LWG Veitshöchheim testet Wein im Stein - Erobert das Muschelkalk-Fass bald die Winzerkeller?
Wein im Stein l Rund 800 kg bringt das Muschelkalk-Fass ohne Füllung auf die Waage und macht dank seiner modernen Ästhetik neben Edelstahltank und Holzfass eine gute Figur im Versuchskeller der LWG. Deutlich zu sehen sind dabei die dunklen, Wasser führenden Schichten des Fass-Exoten, welcher zu 100 % aus fränkischem Muschelkalk besteht.
Wein im Stein – schon mit dem Beton-Ei bekamen Holzfass und Edelstahltank Konkurrenz im Weinausbau. Und vielleicht erobert bald auch das Muschelkalk-Fass die Winzerkeller in Franken.
Denn nach dem Motto ´Vom Muschelkalk in Muschelkalk´ wird laut Pressemitteilung im Lehr- und Versuchskeller am Institut für Weinbau und Oenologie der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim der Weinausbau in einem 800 kg schweren Muschelkalk-Fass nach allen Facetten der Kunst unter die Lupe genommen.
Wie schlägt sich das nicht ganz alltägliche Fass beim Handling? Schmeckt die Zunge am Ende überhaupt einen Unterschied? Und wie reagieren Muschelkalk und Wein miteinander? Eine Antwort auf diese und viele weitere Fragen suchen derzeit Martin Justus Müller, Technischer Betriebsleiter Weinbau, und sein Team tief im Keller des Weinbauversuchsbetriebes.
Der Mensch dahinter l Martin Justus Müller (35) ist gelernter Weintechnologe und absolvierte 2006 an der Staatlichen Meister- und Technikerschule in Veitshöchheim seine Weiterbildung zum Weinbautechniker. Als Technischer Betriebsleiter des Lehr- und Versuchskellers am Institut für Weinbau und Oenologie der LWG koordiniert er den täglichen Betriebsablauf, ist Ausbilder für die Weintechnologen und Winzer und verantwortlich für den Weinausbau der institutseigenen Weinlinie.
Was darf es sein: Holz, Edelstahl oder vielleicht doch Stein?

Betritt man den Keller, zieht das Muschelkalk-Fass sofort die Blicke auf sich: Dabei besticht das 500 Liter fassende Behältnis mit einer Höhe von einem Meter und einem Durchmesser von 80 Zentimetern nicht durch seine Größe, sondern vielmehr durch sein ganz besonderes Auftreten: Mit einer einfachen, klaren Form, die eine sachliche und funktionale Nüchternheit ausstrahlt und sich in einer insgesamt modernen Ästhetik widerspiegelt, könnte das Muschelkalk-Fass auch als moderne Kunst durchgehen.
Rund 800 kg Leergewicht bringt das Fass auf die Waage, das zu 100 % aus fränkischem Muschelkalk besteht. Das Material wurde dabei bewusst gewählt: Denn Keuper, Buntsandstein und Muschelkalk, das Dreigestirn des germanischen Trias, sind der Stoff, auf dem der fränkische Wein wächst. Dabei fühlen sich Burgunder (Pinot), Riesling und Silvaner auf Muschelkalkböden besonders wohl. „Für den Versuch haben wir uns daher ganz klar für einen Silvaner Jahrgang 2017 aus der Lage Würzburger Pfaffenberg entschieden“, so Martin Justus Müller, Weinbautechniker am Institut für Weinbau und Oenologie (IWO). Um eine sensorische Vergleichbarkeit zu ermöglichen, wird der Silvaner zudem parallel im Edelstahltank konventionell ausgebaut.
Echtes HANDwerk l Wie auch beim konventionellen Weinausbau im Edelstahltank oder Holzfass wird beim sogenannten Widerstich der Jungwein von der Hefe getrennt. Dafür lassen Martin Justus Müller (re.) und Winzer Fabian Nun (li.) den Jungwein nach dem Gärprozess ab, um das Hefesediment, welches sich am Boden des Fasses abgesetzt hat, zu entfernen. Würde die Hefe sich zersetzen, hätte dies negative Auswirkungen auf Geschmack und Geruch des Weines.
Spannende Frage: Was passiert im Fass?
Wie die Gesteinsschicht, hat auch das Muschelkalk-Fass seine ganz besonderen Eigenheiten: „Die dunklen Färbungen an der Außenwand zeigen, dass der Most über die Wasser führenden Schichten seinen Weg nach draußen findet“, erläutert Müller. „Wir möchten am Ende über sensorische Prüfungen nicht nur herausfinden, ob die Zunge einen geschmacklichen Unterschied wahrnimmt, sondern was der Muschelkalk mit dem Wein macht“, so der Technische Betriebsleiter.
Beim Widerstich, also dem Trennen des Jungweines von der Hefe, überzeugte der künftige ´Muschelkalkwein´ mit einer frisch aromatischen, leicht nach Kräutern duftenden Note. „Würde man nicht wissen, dass wir ein Muschelkalk-Fass vor uns haben, könnte man meinen, der Jungwein käme aus einem Edelstahltank“, so der Weinbautechniker nach einem Geruchstest. Mit regelmäßigen Untersuchungen im Fachzentrum Analytik wird zudem geprüft, wie Muschelkalk und Wein miteinander reagieren.
„So wäre es vorstellbar, dass Stoffe aus dem Fass ausgewaschen und so in den Wein gelangen könnten“, mutmaßt Müller. Dies könnte am Ende dazu führen, dass der ausgebaute Wein entweder sensorisch sauber und auch im gesetzlichen Rahmen ist, oder aber auch nicht verkehrsfähig wäre.
Auf keinen Fall wegwerfen l Der nach dem Widerstich abgetragene Hefesatz kommt nicht auf den Müll, sondern wandert als „Energiesnack“ wieder zurück in den Weinberg. Dort profitiert der Boden von den vielen enthaltenen Nährstoffen und dem gebundenen Stickstoff. Aus dem Weinberg in den Weinberg – damit schließt sich der natürliche Kreislauf.
Tiefe Einblicke l Während die sensorische Prüfung im Frühjahr 2018 noch auf sich warten lässt, wird der heranreifende Jungwein mit regelmäßigen analytischen Untersuchungen auf Herz und Niere überprüft. Wie reagieren Wein und Stein? Dr. Martin Geßner vom Fachzentrum Analytik sucht auf diese spannende Frage die Antwort.
Actio gleich Reactio? l Nach dem Ablassen beim Widerstich bleibt ein dunkler Rand an der Innenseite des Fasses zurück. Die glitzernden Weinsteinkristalle an der Innenwand des Muschelkalk-Fasses sind schon jetzt ein erstes Zeichen dafür, dass Wein und Stein eine Verbindung eingehen. Was dabei genau passiert, soll durch sensorische und analytische Untersuchungen herausgefunden werden.
Neues Jahr – neues Glück
Vorfreude ist bekanntlich die beste Freude: Denn nach dem Widerstich ruht der Jungwein jetzt bis zum Frühjahr nächsten Jahres im Muschelkalk-Fass, damit die abschließende Reife und eine entsprechend Aromenbildung abgeschlossen werden können. Bei sensorischen Prüfungen im neuen Sensorikzentrum der LWG soll schließlich herausgefunden werden, was der Wein mit Nase und Zunge anstellt und wie er sich im direkten Vergleich zum konventionell ausgebauten Silvaner aus dem Edelstahltank schlägt.
„Der Ausbau im Muschelkalk-Fass spiegelt dabei die ganze Harmonie von Weinan- und Ausbau wider und verleiht dem Wein eine ganz individuelle Note, die sich sicherlich nicht nur im Geschmack widerspiegelt“, so Martin Justus Müller. Somit erzählt der Wein aus dem Muschelkalk-Fass eine ganz besondere Geschichte, die immer mehr Weingenießer auch hören möchten. Was habe ich im Glas? Welches Handwerk steckt dahinter? Neben Geschmack und Aussehen verleihen vor allem Herkunft und Regionalität dem Wein auf dem hart umkämpften Markt ein entscheidendes Alleinstellungsmerkmal – und setzen damit ein ganz besonderes Zeichen für die Handwerkskunst aus Franken.
(Bilder: © Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim)