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Das Nordbayerische Jugendblasorchester brillierte in den Veitshöchheimer Mainfrankensälen unter seinem neuen Dirigenten Florian Unkauf mit einem eindrucksvollen Konzert der Spitzenklasse

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Das Jugend-Auswahlblasorchester des Nordbayerischen Musikbunds (NBMB) gastierte am Samstagabend in den Mainfrankensälen in Veitshöchheim. Mit enormer Spielfreude und außergewöhnlicher Präzision und Harmonie bereiteten 70 Musikstudenten und ambitionierte Laienmusiker aus 43 Musikvereinen aus ganz Franken und der Oberpfalz im Alter von 15 bis 27 Jahren den rund 120 Zuhörern einen wunderbaren, vielseitigen und höchst anspruchsvollen sinfonischen Konzertabend.

Nach 30 Jahren unter der Leitung des Gründers Professor Ernst Oesterreicher stand dabei das Nordbayerische Jugendblasorchester (NBJBO) dieses Jahr erstmals unter einer neuen Leitung. Beim Jubiläum im November letzten Jahres erfolgte sein Rücktritt und die Übergabe an den neuen Dirigenten Florian Unkauf, der seit Oktober 2017 Lehramt für Musik an Gymnasien mit dem Hauptfach Posaune an der Hochschule für Musik in Würzburg studiert.

Als Gastdirigenten für diese Konzertphase konnte Dirigent Unkauf den bundesweit renommierten Dozenten für Dirigieren an der Berufsfachschule für Musik in Krumbach (Schwaben) Franco Hänle gewinnen, der mehrere sinfonische Blasorchester der Höchstklasse leitet.

Den beiden Dirigenten gelang es, das Beste aus den festlich in schwarz gekleideten Musikern herauszuholen und sie zu Spitzenleistungen zu animieren. Gemeinsam  präsentierten sie dem Publikum ein abwechslungsreiches und spannendes Programm von Opernmusik, traditioneller Blasmusik bis hin zu Pop- und Filmmusik und kreativer symphonischer Blasmusik zeitgenössischer Komponisten. 

Ein ähnlich gravierender Umbruch wie in der musikalischen Leitung erfolgte mit 21 neuen Mitgliedern auch im NBJBO.  Verabschiedet hatten sich im November letzten Jahres bis auf den 27jährigen Klarinettisten Tobias Bischof aus Rottendorf auch die übrigen fünf Mitglieder des NBJBO-Vorstandes. Gleichwohl  konnten nun auch beim Gastspiel in Veitshöchheim die nur wenigen Zuhörer die außergewöhnliche Qualität, den jugendlichen Elan und die engagierte Arbeit des Orchesters erleben. Wenn man bedenkt, dass jeder der 70 Musiker von Eltern oder Freunden begleitet wurde, dann fand das Konzert mangels adäquater Werbung quasi fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit ohne jegliche Polit-Prominenz statt.

Symbolisch für  diesen Neubeginn des Nordbayerischen Jugendblasorchesters stand denn auch nach der Pause die mit  leuchtendem Blech und vollmundigen Holzbläserklängen  schillernd orchestrierte Melodie  "Aufbruch", die Rolf Rudin (*1961), zeitgenössisch für die "Niedersächsischen Musiktage 2008" in einer sehr emotionalen und lebendigen Art und Weise mit einem aufregenden Schluss komponiert hatte. Viele Kammermusik-, Chor- und Orchesterwerke von Rodin, der in Frankfurt am Main und Würzburg studiert hatte, wurden auf deutschen und internationalen Wettbewerben prämiert und finden sich mittlerweile auf den Konzertbühnen Europas, den USA, Kanadas, Chinas und Japans.

 Voll im Griff hatten Gastdirigent Hänle vor der Pause und der neue Bundesdirigent Unkauf nach der Pause als exzellente Könner am Dirigentenpult die von ihnen zu einem homogenen Klangkörper geformten Jungmusiker, die zunächst zwei Oberstufen-Stücke zum Besten gaben, so zu Beginn die 16minütige Opernmusik "La Fanciulla del West" von Giacomo Puccini (1858 – 1924) in einem Arrangement von Johan de Meij. Puccini hatte mit diesem romantischen Liebesdrama mit Wild-West-Kolorit nach dem Erfolg von Madame Butterfly erneut ein Bühnenstück von David Belasco vertont, bei dem es um die Liebesbeziehung einer Bardame Minnie mit einem Räuberhauptmann geht. Mit avancierter, hochemotionaler Klangdramaturgie spitzt Puccini seine Oper auf die Frage zu, was stärker sei Recht oder Liebe?

Ein liebliches, verträumtes Kurz-Werk ist auch "The Seal Lullaby" (Schlummerlied der Robben) aus dem Jahr 2011 von Eric Whitacre (*1970) im durch Klavierspiel sanft schaukelnden Rhythmus einer Mutter, die ihr Kind in den Schlaf wiegt. Der amerikanische Komponist und Dirigent mit Masterabschluss in Komposition an der berühmten Juilliard School In New York erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine kreative Musik.

Kraftvoll und ausdrucksstark mit längerem Klarinetten- und Xylophon-Solo zu Beginn erklang dann die über 16 Minuten dauernde zweisätzige Sinfonie der Höchststufe "Give us this day". Es ist dies eine buddhistische Inspiration, mit der David Maslanka (1943 – 2017) die Fähigkeiten des modernen Bläserensembles voll ausnutzt. Der langsame Anfangssatz "Moderately slow" ist ein düsterer Traum mit innerer Skepsis über die Zukunft mit schnellen Wechseln von Dur und Moll-Akkorden. Der zweite Satz "Very fast" ist ein energiegeladenes Allegro, eine positive Klangsprache, die Hoffnung für die Zukunft unseres Planeten symbolisieren soll und mit einem stürmischen Choral, der transzentralen Erleuchtung mit strahlenden C-Dur-Klängen endet. 

Nach dieser anspruchsvollen Komposition setzte das Orchester nach der Pause einen Kontrast mit traditioneller Blasmusik,  dem bekannten, in neuer Instrumentation sehr effektvollen "Königsmarsch". Dieser sechsminütige militärische Festmarsch der Oberstufe von Richard Strauss (1864 – 1949) wurde von ihm  1906 in Berlin "in tiefster Ehrfurcht" seiner Majestät dem Kaiser und König Wilhelm II. zu Ehren uraufgeführt.

Ganz in der Tradition großer Filmmusiken stand dann den Bogen zum Hauptwerk "Give us this day" des ersten Teils schlagend, die genauso eindrucksvolle Ouvertüre "Transcendent Journey" (eine metaphysische musikalische Reise außerhalb der Sinneswahrnehmung) des amerikanischen Filmkomponisten  Rossano Galante (*1967) aus dem Jahr 2010, ein musikalisches Abenteuer, das heroisch und schwungvoll  mit hoch aufsteigenden Trompeten beginnt und Flöten mit gefühlvollen Aspekten fortsetzen, dem ein langsamer von Wehmut und Sehnsucht geprägter Teil folgt, bevor Posaunen und Trompeten die Reise mit einem Hochgefühl der Erfüllung im Tutti beenden. Ein Beispiel dafür, wie Galantes über 50 Filme sich als Auftragskompositionen namhafter Ensembles aus den ganzen Vereinigten Staaten sowohl bei Musikern als auch beim Publikum großer Beliebtheit erfreuen.

Im Stile eines Filmorchesters begeisterte dann das NBJBO zum Abschluss mit  einem 15minütigem Popmusik-Medley "Das Beste" von Udo Jürgens (1934 – 2014), das Stabfeldwebel Guido Rennert,  Klarinettist des Musikkorps der Bundeswehr, im Jahr 2016 als Auftragswerk für seinen Arbeitgeber mit dem Schwierigkeitsgrad der Höchststufe 5 arrangiert hatte.  Diese große Ansprüche an das Blasorchester und die Besetzung gleichermaßen stellende wunderbare Musik von Udo Jürgens mit den unter seinen über 1.000 Liedern ausgewählten Titel "Gestern, Heute und Morgen", "Ehrenwertes Haus", "Siebzehn Jahr, blondes Haar", "Heute beginnt der Rest deines Lebens", "Aber bitte mit Sahne", "Mit 66 Jahren", "Merci Cherie" und "Ich bin dafür" bestach besonders mit ihren Solos in Alt, Harfe,  Tenorsax, Basstrompete, Trompete, Altflöte, E-Gitarre, Posaune, ein tolles Klangerlebnis. Es war für die Zuhörer quasi ein Vorgeschmack auf den Kinostart des auf dem Musical "Ich war noch niemals in New York" basierenden gleichnamigen Films am 17. Oktober 2019.

Beeindruckt von der phänomenalen Leistung der Nachwuchsmusiker forderte das Publikum mit Standing Ovation zwei Zugaben, die Dirigent Florian Unkauf mit seinem Orchester gern gewährte, so zunächst den wohlklingenden "knackigen" Marsch "Danubia" des österreichisch-ungarischen Regimentskapellmeisters Julius  Fučík (1872-1916), eine Hommage an die Donau, ein Stück, so facettenreich wie die Strömung, die sich ihren Weg durch das Flussbett bahnt.

Einen ganz anderen, alle mitreißenden Sound kredenzten die Musiker mit der zweiten Zugabe "Joropo" aus der Feder des venezolanischen Pianisten und Komponisten Moisés Moleiro Sánchez, geschrieben im Stil eines traditionellen venezolanischen Tanzes, vor rund 300 Jahren in den Llanos (Feuchtsavannen) Südamerikas entstanden. Der Niederländer Johan de Meij (*1953) orchestrierte Joropo für das Simón Bolívar Youth Wind Orchestra.

Nach einem Probenwochenende bereits Mitte Mai in Burgebrach hatten sich die Auswahlmusiker seit Sonntag unter den Fittichen der beiden Dirigenten eine Woche lang in der Bayerischen Musikakademie Hammelburg in 45 Übungsstunden sehr intensiv auf das Konzert in Veitshöchheim vorbereitet und die vorstehend beschriebenen Werke der internationalen Blasorchesterliteratur einstudiert.

Montags und dienstags probten mit ihnen die Instrumental-Dozenten Corinna Nollenberger (Flöte), Thomas Lampert (Klarinette), Jos Zegers (Oboe & Fagott), Dominik Landmann (Saxophon), Markus Hein (Waldhorn),  Manuel Scheuring (Trompete), Thomas Joha (Posaune), Florian Unkauf (Tiefes Blech) und Franco Hänle (Schlagzeug), wurden technisch knifflige Stellen erarbeitet, an der Intonation gefeilt, das Rhythmusgefühl und dynamische Feinheiten geschult.

24 verschiedene Instrumente waren im Orchester vertreten mit Dominanz der B-Klarinette (16) vor Schlagzeug (7), Waldhorn  und Trompete (je 6), Flöte (4), Altsaxophon, Posaune und Tuba (je 3), Oboe, Bassklarinette, Tenorsaxophon, Flügelhorn und Klavier (je 2) sowie einmal Piccolo, Englischhorn, Fagott, Es-Klarinette, Alt- & Kontraaltklarinette, Baritonsaxophon, Bariton, Tenorhorn, Kontrabass, Harfe und E-Gitarre.

Aus dem Landkreis Würzburg dabei waren der Posaunist Aaron Bauer (Blaskapelle Giebelstadt), der Es-Klarinettist Tobias Bischof (Musikkapelle Rottendorf), der B-Klarinettist Joshua Selby (Musikverein Frohsinn Essfeld) und die Waldhornistin Hannah Kleinhenz (Musikverein Unterpleichfeld).

Dem 27jährigen gebürtigen Rottendorfer Tobias Bischof oblag als letztem Mitglied des alten sechsköpfigen Vorstandes des NBJBLO mit seinen neuen Teamkollegen federführend die Organisation der Fortbildung in Hammelburg und den Konzertauftritten in Veitshöchheim und tags darauf in Bamberg. Der wissenschaftliche Mitarbeiter und Doktorand der anorganischen Chemie der Uni Würzburg hat das Klarinettenspiel in der Rottendorfer Musikschule gelernt und dann jahrelang auch in der örtlichen Musikkapelle mitgespielt. Über das Kreisorchester fand er dann 2013 nach einem erfolgreichen Probevorspiel Zugang zum NBJBO und ist seit vier Jahren im Orga-Team. Wegen Erreichen der Altersgrenze war das diesjährige Konzert nun sein letztes. In starker Erinnerung hat er noch die "Meistersinger-Ouvertüre" bei seinem ersten Konzert im 25. Jubiläumsjahr des NBJBO, ebenso auch das nach seinen Worten sehr schöne 30jährige Jubiläum im letzten Jahr. Als einen weiteren Höhepunkt nannte er 2017 die Aufnahme einer CD im Tonstudio des Bayerischen Rundfunks in München.

 

Eine der Jüngsten in den Reihen des NBJBO ist die 16jährige Hannah Kleinhenz aus Unterpleichfeld, die Tochter des NBMB-Geschäftsführers Andreas Kleinhenz. Sie lernte das Waldhorn seit der dritten Klasse in der Bläserklasse des Musikvereins Unterpleichfeld. Sie arbeitete sich dann durch alle Lehrgänge, bis sie im Besitz des Gold- bzw. D3-Abzeichens des NBMB war, der sie zur Teilnahme am Probespiel im letzten Jahr berechtigte. Mit Tonleitern und Dreiklängen in Dur und Moll, einer Etüde und einem Konzertstück stellte sie als 15jährige unter Beweis,  dass sie die Voraussetzungen für das hohe musikalische Spielniveau des Orchesters entspricht. Hannah: "Die Anforderungen, die an einen gestellt werden, sind beim ersten Mitspielen schon sehr hoch. Aber man wächst dann schon rein, es macht alles Sinn und natürlich auch Spaß." Einen großen Umbruch habe natürlich der Wechsel bei den Dirigenten und im Orchester-Vorstand gebracht. Die Proben mit den beiden jungen Dirigenten seien komplett ganz anders als im Vorjahr verlaufen. Sie habe sehr viel Neues lernen können. Am meisten gefordert habe sie die beiden 16minütigen Einstudierungen von Puccini und Maslanka. Bei Puccini habe sie sehr auf die Gestik des Dirigenten achten müssen, um daraus Musik zu machen, während bei Maslanka dafür schon die Beschreibung in den Noten ausreichte.

"Wir sind immer auf der Suche nach jungen, engagierten Musikerinnen und Musikern, die Interesse haben, im Nordbayerischen Jugendblasorchester mitzuwirken", wirbt der neue Bundesdirigent Florian Unkauf um Nachwuchs.

Ein Gastspiel gab bei einigen Stücken, keinem Blasorchester angehörend, der Harfenist Nico Rosenberger aus Veitshöchheim, der vor zwei Jahren am Gymnasium Veitshöchheim sein Abitur absolvierte und sich bei zahlreichen Kammerkonzerten einen Namen machte. Er studiert nun Zahnarzt und spielt wie der Rottendorfer Tobias Bischof im Akademischen Sinfonie-Orchester der Universität Würzburg.

 

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