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Phänomenales Lehrerkonzert zum 40jährigen Jubiläum der Veitshöchheimer Sing- und Musikschule - 16 Musiklehrer zogen alle Register ihres meisterlichen Könnens

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Das letzte Mal brannte die gesamte Lehrerschaft der Sing- und Musikschule Veitshöchheim (SMSV) in der Aula der Grundschule im Mai 2017 bei der Verabschiedung der langjährigen Leiterin Dorothea Völker  ein musikalisches Feuerwerk ab. In den besonderen Hörgenuss von 90 Minuten exzellenter und außergewöhnlicher Musik eines Lehrerkonzerts kamen nun am Freitagabend die zahlreichen Besucher an gleicher Stelle.

Völkers Nachfolgerin Christina Stibi präsentierte in der Reihe der Veranstaltungen zum 40jährigen Jubiläum der SMSV in diesem Jahr ein kontrastreiches Programm von Kammermusik bis zur Moderne, bei dem ihre Kolleginnen und Kollegen im harmonischen Zusammenspiel in unterschiedlichen Besetzungen alle Register ihres meisterhaften Könnens zogen.

Die Musikschulleiterin philosophierte zwischen den Beiträgen über die Macht der Musik, wie sie auf den Menschen wirkt, dass sie mehr als nur ein schöner Zeitvertreib ist, Balsam für die Seele sein kann, das Gehirn mobilisiert und Glückshormone produziert.

Zur Eröffnung brillierten von r.n.l. Christian Stapff (Gesang), Dominik Heidinger (E-Bass), Achim von Bassen (Schagzeug), Christopher Schneider (Saxophon), Klaus Wangorsch (Trompete) und Waldemar Oberst (Klavier)

 

mit der stimmungsvollen, von tollen Trommelwirbeln begleiteten Funky-Version "Mercy, Mercy, Mercy" des österreichischen Jazzkomponisten Joe Zawinul aus dem Jahr 1966.

Sein Debüt gab hierbei als neuer Musiklehrer der SMSV der Trompeter Klaus Wangorsch (links), der aufgrund seiner großen stilistischen Bandbreite eine rege Konzerttätigkeit in den Bereichen Jazz, Soul, Funk, Pop verfolgt und sehr gefragt ist bei Theaterproduktionen und Studioproduktionen für Rundfunk und Fernsehen.

Mit dem Gitarristen Oliver Thedieck hat Stibi vor einem Jahr einen weiteren Glücksgriff getan. Sie hat mit ihm einen gefragten Solisten und Kammermusiker mit spezieller Berücksichtigung der zeitgenössischen und auch südamerikanischen Musik im Lehrerkollegium, der bei zahlreichen Konzerten im In- und Ausland sein Publikum begeistert, so auch schon bei den Veitshöchheimer Sommerkonzerten im Synagogenhof.

Als Kontrast zum jazzigen Eröffnungsstück spielte Thedieck, erstmals im Duett  mit der langjährigen SMSV-Lehrerin Leonore Ringlein (Querflöte) das melancholische Instrumental "Progresiones  para Pauline" des  zeitgenössischen argentinischen Komponisten José Luis Merlin, der das Stück dem Leben seiner Freundin Pauline Lasse widmete, die für den Council of Human Rights in Lateinamerika gearbeitet hat.

Musikschulleiterin Stibi: "So tolle Gitarrenklänge gab es schon lange nicht mehr."

Einen kongenialen Partner hatte Thedieck im Kontrast zur klassischen Querflöte dann mit dem Schlagzeuger Achim von Bassen gefunden. Im Duett faszinierten die beiden Musiker mit dem rhythmischen "Po de Mico" (Juckpulver) mit abwechselnden tollen Solopassagen aus dem Genre Choro von  João Pernambuco, einer Mischung aus Straßen- und klassischer Musik.  Choro ist ein durch die brasilianische Volksmusik inspirierter Musikstil, der in den 1920er und 1930er Jahren sehr populär wurde und es immer noch ist.

João Pernambuco wurde 1883 in Jatobá, Pernambuco, als Mitglied einer großen Familie geboren (er hatte 19 Geschwister). Nachdem seine Mutter 1904 verstorben war, zog er nach Rio de Janeiro, um sein Glück zu suchen. Obwohl er Analphabet war und die Gitarre vom Zuhören und Beobachten von Straßenmusikern in seiner Heimat gelernt hatte, erwarb sich Pernambuco eine große Erfahrung in der Populärkultur. Das einfache Leben in der Minderheit gehörte zu seiner Karriere - er verdiente seinen Lebensunterhalt als Schmied, der Schuhe für Pferde herstellte, wenn er nicht lehrte, komponierte und aufführte.

Eine besondere Note gab Thedieck mit seiner Gitarre schließlich auch als Angehöriger eines Streichquartetts  mit v.l. Eva Passas (Geige), Rainer Nürnberger (Bratsche) und Andreas Franzky (Cello) der außergewöhnlichen kammermusikalischen Interpretation von Joseph Haydn's "Quartett in D-Dur", 1. Satz in der Version mit Gitarre (ursprünglich Barocklaute) mit Oktavversetzungen im Bassbereich. Wie Thedieck sagte, bereite es ihm einen Riesenspaß mal mit "richtigen" Instrumenten zusammenzuspielen.

Und die drei Streicher hatten sich für ihr hochvirtuoses Spiel auch noch als Variante die Akkordeonistin Karoline Winter mit in ihre Reihen geholt. Exotisch anmutend ließ das Quartett die "5. Bagatelle op. 47" erklingen, die Antonin Dvorak im Jahr 1878 als Hausmusik mit Harmonium komponiert hatte. Das Harmonium hatte damals hohe Konjunktur als ein Instrument der Hausmusikkultur. Erst im Jahr 1829 in Wien zum Patent angemeldet, trat das Akkordeon seinen Siegeszug durch Europa an. Da die Originalkompositionen im 19. Jahrhundert noch rar waren, schlug die Stunde für die zahllosen und oft auch raffinierten Bearbeitungen bekannter Melodien, so auch Dvoraks 5. Bagatelle in Bearbeitung für Streichtrio und Akkordeon.

Schließlich gesellten sich sowohl der Gitarrist Thedieck als auch die Akkordeonistin Winter zu den drei Streichern Passas, Nürnberger (beide Geige) und Franzky (nun mit Kontrabass), um begleitet von Christina Stibi am Klavier mit "Oblivion" von Astor Piazolla mit tollen Klängen das Publikum zu faszinieren.

Der Argentinier Astor Piazzolla (* 1921   † 19982), ein Wanderer zwischen den Welten der Klassik, des Jazz und seiner ursprünglichsten Musik, dem Tango, schuf durch Verschmelzung dieser Einflüsse  in den 1950-er Jahren seinen Nuevo Tango, der dank ihm die Welt eroberte.

"Oblivion" (Vergessen) ist das klassische Beispiel eines langsamen Tangos, der sich zum klassischen Konzertstück wandelte. In der Urfassung erhebt sich über dem Klangteppich der Streicher das Solo des Bandoneons, jener argentinischen Form von Akkordeon, das Piazzollas ureigenstes Instrument war.

Höchst progressiv und jazz-rockig wurde es zwischendurch, als Dominik Heidinger (E-Gitarre) und Waldemar Oberst (E-Piano) das Metal-Instrumental "Selenium Forest" des Australiers Plini aus dem Jahr 2013 zu Gehör brachten.

PLINI, der mit bürgerlichem Namen Plini Roessler-Holgate heißt, wurde 1992 in Sydney, Australien geboren. Als er 20 Jahre alt war, veröffentlichte er seine erste Single mit dem Namen „Moonflower“ auf der Internetplattform Bandcamp. Er ist ein Musiker, der alleine mit seiner Gitarre unterwegs ist: PLINI macht Instrumentalrock und Progressive Metal. 

Beim achten Programmpunkt "Baroque And Blue" von Claude Bolling (*1930) war dann auch bei dieser originellen Klang-Formation mit Andreas Franzky (Kontrabass), Leonore Ringlein (Querflöte) und Achim von Bassen (Schlagzeug) erstmals auch Daniel Delgado am Klavier mit von der Partie.

Dieses  Stück des stark von Duke Ellington geprägten Franzosen Bolling, der in seinen Kompositionen Jazz und Klassik fusionierte, bescherte dem Publkum ein außergewönliches Klangerlebnis, wo ein jeder im Wechsel sein Instrument höchst virtuos zum Brillieren brachte, von den Zuhörern mit stürmischen Applaus bedacht. Es war schon erstaunlich, wie beispielsweise Achim von Bassen seinem Schlagzeug auch ganz dezente Töne entlockte.

Krönender Abschluss war dann der eine Naturidylle beschreibende  finnische Song "Vor i Vaglaskógi" von Kaleo, bei dem alle Instrumentalisten ein famoses Orchester bildeten, gesanglich begleitet von Christian Stapff und Christina Stibi und optisch von Marion Baudler-Mjartan (Lehrerin für musikalische Früherziehung) als Vortänzerin, das ganze arrangiert von Christian Stapff.  Bis auf eine erkrankte Lehrkraft war hier das gesamte Lehrerkollegium im Einsatz.

Keine Frage das die Profi-Musiker nicht ohne die stürmisch geforderte Zugabe von der Bühne kamen.

Phänomenales Lehrerkonzert zum 40jährigen Jubiläum der Veitshöchheimer Sing- und Musikschule - 16 Musiklehrer zogen alle Register ihres meisterlichen Könnens

Der Dank der Musikschulleiterin galt neben ihrem engagierten Lehrer-Team besonders auch dem Förderverein mit der Vorsitzenden Ute Hümpfner an der Spitze, die Künstler und die  Besucher zu Beginn des Konzertes und danach mit Getränken und Leckereien verwöhnten.

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