema ist. Was sie sehr beschäftige, seien Frauenrechte und die Integration von Ausändern in unsere Gesellschaft. So kann sie nicht verstehen, dass viele Frauen schon jahrelang in Deutschland leben ohne die Sprache zu können und sich so abhängig von ihren Ehemännern machen.

Gastgeberin Ursula Zollner: "Insgesamt haben wir die Zeit mit ihr als sehr bereichernd empfunden und hoffen, dass sie uns mal wieder besucht."

Charly freut sich natürlich wieder auf ihre Eltern und ihre beiden 14 und 15 Jahre alten Brüder 24 Stunden Flugzeit trennen sie im Moment noch voneinander.

Auf der Seite von GDANSA e.V. ist von Charly (vorne im Bild) am 1. Februar 2020  das Foto und dazu folgender Beitrag eingestellt:

„Zum Glück mag ich Deutschland mehr als die Deutschen 'Vegemite' mögen. Ich hatte 'Vegemite' für meine Klasse zum Probieren mitgebracht und leider finden sie 'Vegemite' wie ‘ein alter Autoreifen mit Fisch’. Stattdessen habe ich die typisch bayerischen Essen geliebt, die sie mir mitgebracht hatten. Ich bin immer noch dabei das typisch bayerische Kartenspiel zu lernen, das viele komplizierte Regeln hat, aber es macht viel Spaß.

Im Vergleich zur australischen Schule ist die deutsche Schule ganz anders. Alle meine Klassenkameraden haben viele Fragen zu australischen Schlangen, Spinnen und Schauspielern. Nach der Schule gehen wir Rad fahren und treffen Freunde. Ich habe schon viele tolle Erfahrungen gemacht! Ich bin GDANSA so dankbar. Ich möchte mich bei meiner Gastfamilie für meine tollen Erfahrungen bedanken.”

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