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Deutlich erhöhte Gefährdungssituation im Veitshöchheimer Gemeindewald - Wegen Dürreschäden derzeit keine Holzernte möglich

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Allerorten kann man derzeit im Veitshöchheimer Gemeindewald auf umgestürzte Baumriesen wie auf diesem Foto im Wald oberhalb der Weinberge treffen. Die für den Gemeindewald zuständige Revierförsterin Annette Fricker vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) und Bürgermeister Jürgen Götz mahnen die Bürger: "Verzichten Sie auf Waldspaziergänge bei starkem Wind und halten Sie sich fern von Sperrungen und Hiebsmaßnahmen. Gehen Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit mit Achtsamkeit durch Ihren Wald, und lassen Sie sich durch neue Beobachtungen in unserer Natur bereichern."

Durch den Kauf der 109 Hektar großen Waldflächen „Gebranntes Hölzlein“ und „Gadheimer Wald“ vom Juliusspital Würzburg im Jahr 1997 für 2,8 Mill. Euro (rote Flächen auf Plan unten) konnte  die Gemeinde ihren Waldbesitz auf insgesamt 223 Hektar verdoppeln. Dieser Kauf war eine Zukunftsinvestition für die Gemeinde, der nicht nur die Bohrung eines eigenen Trinkwasserbrunnens mit 190.000 m³ Fördervolumen jährlich, sondern auch der Gemeinde einen größeren Spielraum bei der Bewirtschaftung und Nutzung des Waldes als Erholungsraum ermöglichte.

Im Spätsommer sind Spaziergängern sicherlich die vielen absterbenden Bäume im Wald aufgefallen. Aus der Presse konnte man erfahren, dass besonders das Nadelholz, aber auch die bei uns heimische Buche stark unter der Trockenheit der beiden letzten Jahre litt.

Laut Revierförsterin Fricker stehen wir daher vor ganz neuen Herausforderungen: Die trockenen Bäume und Kronenäste stellen in ihrem großen Umfang und ihrer flächigen Verteilung eine in unseren Waldgebieten deutlich erhöhte Gefährdungssituation dar. Sowohl bei der Waldarbeit als auch für den Waldbesucher gelte erhöhte Wachsamkeit.

 

Der Holzeinschlag in den beiden Wintern 2018 und 2019 besteht aus dem Fällen toter Bäume, so derzeit auch, wie auf dem Foto zu sehen,  entlang dem  überregionalen Mainwanderweg der am Rande des Edelmannswaldes auf der Höhe Maintal oberhalb der Weinberge nach Thüngersheim führt. 

Fricker: "Wir bitten alle Spaziergänger um Verständnis, dass wir nicht überall gleichzeitig arbeiten können. Die Maßnahmen werden den ganzen Winter dauern und es ist auch im nächsten Frühjahr zum Zeitpunkt des Laubaustriebs mit neuen Schäden zu rechnen. Die Bäume sind geschwächt und haben daher wenige Abwehrkräfte gegen Schädlinge wie Insekten oder Pilze. Wir bemühen uns fortlaufend insbesondere die Straßen und Wanderwege zu sichern. Bitte haben Sie Verständnis für Sperrungen und liegendes Holz von Bäume und Kronen neben den Wegen. Gehen Sie mit offenen Augen und respektieren Sie auch die Besonderheiten unserer Natur, die uns heutzutage nicht mehr so wild und unberechenbar erscheint, es aber immer noch ist!"

Die Revierförsterin möchte deshalb  den Blick der Spaziergänger auf die zahlreichen Biotopbäume lenken, die mit ihren natürlichen Baumhöhlen und Totholzanteilen oft in beachtlichem Alter und beeindruckender Dimension im Wald verbleiben sollen, um den Lebensraum zu bereichern.

Fricker: "Die mit einem Dreieck gekennzeichneten Bäume bieten vielfältige Groß- und Kleinstlebensräume, sind Nistkästen und Insektenhotels ebenso wie Futterstellen und Zufluchtsort für viele Tierarten in einem. "

Entlang der Wege seien auch Stämme zu sehen, die mit dem Wörtchen „Öko“ gekennzeichnet, dort der Tier-und Pflanzenwelt überlassen bleiben und an denen die Spaziergänger selbst Anteil an der Besiedelung mit Pilzen und seltenen Totholzbewohnern und der langsamen Zersetzung nehmen können.

So soll nun auch totes Holz, das aus Sicherheitsgründen umzuschneiden war, im Wald verbleiben, um dort den ökologischen Wert zu steigern.

Auch in dem vom Gemeinderat in der letzten Sitzung ohne Einwendungen zur Kenntnis genommenen Jahresbetriebsplan 2020, den das AELF für  die Forstbetriebsarbeiten im Gemeindewald vorgelegt hatte, muss die Holzernte vorerst zurückgefahren werden. Die Holzentnahme wurde mit insgesamt 901 Festmeter angesetzt. Die eigentlichen Hiebe bestehen so auch im Jahr 2020 vor allem aus Bäumen, die aus Verkehrssicherungsgründen entfernt werden müssen. Wie es hieß,  ist aber der Pflegestand des Waldes trotz Trockenschäden im Großen und Ganzen weiterhin gut.

Für eventuell notwendige Fäll- und Entsorgungsmaßnahmen von Bäumen mit Rußrindenkrankheit wurden 10.000 Euro eingestellt, da diese Arbeiten nicht durch die eigenen Forstwirte der Gemeinde geleistet werden können. 

Grundlage für die Bewirtschaftung des 230 Hektar großen Veitshöchheimer Gemeindewaldes ist dieser vom  AELF erstellte und vom Gemeinderat im Februar 2014 gebilligte Forstwirtschaftsplan, in dem Nachhaltigkeit oberstes Gebot ist.

Seine Laufzeit beträgt 20 Jahre. Er gilt also bis Ende des Jahres 2033,  wobei nach zehn Jahren, d.h. 2023/2024  eine Zwischenrevision zur Überprüfung der Planungsziele vorgesehen ist.

Der Plan garantiert, dass auch weiterhin eine baumartenreiche Waldgeneration mit hohem Entwicklungspotential heranwächst. Die Nutzung ist sehr nachhaltig, da mit 1.360 Festmeter mehr zuwächst als geschlagen wird. Der Plan geht von jährlich von  einem Gesamthiebsatz von 1.030 Festmeter aus (im Jahresbetriebsplan 2020 sind wie oben dargestellt 901 Festmeter enthalten). Kennzeichen der Bewirtschaftung ist eine sehr üppige Naturverjüngung. Es sollen laut Plan jährlich zwei Hektar Wald verjüngt werden, davon nur 0,1 durch Pflanzung.

Bei der Verabschiedung des Planes 2014 wurde festgestellt:

Durch die ganzjährige Tätigkeit der zwei gut ausgebildeten gemeindlichen Forstwirte Jürgen Taupp und Sebastian Kräml erfährt der Wald eine selten gewordene ökologische Aufwertung und Sicherung in allen seinen Funktionen. Der Gemeindewald ist eine hervorragende „Solarfabrik“, der neben seiner Funktion als Sauerstoffspender, Wasserreservoir und Erholungsraum auch von wirtschaftlicher Bedeutung ist.

Es wird aber in Sinne der Nachhaltigkeit weniger geerntet als nachwächst.  Es bleiben auch Flächen der natürlichen Entwicklung überlassen. Hier bieten umgestürzte Bäume als Totholz einer Vielzahl von Vögeln, Insekten, Pilzen und Mikroorganismen artspezifische Lebensräume. Der Gemeindewald ist als FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat) eingestuft und als  Bannwald geschützt.

Der muschelkalkhaltige Boden im Gemeindewald ermöglicht einen Mischwald mit großer Artenvielfalt. 17 Laub- und 6 untergeordnete Nadelholzbaumarten sind hier in ausgezeichneter Qualität und hoher ökologischer Wirksamkeit anzutreffen.

Nach der durchgeführten Baumarten-Erhebung dominiert das Laubholz mit 90 Prozent. Nur zehn Prozent entfallen auf Nadelholz. Häufigste Baumart ist die Eiche mit 45 Prozent vor der Buche mit 25 Prozent. Im Vergleich zu anderen Betrieben mit Mittelwaldvergangenheit wurde dieser Buchenanteil als natürliche Hauptbaumart erfreulich hoch eingestuft. Das vor allem in jüngeren Beständen anzutreffende Edellaubholz hat einen Anteil von 15 Prozent, davon sechs Prozent Esche, 4 Prozent Bergahorn und ein Prozent Linde. Anzutreffen sind hier auch Baum-Individuen wie Spitzahorn, Walnuss, Kirsche, Elsbeere und Speierling.

Es sind große Altbestände mit führender Eiche anzutreffen. 53 Prozent der Waldfläche hat ein Durchschnittsalter von mehr als 100 Jahren. Je jünger die Bestände sind, umso weniger ist hier Eiche anzutreffen.

Als besonders positiv herausgestellt wurde ein ausreichendern Buchenanteil in allen Altersklassen. Dies zeige, dass hier seit Generationen nachhaltig gewirtschaftet und die Buche mit ihrer positiven Auswirkung auf das Bestands-Innenklima erhalten wurde. So seien auf natürliche Art genug Samenbäume, genug Verjüngung und Zwischenstand vorhanden, so dass die Bestände schattig bleiben und nicht verlichten. Dadurch sei bisher auch noch keine Massenvermehrung von wärmeliebenden Schadinsekten und demzufolge auch keine Bekämpfungsmaßnahmen notwendig gewesen.

In den flächigen Natur-Verjüngungsbeständen der Schattbaumarten seien die Verbiss-Schäden durch Rehe tragbar. Eine Einzäunung sei nicht notwendig. Es können jüngere Bäume der Altbestands-Oberschicht zum Teil noch achtzig Jahre stehen und Wert zulegen. Bis dann die letzten Bäume dieses Bestandes geerntet werden, seien die ersten aus der jetzigen Verjüngung schon reif. Dies bedeute, dass im Veitshöchheimer Gemeindewald man im Dauerwald angekommen ist und nie wieder ein Kahlschlag erfolgen muss.

Wie bereits oben von der Revierleiterin Annette Fricker dargestellt, bietet der reich strukturierte Eichen- und Buchenwald mit hohem Totholzanteil  insbesondere den seltensten Arten wie Mittelspecht, Halsbandschnäpper, Mops- und Bechsteinfledermaus, Hirschkäfer, Eremit oder Eichenbock passende Lebensbedingungen.

Die Gemeinde unterstütze mit ihrer daran orientierten naturgemäßen Bewirtschaftung ihres Waldes die Erhaltung und Verbesserung dieses Lebensraumes. Beim Erhalt alter Bäume durch das Baummethusalem-Konzept stehe zunächst die Waldästhetik im Mittelpunkt (Alter, Dimension Gestalt dieser Bäume). Da sie bis zu ihrem natürlichen Absterben stehenbleiben, haben sie mit der Zeit auch einen hohen ökologischen Wert (Refugium für viele Pflanzen und Tierarten). Bisher sind im Gemeindewald über  30  solcher Individuen dauerhaft markiert (umgedrehtes grünes Dreieck mit weißer Innenfläche).

Großer Wert werde auch auf die Pflege des Waldrandes gelegt, der als Einladungskarte für den Zugang zum Wald vielfältige Funktionen zu erfüllen habe. In seiner Erholungsfunkton erfreue er das Auge der Spaziergänger durch seine Pflanzenvielfalt zu jeder Jahreszeit. Im Frühjahr seien es natürlich mehr die krautigen Blüh-Pflanzen, die noch mehr Licht benötigen und im Herbst würden Weißdorn, Holunder, Liguster, Speierling oder die Elsbeere durch ihr Farbenspiel ins Auge fallen. Die beiden Forstleute der Gemeinde würden hervorragend darauf achten, dass diese Sträucher am Waldrand überleben können und nicht von hohen Bäumen verdrängt werden.

Uptodate-Zwischenfazit der Revierleiterin Annette Fricker:

 

"Im Vergleich zur Ausgangslage bei der Erstellung des Forstwirtschaftsplanes 2014  wird im Bewusstsein, welche Ereignisse uns im Sommer eingeholt haben, deutlich die neue Schräglage sichtbar: Durch den Verlust zahlreicher Buchen verlichtet der Wald.  Damit ist die Beschattung und Feuchtigkeit nicht mehr in dem Maße gegeben und damit wiederum auch nicht mehr der angesprochene Schutz. Nach wie vor hilft uns aber der gemischte und gestufte Aufbau, denn sonst hätten wir ja gar keinen Folgebestand mehr auf der Fläche (wie bei anderen Waldbesitzern, insbesondere unter Nadelholz).

Durch die Baumartenvielfalt, insbesondere die „Trockenkünstler“ wie z.B. die Elsbeere in der Zwischenschicht, aber auch dem hohen Eichenanteil in der Oberschicht und die hohe genetische Spreitung in Naturverjüngungen blieb der Gemeindewald bisher von der Kahlflächenproblematik verschont. Es fehlen aber selbstredend an manchen Orten die ehemalige Mehrschichtigkeit (die Fichtenbestände sind weitgehend abgestorben, durch das Eschentriebsterben haben wir flächige Verluste in den Verjüngungen.)

Durch die zumeist eher verteilt auftretenden Buchenschäden haben wir zwar hohe Totholzanfälle (in etwa einem Jahreshiebssatz, daher nur das nötigste an Erhaltungspflege für die Hoffungsträger im Klimawandel, sonst Aufarbeitung der toten Fichten und Buchen zur Verkehrssicherung und Sicherung der weiteren Begehbarkeit der Bestände).

Jedoch entsteht durch die Verteilung vorerst kein Handlungsbedarf bezüglich Nachpflanzungen. Allerdings muss die vorhandene Naturverjüngung jetzt in die Lücken wachsen können, möglichst ungebremst, da wir nicht mehr so viel Zeit haben, auf spätere Individuen zu setzen, d.h. insbesondere die Jagd muss jetzt verstärkt werden, da wir nicht auf der ganzen Fläche Zäune errichten können.

Zum Glück hat uns die Natur mit reichhaltigem Angebot an Eichen- und Hainbuchenkeimlingen beschenkt, die Klimabaumarten, die bei einer weiteren Verschiebung zu Trockenheit im Sommer bei uns noch wichtiger werden."

Fotos (c) Dieter Gürz

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