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Evangelische Militärseelsorge am Standort Veitshöchheim feierte mit Militärbischof 50jähriges Bestehen

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Erinnerungsfoto 50 Evangelische Militärseelsorge am Standort Veitshöchheim  v.l.n.r.  Bürgermeister Jürgen Götz, Militärpfarrer Johannes Müller, Militärbischof Dr. Sigurd Rink aus Berlin, Regionalbischöfin Gisela Bornowski aus Ansbach, Generalmajor Bernd Schütt und Altbürgermeister Rainer Kinzkofer. 

Als kleinen Dank und als sichtbare Anerkennung für seine wichtige Arbeit und das persönliche Engagement im Christlichen Dienst am Nächsten überreichte der Kommandeur der 10. Panzerdivision an den Standortpfarrer Jochen Müller ein Glasbild, versehen mit Glückwünschen und Erinnerungsfotos.

In der Balthasar-Neumann-Kaserne (BNK) wurde heute von Soldaten und zivilen Mitarbeitern aus den Standorten Veitshöchheim und Volkach und kleineren Dienststellen sowie vielen Ehrengästen das 50jährige Bestehen der Evangelischen Militärseelsorge Veitshöchheim gefeiert.

Zum zweiten Mal innerhalb von sechs Wochen konnte der Veitshöchheimer Militärpfarrer Johannes Müller zum Goldenen Jubiläum erneut Deutschlands evangelischen Militärbischof Dr. Sigurd Rink aus Berlin willkommen heißen. Der Militärbischof zelebrierte zu Beginn der Jubiläumsfeier  im Speisesaal der Kaserne zusammen mit Müller und der Regionalbischöfin Gisela Bornowski aus Ansbach den vom Heeresmuskkorps Veitshöchheim musikalisch umrahmten Gottesdienst (Interview mit dem Militärbischof weiter  unten).

Divisionskommandeur Generalmajor Bernd Schütt stellte fest, dass die Militärseelsorge ein fester und nicht mehr wegzudenkender Teil der Kaserne ist, eine angesehene und beachtete Größe in der Garnisonsgemeinde darstellt und auch "in finsterer Zeit" Orientierung und Unterstützung für alle Bundeswehrangehörigen in der Heimat und im Einsatz bietet.

Nicht hoch genug einzuschätzen, so der Kommandeur, sei die seelische Betreuung der Kameraden im Auslandseinsatz, die dort in ihrer Freiheit eingeschränkt, unter Gefahr für Leib und Leben, unter zum Teil extremen klimatischen Bedingungen ihren Dienst für die BRD, für Frieden und Freiheit leisten.

Schütt verwies darauf, dass neben persönlichen und privaten Schicksalsschlägen, die alle Menschen urplötzlich treffen können, "wir Soldaten quasi von Berufswegen uns auf Situationen einstellen, in denen Tod und Verwundung auch über einen längeren Zeitraum dominieren, Ängste wecken, Handlungen blockieren und Ohnmachtsgefühle auslösen können". Gerade in seiner solchen Situation bedürfe es einer geistigen Stütze und moralischen Halts, um menschliche Orientierung nicht zu verlieren. Die Militärseelsorge diene sowohl im Garnisonsdienst, aber auch in Übung und Einsatz als Ort der Begegnung, des Gesprächs und bei Bedarf auch der Hilfe sowie der Zuflucht für alle Soldaten, aber auch für alle Zivilbediensteten, kurz um jede Seele, die innere Einkehr, Hilfe oder Geborgenheit suche.

Dabei würden die Militärpfarrer hier am Standort nicht darauf warten, dass die Menschen zu ihnen kommen, sondern sie würden ganz im Sinne der christlichen Lehre auf die Menschen aktiv zugehen und den christlichen Glauben hier in der Kaserne erlebbar machen. Hierzu zählen nach den Worten des Kommandeurs Gespräche, lebenskundliche Unterrichte, Rüstzeiten und natürlich die monatlichen Gottesdienste.

Bürgermeister Jürgen Götz rief in seinem Grußwort in Erinnerung, dass nach dem Einzug der ersten Soldaten des Sanitätsbataillons, der Feldjäger- und Nachschubkompanien, des Heeresmusikkorps und weiterer kleinen Dienststellen im Jahr 1965 drei Jahre später zum 1. September 1968 auch die evangelische Militärseelsorge in der Balthasar-Neumann-Kasserne ihren festen Platz fand. Im Austausch zwischen der Bundeswehr mit den Veitshöchheimer Bürgern sei sie stets ein wichtiges Bindeglied gewesen. Götz: "In den vergangenen fünf Jahrzehnten durften wir erleben, dass die Aktivitäten der militärischen Seelsorge sich nicht auf das Gelände hinter Kasernentoren beschränkt, sondern immer wieder auch aktiv den Kontakt zur bürgerlichen Welt sucht". Als Beispiele nannte Götz die Einladungen zur Feier des Erntedankfests oder zur weihnachtlichen Besinnung am Heiligen Abend.

Johannes Müller ist seit 1. März 2010 evangelischer Militärpfarrer in der BNK und für die Betreuung von 500 evangelischen Mitbürgern in Uniform in den Bundeswehrstandorten Ansbach, Aschaffenburg, Hardheim, Veitshöchheim, Volkach und Würzburg zuständig.

Er ist damit seit der Einrichtung einer Seelsorgestelle in der BNK am 1. September 1968 hier der siebte Militärpfarrer. Vor ihm waren hier tätig Werner Plesch (1968 bis 1977), Friedrich Wagner, Dietrich Braun, Friedrich Wunderlich, Karl-Heinz Brendel und Gerhard Zellfelder.

Pfarrhelfer gab es bisher nur drei. Kurt Dollinger verrichtete dieses Amt 34 Jahre lang bis 2002. Ihm folgte Ulrich Sachse und ab 2014 bis heute Markus Schech.

Johannes Müller hatte bisher vier Auslandseinsätze zu bestreiten, jeweils vier Monate 2012 im Kosovo und 2015 in Afghanistan, zwei Monate 2017 in Mali und heuer drei Wochen in Litauen. Am meisten belastet hat ihn bei diesen Einsätzen die Trennung von der Familie. Müller: "Und man kommt als anderer Mensch zurück, wenn man zuvor das intensive soldatische Leben nicht gewohnt war und aus einer reichen Welt kommend sehen muss, wie die Menschen wie in Mali dahinvegetieren müssen."

Es sei aber beileibe nicht alles negativ. Vielmehr würden die positiven Eindrücke überwiegen. Besonders positiv habe er die Kameradschaft und den Zusammenhalt unter den Soldaten schätzen gelernt.

In der Kaserne selbst belaste ihn immer wieder der Tod von Kameraden, sei es durch Unfälle oder Krankheit. Einen großen Stellenwert in seiner seelsorgerischen Tätigkeit hat bei ihm zur Vermittlung ethischer Werte der lebenskundliche Unterricht, den jeder Soldat, von der Mannschaft bis zu den Offizieren, einmal im Jahr in einem Ganztagesseminar absolviert. Denn gerade Soldaten könnten sehr schnell in Grenzsituationen, in Gewissenskonflikte geraten. Sie müssen sicher sein können, dass ihr Handeln nicht nur durch Recht und Gesetz legitimiert ist, sondern auch im Einklang mit ethischen Grundüberzeugungen und ihrem Glauben steht.
Jedes Jahr lädt Müller zu acht einwöchigen Rüstzeiten ein, an der bis zu 60 Soldaten mit ihren Familien teilnehmen. Für Gespräche ist er immer erreichbar. Im Schnitt erreichen ihn pro Woche drei Anfragen. Früher zu Zeiten der Wehrpflicht seien dies noch deutlich mehr gewesen.

Pfarrer Johannes Müller eingerahmt vom Militärbischof Dr. Sigurd Rink und Regionalbischöfin Gisela Bornowski.

Interview von Veitshöchheim News mit Dr. Sigurd Immanuel Rinkseit 15. Juli 2014 Evangelischer Militärbischof, geboren am 20. Oktober 1960 in Frankfurt am Main, verheiratet mit Gabriele Rink, M.A., Musikpädagogin, Lehrerin:

1. Welche Rolle spielt die Militärseelsorge bei der Bundeswehr?

Rink: "Sie ist eine ganz wichtige Ergänzung der verschiedenen Hilfsangebote der Bundeswehr. Im Vertrag der Bundesrepublik Deutschland mit der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge wurde am 22. Februar 1957 im Vollzug der in Artikel 4 Grundgesetz verankerten Religionsfreiheit vereinbart, dass die freie religiöse Betätigung und die Ausübung der Seelsorge in der Bundeswehr zu gewährleisten ist. Die Militärpfarrer kommen dem nach in der Verkündigung, also in Gottesdiensten und Andachten und ganz besonders in der Seelsorge sowie im lebenskundlichen, berufsethischen Unterricht, den ausschließlich die Militärpfarrer erteilen und den alle Soldaten zu durchlaufen haben."

2. Wie hat sie sich die Militärseelsorge  verändert?

Rink: "Die Militärseelsorge hat sich im Laufe ihres 60jährigen Bestehens verändert, wie auch die ganze Bundeswehr, die in starken Zeiten 500.000 Soldaten hatte und heute nur noch zwischen 170.000 und 180.000 Soldaten umfasst. So sind derzeit bundesweit 106 evangelische und 80 katholische Standortpfarrer im Einsatz. Die Seelsorge in der Bundeswehr ist auch weiblicher geworden. Früher hat es das überhaupt nicht gegeben. Kernpunkt der Veränderungen gegenüber den Zeiten des kalten Krieges ist, dass diese wie auch ihre männlichen Kollegen jeweils über vier Monate die 17 Auslandseinsätze der Bundeswehr in Mali, Afghanistan und anderen Orten begleiten, was für alle eine große Belastung darstellt." 

3. Wie wichtig ist die Militärseelsorge bei diesen Auslandseinsätzen der Bundeswehr?

Rink: "Nach dem Sprichtwort "Not lehrt beten" rückt die Religiosität und der Glaube in großen Krisengebieten ganz anders in den Mittelpunkt. So sind bei den Auslandseinsätzen völlig existentielle Herausforderungen und Belastungen da, wo es um Tod und Leben, um Verletzungen und Verwundungen, um Einsatzfolgen wie die posttraumatischen Belastungsstörungen geht. Daher ist auch die Relevanz der Militärseelsorge in und mit den Einsätzen unglaublich gestiegen. Viele der Soldaten kommen heute aus den östlichen Bundesländern und haben daher keine christliche Prägung mehr. Dennoch besuchen sie die Gottesdienste und Andachten, einfach weil sie diesen Moment des Zurruhekommens und das Nachvorneschauen auch für sich brauchen."

4. Was bedeutet ein solcher Auslandseinsatz für die Militärgeistlichen?

Rink: "Er bedeutet zunächst einmal genauso viel Entbehrung, wie bei den Soldaten auch. Sie müssen sich vorstellen, wenn sie einen Einsatz von vier Monaten haben, es dazu auch eine Vor- und Nachbereitung gibt, so dass der Militärpfarrer fast ein halbes Jahr unterwegs ist. Und wenn der Pfarrer dann eine Familie mit heranwachsenden Kindern hat, die vielleicht acht, zwölf und 16 Jahre alt sind, dann stellt das Wegbleiben eines Familienteils für ein halbes Jahr eine unglaubliche Belastung dar. Das muss schon geschultert werden, bis hin, dass in den wirklich gefährlichen Einsätzen die Pfarrer in der Regel auch das Lager, das Camp nicht verlassen können, d.h. kaserniert sind und zudem bei Einsätzen in Mali vier Monate im Sommer 56 Grad im Schatten auszuhalten haben."

5. Wie verkraften die Militärseelsorger diese Belastungen?

Rink: "Solche Einsätze bleiben nicht in den Kleidern stecken. Die Bilder und Erlebnisse, die man dort hat, müssen auch verarbeitet werden. Wir haben deshalb auch für unsere Militärpfarrer Wiedereingliederungseminare. Und es ist in der Tat so, dass in mindestens zwei Fällen, eine Pfarrerin und ein Pfarrer an Einsatzfolgen leiden und eine anerkannte Schädigung haben.

6. Wie steht die Militärseelsorge zur Anwendung militärischer Gewalt?

Rink: "Diese Frage nach der Legitimierung geht in den Kernbereich christlichen Lebens hinein mit dem Gebot "Du sollst nicht töten!" Wie verhält sich das? Hierzu gelten zur Vermeidung von Völkermorden und schwersten Menschenrechtsverletzungen, wie man durch den IS erlebt hat, der Satz des ehemaligen Ratsvorsitzenden "Du sollst nicht töten lassen" und auch heute noch die Worte von Martin Luther in seiner Schrift "Ob Kriegsleute auch im seligen Stand sein können". Gemäß Luthers Aussage muss ein Christenmensch Gewalt meiden und dem Gebot Jesu folgen. Aber er hat auch seiner Schutzverantwortung gegenüber den Menschen, die um ihn sind, seiner Familie, seinem Dorf, seinem Land nachzukommen. Das bedeutet für ihn, dass Krieg und Gewalt nur der Verteidigung, aber niemals dem Angriff dienen darf. Aber im Falle einer Bedrohung hat auch der Christ die Verpflichtung und Verantwortung, andere Menschen zu schützen. Dies kann man verantwortungsethisch durchaus so sehen, wohlwissend, dass viele Christenmenschen auch anderer Meinung sind."

Auszüge aus der Predigt des Militärbischofs Dr. Rink:

  • "Die Welt ist nicht harmlos, sie ist nicht gut geordnet. Und seit Menschen Geschichte machen und aufschreiben, ist es noch niemals anders gewesen."
  • "Glaube ist keine Garantie für weltlichen Erfolg. Glaube verspricht nicht den Sechser im Lotto, erst recht nicht die heile Heimkehr aus gefährlichen Missionen. Und der Pfarrer ist kein Maskottchen."
  • "Evangelium und Valium sind zweierlei. Und die Militärseelsorge ist nicht der Sinnstifter der Armee."
  • "Soldaten haben den berechtigten Anspruch, dass die verantwortlichen Politiker ihnen Sinn und Ziel der Einsätze erläutern. Auch, dass für ordentliche Ausstattung und optimale Ausbildung gesorgt wird."
  • "Nicht die Bundeswehr geht aus Übermut in gefährliche und ferne Länder, sondern der Bundestag beschließt das."
  • "Aufgabe der Seelsorge in der Bundeswehr ist der Mensch. Es tut der Gemeinschaft gut, wenn da einer den Auftrag hat, Menschen zu sehen, zu hören, sie anzureden, jenseits aller militärischen Funktionalität. Dafür sind wir da, seit 50 Jahren in Veitshöchheim."
  • "Wir selbst sind auf Erden nur befristete Gäste. Trotzdem ist es nicht egal und nicht sinnlos, wie Menschen hier zusammenleben. Ob es einigermaßen frei und gerecht zugeht, oder ob Terror und Willkür herrschen."
  • "Militärpfarrer, die den großen Krieger spielen wollen, hätten ihre Aufgabe gründlich missverstanden, würden an den ihnen anvertrauten Soldaten schuldig."
  • "50 Jahre wird hier in aller Freiheit gepredigt: "Gott liebt bedingungslos!"
  • "50 Jahre können Menschen sich mit ihren Fragen, ihrer Ungewissheit und auch ihrer Schuld aussprechen unter dem Siegel der Treue Gottes."
  • "Wir haben Verantwortung, damit diese Welt morgen womöglich ein bisschen freier, ein bisschen menschlicher, ein bisschen vernünftiger wird. Die Bundeswehr leistet dazu einen Beitrag, der Achtung und Dank verdient."

Fotos (c) Dieter Gürz

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