Sudetendeutscher Verband Studentischer Corporationen präsentiert zum Jubiläum die Wander-Ausstellung „Das verschwundene Sudetenland“ im Veitshöchheimer Rathaus
Pressefoto nach der Eröffnung der von Antikomplex, einer Vereinigung tschechischer Studenten an der Universität Prag konzipierten Ausstellung "Das verschwundene Sudetenland" im Veitshöchheimer Rathaus v.l.n.r. Lena Schafferling (Freiwillige Mitarbeiterin Antikomplex), Bürgermeister Jürgen Götz, Philipp Rosenbruck (Freiwilliger Mitarbeiter Antikomplex), Altbürgermeister Rainer Kinzkofer, die gemeindliche Kulturreferentin Karen Heußner und SVSC-Senior Helmut Deckert.
Die Ausstellung ist im 1. OG des Veitshöchheimer Rathaus noch bis 27. Juni zu sehen, Mo., Di. 8 bis 16 Uhr, Mi., Fr. 8 bis 12 Uhr und Do. 8 bis 18 Uhr.
Gleich zwei Jubiläen konnte heuer der „Sudetendeutsche Verband Studentischer Corporationen“ (SVSC) bei seinem Hauptconvent vom 5. bis 7. Mai in Veitshöchheim feiern. Vor 60 Jahren wurde der SVSC als kleiner studentischer Dachverband gegründet, der in vier Mitgliedscorporationen etwa 400 Studenten und Alte Herren vertritt. Er hat sich die Pflege des sudetendeutschen Kulturerbes zum Ziel gesetzt
1987 tagte der SVSC erstmals in Veitshöchheim. Dieser gelungene 30. Hauptconvent führte zunächst dazu, dass man „vorläufig“ erneut mehrfach in Veitshöchheim tagte. Die allseits freundliche Aufnahme seitens der politischen Gemeinde und der Bevölkerung vertiefte die Beziehungen – auch mit der örtlichen Gruppe der Sudetendeutschen Landsmannschaft – so, dass man alsbald Veitshöchheim zum stetigen Ort der Hauptconvente erkor und zugleich den Zusatz „Veitshöchheimer Convent“ (VC/SVSC) annahm.
Seitdem ist der Dachverband auch in das Veitshöchheimer Ortsleben eingebunden. So kommt alljährlich eine Abordnung des Vorstandes mit Verbandssenior Helmut Deckert an der Spitze aus Anlass des Volkstrauertages nach Veitshöchheim, um an der öffentlichen Gedenkstunde zum Volkstrauertag teilzunehmen. Der SVSC/VC hatte dort am Ehrenmal im Rathaushof im Mai 2003 eine eigene Gedenktafel enthüllt. 2007 beteiligte sich der SVSC erstmals auch am Kirchgang der Vereine.
Als Dank für die jahrelange freundliche Aufnahme und Betreuung durch die Gemeinde Veitshöchheim präsentierte der VC/SVSC nun anlässlich seines 30. Hauptconvents in der Stadtrandgemeinde die Ausstellung "Das verschwundene Sudetenland", die von Antikomplex, einer Vereinigung tschechischer Studenten an der Universität Prag konzipiert wurde. Nach einem Totengedenken an der Ehrentafel des VC/SVSC im Rathaushof eröffnete Verbandssenior Helmut Deckert gemeinsam mit Bürgermeister Jürgen Götz diese Wander-Ausstellung, die seit Dezember 2002 fast jeden Monat woanders zu sehen ist. Sie beinhaltet zehn Stellwände mit je sechs Tafeln und zeigt die markantesten Verwandlungen der Landschaft im Grenzgebiet - vor allem die fast unersetzbaren unwiederbringlichen Kulturverluste infolge der Vertreibung der Deutschen nach dem Krieg.
Die deutsche Geschichte in Böhmen, Mähren und Schlesien aus tschechischer Sicht aufzuarbeiten, ist das Ziel der sich Antikomplex nennenden Initiative, die 1998 von tschechischen Schülern und Studenten gegründet wurde. Seit 2002 wird die Bilderschau von Antikomplex in Tschechien, Polen, Deutschland und Österreich gezeigt.
Mehrere Dutzend Fotopaare, die zwölf Regionen des Sudetenlandes jeweils vor und nach der Vertreibung der Deutschen, sind im Bild festgehalten. Sie geben einen Eindruck in die Problematik der verschwundenen Dörfer. Gleichzeitig erfahren die Besucher mehr über das Verhältnis der dort angesiedelten Menschen zur deutschen Kultur, über die Experimente der kommunistischen Regierungen in den „eroberten“ Gebieten, über das Verschwinden von alten und den Aufbau von neuen Traditionen und über das gegenwärtig wachsende Interesse an der „fremden“ und lange Zeit tabuisierten Vergangenheit.
Die Ausstellung zeigt nüchtern die Folgen des fast kompletten Bevölkerungsaustausches nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie versucht die alten politischen Debatten zu umgehen und widmet sich dafür verstärkt den aktuellen Fragen: Was haben wir verloren? Was kann man heute noch retten? Was kann man heute noch tun?
Als Gäste bei der Eröffnung zugegen war auch Hans-Peter Dörr, der Vorsitzende der Ackermann-Gemeinde Würzburg, die die sich wie Antikomplex für eine grenzüberschreitende Versöhnung einsetzt, zusammen mit den Tschechinnen Anezka Holubova und Veronika Tomsova, die umgekehrt wie die Deutschen Lena Schäfferling und Philipp Rosenbrock in Tschechien im Rahmen eines Europäischen Freiwilligendienstes ein Jahr in Deutschland verbringen.
Bürgermeister Jürgen Götz hieß auch besonders willkommen: Karl Nausch, den Ortsobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft Veitshöchheim und seine Mitglieder der Ortsgruppe, weiter Altbürgermeister Rainer Kinzkofer, der stets eine intensive Erinnerungskultur in Veitshöchheim für die Vertriebenen unterstützt hat, so mit dem Dokumentationszentrum im Rathausflur, mit der Aufstellung der Figur des Sudetendeutschen Ferdinand Tietz, dem Schöpfer zahlreicher Hofgarten-Skulpturen im Hofgarten bis hin zur Partnerschaft mit der Stadt Rotava, die für die Vertriebenen noch heute Rothau heißt. Sein Dank galt auch Karen Heußner vom Kulturamt der Gemeinde für die Organisation rund um die Ausstellung in Veitshöchheim.
Der Bürgermeister betonte in seiner Eröffnungsrede, man müsse kein Vertriebener sein, um sich für das Haus, den Ort und die Landschaft ein Leben lang zu interessieren, woher man stamme. Die stete Rückversicherung: „Da komme ich her“ sei eine Art Urinstinkt aller Menschen. Wieviel mehr aber noch für Vertriebene, Flüchtlinge und alle anderen der Heimat Beraubten. Götz: "Sie wurden nicht gefragt. Sie hatten keine Wahl. Sie hatten keine Zeit, weder für Abschied noch zu einer ordentlichen Abwicklung. Sie wurden vertrieben, ohne zu wissen wohin."
Bei uns in Veitshöchheim sind nach seinen Worten viele Familien vor allem aus dem Sudetenland gestrandet. Sie sind geblieben, sie haben sich Häuser gebaut, sie haben Wurzeln geschlagen. Die Geschichte der Gartensiedlung in Veitshöchheim sei vor allem die Geschichte der vertriebenen Sudetendeutschen. Seit Ende der 40er Jahre wuchs oberhalb des alten Ortskerns die „Siedlung“, wie sie auch heute noch genannt wird.
„Lass dir die Fremde zur Heimat werden, aber nie die Heimat zur Fremde“ diesen Leitspruch der Sudetendeutschen hätten sich „unsere“ Vertriebenen zu Herzen genommen. Schon lange seien sie verwachsen mit unserem Ort und würden intensiven Anteil am Gemeindeleben nehmen. Das alles lösche aber ihre Erinnerung an ihre frühere Heimat nicht aus. Auch die nachfolgenden Generationen wollten wissen und sehen, wie Herkunft und Heimat ihrer Eltern und Großeltern ausgesehen hat.
Jahrzehnte hätten die Vertriebenen darauf warten müssen, sich ein Bild davon zu machen, wie es heute im Sudetenland aussieht. Es habe sich verändert, Häuser, ganze Siedlungen, seien verschwunden, neue gebaut worden. Andere, fremde Menschen würden nun da leben. Die eindrucksvollen Bilder der Ausstellung erzählen Geschichten. Es lohne sich genau hin zu schauen und sich darauf einzulassen.
Außerdem belege die Ausstellung die offene Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Tschechen, die Bemühungen, einander näher zu kommen, einander zu verstehen, mit den Veränderungen zu leben und Erinnerungen hoch zu halten.
Altbürgermeister Rainer Kinzkofer klinkte sich "spontan von Herzen" ein, um ein paar Worte zu verlieren. Er erinnerte an den 1. Hauptconent des SVSC am 3. Mai vor 30 Jahren, wo er mit dem damaligen Verbandssenior Lehmann die Erinnerungstafel am Ehrenmal einweihte. Er verwies ergänzend zur starken SL-Ortsgruppe auch auf den historischen Bezug, d.h. auf die hier wirkenden Sudetendeutschen, den Architekten Balthasar Neumann, den Hofgärtner Johann Prokop Mayer und den Bildhauer Franz Pechwitz.
Bestärkt durch die Ortsgruppe wollte die Gemeinde mit der Partnerschaft mit Rotava, dem Geburtsort von Karl Nausch, auch gegenüber dem Osten ein Zeichen setzen und mit einander ins Gespräch kommen. Viel wichtiger als jede Ausstellung sei nämlich der stetige Kontakt.
Kinzkofer brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Jugend im Rahmen des geeinten Europas noch mehr zueinander findet. Der kürzliche Besuch des Bayerischen Ministerpräsidenten in Tschechien zeige, dass sich etwas bewege. Es gelte nun, die Jugend für dieses Thema aufzuschließen, nachdem die Erlebnisgeneration so langsam aussterbe. Die Ausstellung sei dafür sehr gut geeignet.
Es war für alle ermutigend, dass so viele junge Leute von hüben und drüben an der Ausstellungseröffnung teilnahmen.
SL-Bezirksvorstand Alfred Kipplinger aus Sulzbach am Main hatte zur Eröffnung die Sudetendeutsche Fahne mitgebracht.