Ein außergewöhnlicher Theaterabend - Oberstufenschüler des Gymnasiums Veitshöchheim erweckten in Eigenregie anspruchsvolle Gruselgeschichten zu schaurig-poetischem Leben
Imponierendes Projekt "Zu Asche zu Staub - ein literarischer Totentanz" der Theatergruppe der Oberstufe am Gymnasium Veitshöchheim - Eine selbst entwickelte Collage aus Kurzgeschichten und Gedichten von Edgar Allan Poe, Charles Baudelaire, Theodor Fontane, Hans-Heinz Ewers und Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau
Die berühmte Erzählung „Die Maske des roten Todes“ von Edgar Allan Poe bildete den Rahmen eines außergewöhnlichen Theaterabends, den die 18 Schülerinnen und Schüler der Klassen 10-12 am Gymnasiums Veitshöchheim unter dem Titel „Zu Asche, zu Staub“ selbst zusammengestellt und auf die Bühne gebracht haben.
Während im ganzen Land die Pest wütet, zieht sich Prinz Prospero (Anton Höfler) mit seinen Getreuen in eine hermetisch geschlossene Abtei zurück und lässt die Tore zuschmieden, damit niemand hinein oder heraus kann. In vermeintlicher Sicherheit feiert der Prinz mit seinen Gefolgsleuten ununterbrochen Maskenfeste.
Durch Musik, Tanz und Theater versuchen sie jeden Gedanken an die drohende Gefahr zu verbannen. Mit der Maske ziehen sich die Menschen zurück in bunte Fantasiewelten, um der tristen Realität zu entfliehen, um den Gedanken an die eigene Sterblichkeit zu verdrängen.
Als Erzähler agieren auf hoher Warte über der Aula Clara Sauerbrei, Katrin Leimkötter und Amélie Saul.
Eine stündlich schlagende Uhr erinnert die Gesellschaft aber immer wieder daran, dass sie dem Tod nicht entgehen wird.
In diesen Kontext fügt sich das von Josefine Feiler als Allegorie der Zeit vorgetragene Gedicht "Die Uhr" des französischen Lyrikers Charles Baudelaire (1821-1867) , welche die Unbarmherzigkeit der ständig fortschreienden Zeit thematisiert.
Unterstützt wurde die Theatergruppe durch die Schulband unter Leitung von Wolfgang Cimander, welche den titelgebenden Song „Zu Asche, zu Staub“ aus der Fernsehserie „Babylon Berlin“ intonierte, während das Fest des Prinzen Prospero auf seinen delirierenden Höhepunkt zusteuerte. Der erst kürzlich in den Charts erschienene von Josefine Feiler gesungene Song drückt das Lebensgefühl einer Gesellschaft aus, die im Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit das Leben genießt.
Stürmisch wird die Sängerin von der Gesellschaft gefeiert, die in bester Clubtanzmanier dazu mittanzt. "Zu Asche, zu Staub, dem Licht geraubt, doch noch nicht jetzt, Wunder warten bis zuletzt“, singt sie, während der Saal in Ekstase gerät. Die Musik schraubt sich dramatisch bis zum Höhepunkt. Mit dem letzten Akkord verschwindet die Sängerin von der Bühne.
Das Motiv des "memento mori" zieht sich durch alle anderen Texte vom Barock bis ins 20. Jahrhundert und bildet den roten Faden des Abends. Eine Besonderheit bestand darin, dass die Schüler selbst Textfassungen und Regiekonzepte für die einzelnen Bausteine des Abends entwickelt haben, nachdem sie sich zuvor mit modernen Theatertheorien auseinandergesetzt hatten.
So erprobten sie die verschiedensten theatralen Mittel wie Schattenspiel, Pantomime, Bewegung, Tanz, Klang, Live-Musik oder chorisches Sprechen, um die Geschichten und Gedichte zu schaurig-poetischem Leben zu erwecken.
Es handelte sich also nicht um ein traditionelles Theaterstück mit festen Rollen, sondern experimentiert mit modernen Formen, insbesondere mit den Möglichkeiten eines größeren Darsteller-Kollektivs.
Angeleitet wurden die Schauspieler dabei von Thomas Lazarus (3.v.r.), der neben seiner Tätigkeit als Lehrer auch künstlerischer Leiter der Theaterwerkstatt und Lehrbeauftragter für szenisches Spiel an der Universität ist. Lazarus: "Die einzelnen Bausteine basieren auf Konzepten der Schüler. Sie wurden in der Gruppe solange verändert, transformiert und weiterentwickelt, bis keiner mehr wusste, was von wem stammt."
Der Abend wurde so dominiert von literarisch anspruchsvollen Gruselgeschichten.
Die Geister-Ballade "Silvesternacht" von Theodor Fontane über den damals weit verbreiteten Brauch, den künftigen Gatten durch ein Festmahl herbeizulocken variiert das bekannte Thema vom Tod und dem Mädchen auf besonders schaurige Weise, gespielt von Lina Friederich (Mädchen) und Marcel Spieß (Bräutigam).
In Poe's "Fass Amontillado" erzählt Ich-Erzähler Montresor (als Darstellerkollektiv Maria Gryaznova, Tammy Kästner und Caroline Djossou) eine rätselhafte Rätselfantasie, welche darin gipfelt, dass Montresor den verhassten Fortunato (Anton Höfler), der sich für seinen Freund hält, während des Karnevals in das Gewölbe unter seinem Palazzo lockt, um ihn dort als Rache für erlittene "tausendfältige Unbill" lebendig hinter einer Schiebewand zu begraben.
Dazwischen gestaltete das Ensemble Gedichte als vielstimmiger Sprechchor und erzeugte so raffinierte Klangwirkungen wie beim Gedicht "Traumland", ebenfalls von Poe, das einen Alptraum schildert, der weniger durch seinen Inhalt, als vielmehr durch Klangwirkungen Gänsehaut erzeugt.
In der Schauernovelle „Die Spinne“ von Hans Heinz Ewers wurde die gefährliche Beziehung zwischen einem Studenten und einer geheimnisvollen Spinnenfrau in suggestiven pantomimischen Szenen veranschaulicht (in Szene gesetzt vom Chor Leon Müller, Tammy Kästner, Valentina Lutz, Theresa Zollner und Antonia Busch).
Am Ende wird der Student (Justus Odoj) zum Opfer seiner bedingungslosen Leidenschaft und folgt der Aufforderung der Spinnenfrau (Louisa Mia Lutz), mit einem Strick um den Hals aus dem Leben zu scheiden.
Mit dem Barockgedicht "Vergänglichkeit der Schönheit" (Schönheit gespielt von Lina Friederich) von Christian Hoffmann von Hofmannswaldau setzte die Gruppe um, dass das Äußere vergänglich und somit nichtig ist, innere Werte dagegen beständig und regte damit an, über den Tod und Oberflächlichkeit nachzudenken. Den Chor bildeten Amelie Saul, Katrin Leimkötter, Antonia Busch und Leon Müller.
Poes berühmtestes Gedicht "Der Rabe" (Caroline Djossou als Schattengestalt) versinnbildlicht Trauer und Hoffnungslosigkeit angesichts des Verlusts durch einen geheimnisvollen Vogel. Als Sprecher agieren Carolina Schindler, Louisa Mia und Valentina Lutz.
In Poes Erzählung „Das verräterische Herz“, erzählt die Geschichte eines Mörders, der keinen nachvollziehbaren Grund für seine Tat angeben und scheinbar nur von seinen Wahnvorstellungen geleitet wird. Der mörderisch-wahnsinnige Ich-Erzähler wird von den fünf Darstellern Theresa Zollner, Lina Friedrich, Josefine Feiler, Marcel Spieß und Michelle Samoticha zugleich verkörpert.
Maria Gryaznova in der Rolle des "Roten Todes"
In Teil 2 "Die Maske des Roten Todes" nimmt die Handlung erwartungsgemäß ein böses Ende.
Gleichwohl waren die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler beim Schlussapplaus bester Laune und zurecht stolz auf ihre beeindruckende Performance, welche ihnen nicht nur schauspielerisch, sondern auch konzeptionell und organisatorisch viel abverlangt hatte. Das Publikum honorierte es in beiden Vorstellungen mit nicht enden wollendem Applaus.