Der Veitshöchheimer Bocksbeutelkünstler und Rosenliebhaber Heiner Bauer feiert am 5. September seinen 75. Geburtstag
Link auf Video: Der fränkische Bocksbeutel ist das Lebenselixier des Veitshöchheimers Heiner Bauer, der am 5. September noch voller Tatendrang und Schaffenskraft seinen 75. Geburtstag feiern kann.
Heinrich Bauer ist als Sohn einer Winzerfamilie im Weinort Thüngersheim aufgewachsen. Nach dem Besuch der dortigen Volksschule lernte er ab 1961 Weingroßhandelskaufmann bei Gg. Geiger und Söhne in Thüngersheim und arbeitete dort bis Juni 1971, ehe er dann dem Ruf des Weinguts Bürgerspitals zum Heiligen Geist in der Theaterstraße in Würzburg folgte, um dort die verantwortliche Leitung der Weinabgabe und der Spitalschenke zu übernehmen. Fast 40 Jahre lang wirkte er dort, brachte täglich mehrere Hundert Schoppen und Bocksbeutel unter die Leute, bis er im Sommer 2010 mit 63 Jahren in den Ruhestand ging und in Veitshöchheim im erworbenen Anwesen Herrnstraße 9 heimisch wurde und sich hier in seinem Garten als Bocksbeutelkünstler und mit der Rosentaufe "Die schöne Veitshöchheimerin" einen Namen machte.
Zu seinem 60. Geburtstag hatte ihm der Würzburger Journalist Wolfgang Jung 2007, der ihn mit seinem graumelierten Schnurr- und Kinnbart an einen Musketier von Alexander Dumas erinnerte, den nachstehenden Artikel gewidmet. An der Wand des im Volksmund "Hockerle" genannten Stehausschanks hing damals, wie in dem Artikel auf dem Foto von Wolfgang Jung zu sehen, ein Portrait des Schankwirts, den die Würzburger Malerin Renate Jung schon viele Jahren zuvor hier verewigt hatte.
Weinselige Geschichten aus dem „Hockerle"
https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/weinselige-geschichten-aus-dem-hockerle-art-4105293
Link auf Mainpost-Artikel vom 4.9.2007 zu Bauers 60. Geburtstag von Wolfgang Jung
Seit seiner Pensionierung machte Bauer dann als Bocksbeutelkünstler von sich reden. "Heiner`s Steinwelten" nennt der "Steinbohrer", wie er sich selber auf die Schippe nimmt, sein skurriles Reich, in das er seinen 1000 Quadratmeter großen Garten verwandelt hat, der nun im Besitz seiner Tochter ist, aber von ihm und seiner Frau Gunda gepflegt wird. So hat er um einen mit großen Natursteinen gestalteten, zehn Kubikmeter großen Gartenteich als Mittelpunkt auf seine Art und Weise eine künstlerische Hommage auf das Fränkische Weinland und seine neue Heimat Veitshöchheim kreiert. An jeder Ecke seines Gartens plätschert es, drehen sich Bocksbeutelskulpturen, spucken Wasser aus, finden sich neben den zahlreichen Kunstobjekten viele geistreiche Sprüche, die Bauers Liebe zur Heimat näher bringen und ein Lächeln auf die Lippen des Besuchers zaubern.
Die Vielzahl seiner eigenwilligen, aus Gewindestangen, Feldsteinen und leeren Bocksbeutelflaschen gestalteten Skulpturen kommen dann im Herbst, wenn die Blätter fallen, so richtig zur Geltung.
Insgesamt hat er hier 1700 Bocksbeutel verarbeitet, davon rund 100 mit 12 Volt LED ausgestattet, 650 fränkische Lesesteine durchbohrt und auf Gewindestangen geschraubt, mindestens 700 Meter verschieden starke Gewindestangen zum Teil kürzer gesägt oder mit Gewindemuttern verlängert, kiloweise Tausende Muttern verschraubt (im Bild links sein neuestes Werk als Rankhilfe für eine Kletterrose). Um dieses aufwändige Hobby zu finanzieren, hat der Heiner seit 2012 noch bis Juni 2022 einen Nebenjob ausgeübt.
Neuerdings kann Heiner Bauers neueste Reminiszenz an den Bocksbeutel an einer noch freien Hauswand seines Anwesens in der Veitshöchheimer Herrnstraße bewundert werden, sind Bocksbeutel auch in einem Tisch und in Stuhllehnen eingelassen, die zum Verweilen einladen. Denn Heiner Bauers skurriler Bocksbeutel-Garten ist des Öfteren auch eine Station bei Führungen der Touristinfo, etwa beim Weinschlendern mit der gemeindlichen Kulturreferentin Martina Edelmann oder bei einer Weinführung durch Rudi Hepf. Durch jedermann besichtigt werden konnte der Bocksbeutelgarten mit seinen insgesamt 75 verschieden gestalteten Objekten am 31. Juli 2021 beim Tag der Offenen Gärten des Verschönerungsvereins Veitshöchheim.
Derartige Sitzgelegenheiten mit Bocksbeutel verzierten Stelen auf Betonsteinen hat der Tüftler inzwischen an vielen Stellen in seinem Garten installiert, so auch in seinem Rosenbeet.
Beruflich musste der Heiner 40 Jahre lang viel dekorieren. Dies setzte er nun in seinem Garten fort, diesen als "Großes Schaufenster" betrachtend.
Ehrenamtliches Engagement in der Kirche und beim Verschönerungsverein
Heiner Bauer bringt sich, seit er in Veitshöchheim wohnt, ehrenamtlich auch in das Ortsleben ein, so betätigte er sich seit 2012 zehn Jahre lang als Pfarrgemeinderat und ist seit drei Jahren im Kirchenverwaltungsgremium von St. Vitus. Keine Frage, dass er bislang in dieser Zeit bei allen kirchlichen Festlichkeiten mithalf, so auch beim Urbanfest in den Weinbergen oder auch den Kirchen- und Advents-Kaffee mit auf die Beine gestellt hat.
Impulse setzt der Rosenfan seit 2015 als 2. Vorsitzender im Verschönerungsverein. So sichtet er seit 2016 alljährlich mehrere Tage lang in ganz Veitshöchheim den Blumenschmuck an über 200 Anwesen und schlägt eine Vorauswahl zur Bewertung durch eine Jury vor, seit zwei Jahren auch für eine separate Bewertung den Rosenschmuck. Auch bei der Betreuung des vereinseigenen Grillplatzes bringen sich Heiner Bauer und seine Frau Gunda ein u.a. bei Tätigkeiten wie Heckenschneiden, Abschleifen und Anstreichen von Bänken und Tischen, Erneuern von Rundhölzern, Herrichten des Spielplatzes mit Rindenmulch, Split aufbringen im Bereich der Sitzgruppen, Reinigung der Toiletten bis zu 30 mal im Jahr, Laub sammeln und abfahren.
Maßgeblichen Einfluss hatte der Idealist auch bei dem letzten von Manuela Hensel initiierten Vorhaben des Vereins mit dem Ziel "Veitshöchheim soll ein Rosendorf werden". So ging in seinem Garten im September 2021 die Taufe der Rosen "Die schöne Veitshöchheimerin" (gelb) und "Heilige Bilhildis" (rot) aus dem großen Fundus des verstorbenen ungarischen Züchters Gergely Márk über die Bühne. Heiner Bauer ermöglichte hier auch durch seine sehr aufwändige Arbeit zusammen mit seiner Frau Gunda, dass über 250 wurzelnackt aus Ungarn gelieferte und von ihm in Container und in seine Gartenbeete gepflanzte Rosen überwinterten und dann im Mai dieses Jahres zum 925jährigen Ortsjubiläum die Anlage eines Rosenbeetes in der Mainlände und eine Rosen-Verkaufsaktion des Verschönerungsvereins stattfinden konnten.
Dies alles soll aber keine Eintagsfliege sein nach seinem Motto "Frage nicht, was die Gemeinschaft für dich Gutes machen kann, sondern frage dich, was kann ich Gutes für sie tun!" So hat Heiner Bauer auch für das nächste Jahr schon wieder eine Rosenwoche im Visier.
Das hätte sich Heiner Bauer in seinem ganzen Leben nicht träumen lassen, dass seine Leidenschaft für den Bocksbeutel ihn einmal so berühmt machen wird und ihm das ARD-Fernsehen während seiner Berichterstattung zur Fußball-Europameisterschaft im Juni 2021 aus Veitshöchheim einen bundesweit ausgestrahlten Beitrag widmete. Für seine schlagfertigen Antworten wurde er damals von allen Seiten mit tollen Komplimenten überhäuft.
Rückblick auf Heiner Bauers berufliches Wirken
Wenn Heiner Bauer auf sein Leben zurückblickt, dann sagt er augenzwinkernd, dass er in seinen Beruf und in die Tradition des Bocksbeutels mehr verliebt war, als in seine Frau Gunda. So waren beide zusammen in Südtirol in Urlaub, hatten acht Tage gebucht, aber den Heiner zog es schon nach fünf Tagen wieder zurück in sein Hockerle, aufgrund der vielen Arbeit, die dort anstand. So habe er regelmäßig eine 60-80 Stunden Arbeitswoche gehabt und es habe sich in den 40 Jahren zwei Jahre nicht genommener Urlaub angesammelt (so fehlt denn auch nicht in Heiners Garten seine künstlerische Interpretation vom Hockerle).
Schließlich ist das Bürgerspital zum Heiligen Geist, eine Stiftung, verwaltet von der Stadt Würzburg, mit angeschlossenen und mit Weinerlösen finanzierten Einrichtungen der Seniorenbetreuung, die Geburtsstätte des Bocksbeutels. 1726 ließ der Würzburger Stadtrat den einheimischen Wein zum besseren Schutz zum ersten Mal in die bauchigen Flaschen abfüllen. So habe auch er, der "Heinrich vom Stehausschank" 40 Jahre lang als städtischer Bediensteter verkündet, dass jeder von ihm verkaufte Schoppen oder Bocksbeutel eine soziale Wohltat ist.
In Würzburg hatte das "Hockerle" den Ruf einer Kultschänke, jetzt abgelöst vom Stehausschank der Alten Mainbrücke. Im Hockerle, das im Herbst 2010 nach Bauers Pensionierung einer neuen Vinothek mit Weinverkauf weichen musste, sei Stammgast gewesen, wer was in Würzburg auf sich gehalten habe, so erzählt er, so Professoren, der Chef der Mainpost, viele Presseleute, Banker, Stadträte aber auch Rentner, Hausfrauen und Stadtarbeiter, oder aber auch ein Bischof aus Paderborn. Und Bocksbeutel kauften bei ihm auch viele Prominente wie Gert Fröbe, Peter Alexander, Elmar Wepper, Gotthilf Fischer oder Chris de Burgh sowie Touristen aus allen Ländern. Deutsche von der Waterkant bis zu den Alpen, Japaner und Amerikaner, Europäer quer durch den Kontinent. Das Stammpublikum habe zum Spitalschoppen sein Essen mitgebracht, so einen LKW ("Leberkäsweck") oder BMW ("Brot mit Wurst").
Zu Beginn seiner Tätigkeit im Hockerle im Jahr 1971 habe der Silvaner-Schoppen aus der Weinlage "Leisten" eine Deutsche Mark gekostet, der Müller-Thurgau und der Rotwein 1,15 Deutsche Mark und zum Schluss seiner Dienstzeit 2010 bekam man den Bürgerschoppen für 1,95 Euro.
Im Schnitt hat der Heiner nach seinen Worten zusammen mit seinen beiden Mitarbeitern zuletzt täglich mehrere Hundert Bocksbeutel an den Mann gebracht. Das Hockerle sei eines der besten Fachgeschäfte in Würzburg gewesen mit weit mehr als 20.000 Kunden und Besucher in einem Jahr, ohne die Gäste des Stehausschanks. Auch habe er regelmäßig an Samstagen Besucher durch den Weinkeller geführt.
Viele seien auch wegen seiner Sprüch, teils auch in Latein wie "errare humanum est" (Irren ist menschlich) und seiner manchmal rauhen aber herzlichen Art gekommen und hätten dann Wein gekauft. Das dem auch heute noch so ist, kann ein jeder erleben, der den Heiner in seinem Bockbeutelgarten besucht. Denn wenn er ins reden kommt, dann ist er kaum noch zu stoppen.
Bei seiner Verabschiedung 2010 hatte der Journalist Richard Wust, jahrelanger Gast im Hockerle, ihn in der Mainpost unter der Überschrift "Fränkisch, kantig und sensibel" gewürdigt mit den Worten: " Damit geht eine Ära zu Ende, weil für viele Weinkäufer aus aller Welt, vor allem aber für Weintrinker aus der Stadt und auch Touristen das Bürgerspital seit nahezu zwei Generationen eng mit dieser Persönlichkeit, einer der markantesten Würzburgs, verbunden ist. Er verkörpert wie kaum einer noch den echten, knorrigen fränkischen Charme." (Ausführlicher Text siehe nachstehender Link).
Der „Heinrich vom Stehausschank" des Bürgerspitals geht nach 40 Jahren
Auch wenn ihn ein japanischer Gast tatsächlich schon einmal für den Heiligen Geist persönlich gehalten hatte. Soweit würde niemand gehen, wenn er Heinrich Bauer beschreiben sollte. Aber ein gut...
Mainpostartikel vom 4.9.2010 zur Verabschiedung von Heiner Bauer in den Ruhestand von Richard Wust
Bauers berufliches Wirken hatte noch im Jahr 2010 Unterfrankens Regierungspräsident Paul Beinhofer mit der Verleihung des "Frankenwürfels" (siehe nachstehender Link) gewürdigt, den aus Veitshöchheim bislang neben Bauer nur Bernhard Schlereth 2014 als Präsident des Fastnachtsverbandes Franken erhielt. Diese Auszeichnung, auf die Bauer als "Normalsterblicher" besonders stolz ist, nach seinen Worten der Nobelpreis für Franken, hat er natürlich auch in einer Ecke seines Gartens in Stein dargestellt, der allerdings in nächster Zeit einem Mark-Rosen-Beet weichen soll.
Heinrich Bauer - Veitshöchheim (Unterfranken)
Auszeichnung: 2010 - Bad Windsheim Der Frankenwürfel 2010 für Unterfranken geht an den "Heinrich vom Stehausschank", an Heinrich Bauer, wohnhaft in Veitshöchheim. 40 Jahre arbeitete er im ...
Link auf Auszeichnungsrede des Unterfränkischen Regierungspräsidenten Paul Beinhofer im Jahr 2010
Ohne die tatkräftige Unterstützung seiner Frau Gunda, mit der er seit 1975 verheiratet ist und die Tochter Christiana und die zwei Enkelinnen Mona und Lara hat, könnte der Heiner natürlich das alles nicht bewerkstelligen. Der üppige Blumenschmuck am Hauseingang ist Gundas Werk. Kennengelernt hat der Heiner sie, als diese 16 Jahre jung war, wie könnte es anders sein im "Hockerle", als er deren Mutter regelmäßig die "Schöppli" servierte und der Gunda manchmal "e Achtele".
Lieber Heiner, herzlichen Glückwunsch zum 75., weiterhin Gesundheit und Schaffenskraft und bleib weiter so!
Text und Fotos Dieter Gürz