Veitshöchheimer Gymnasiasten spielten „Der Landtag sind wir“
„Wie kann man die Jugendkriminalität in Bayern wirksamer bekämpfen?“ Mit diesem Thema beschäftigten sich 60 Zehntklässler des Gymnasiums Veitshöchheim nicht in ihrer Schule, sondern im Rathaus. Die 16- bis 17jährigen Gymnasiasten gaben für vier Stunden ihre Identität ab und schlüpften zumeist in seriöser Kleidung nach dem Motto „Der Landtag sind wir“ in die Rolle von Abgeordneten. und konnten so erlebnisorientiert erfahren, wie die parlamentarische Procedere beim Erlass eines Gesetzes ist, wie die Entscheidungsprozesse in der Landespolitik ablaufen und welche Rolle dabei die Medien spielen.
Über die Bühne ging dieses vom Landtagsamt finanzierte Planspiel im Rahmen des Sozialkundeunterrichts der Schule unter fachlicher Begleitung durch (CAP) der Universität München im Sitzungssaal, also an einem Ort, wo auch sonst echte Politik über die Bühne geht und der Bürgermeister für einen Vormittag sogar sein Zimmer für Fraktions- und Ausschuss-Sitzungen räumte.
Vorgegebenes Szenario war es, über einen von der CSU eingebrachten Gesetzesentwurf zu beraten und dann im Plenum abzustimmen, der ein beschleunigtes Strafverfahren und den Ausbau des Jugendarrests für straffällig gewordene Jugendliche bezweckte.
Die Schüler gaben sich Phantasie-Namen und wurden in Fraktionen eingeteilt, die auch in der Realität existieren, nämlich CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und die Freien Wähler. Es gab auch eine konstituierende Sitzung, in der eine Schülerin die Alterspräsidentin spielte, die aus ihren Reihen die Schriftführer ernannte. Der vorgeschlagene Pierre Lombardi wurde mit großer Mehrheit zum Landtagspräsidenten gewählt, der souverän die Vollsitzung leitete. Es bildete sich auch das Presseteam „Bayerisches Tageblatt“, das laufend Pressemitteilungen über den Werdegang des Gesetzgebungsverfahrens herausbrachte wie beispielsweise die Meinungen der Ausschüsse, in denen der Gesetzesentwurf der CSU intensiv diskutiert wurde.
Vor der Abstimmung im Landtag wurden in den Reden der Fraktionssprecher konträre Meinungen deutlich. So lehnten die Grünen die von der CSU beantragten neuen Stellen für Jugendrichter, um Jugendliche zur Sicherheit des Volkes schneller aburteilen zu können strikt ab und forderten dagegen mehr Schulpsychologen einzustellen und Familientherapien. „Wir müssen mit den straffälligen Jugendlichen und potentiellen Tätern arbeiten, anstatt sie wegzusperren“ vertrat der SPD-Sprecher die gleiche Meinung. Die FDP sprach sich für eine stärkere Präsenz der Polizei aus und die Freien Wähler setzten sich für mehr Erziehungscamps statt mehr Jugendrichter ein. Schließlich mussten sich die Oppositionsparteien damit zufrieden geben, sich wenigstens im Präventionsbereich zu erreichen, dass in Zukunft mehr Schulpsychologen an Bayerns Schulen arbeiten sollen.
Die „Abgeordneten für einen Tag“ konnten so selbst erfahren, was es bedeutet, ihre Meinung und die ihrer Partei zu verteidigen. Somit wurden durch das Planspiel auch weitere Lerneffekte gefördert: Die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel, die Bereitschaft zu Akzeptanz aber auch kommunikative Kompetenzen.
Nach der Annahme des Gesetzentwurfes gegen die Stimmen der Opposition attestierten die zwei realen Landtagsabgeordneten Ländner (CSU) und Volkmar Halbleib (SPD) den Schülern, ihr Planspiel sehr realitätsnah gestaltet zu haben. Gerne beantworteten sie die Fragen von Schülern, wie es kam, dass sie Politiker wurden und wie ihre Arbeit im Parlament und im Wahlkreis abläuft. Trotz der enormen Termindichte würde ihnen die Arbeit als Landtagsabgeordneter Spaß machen, da sie nicht nur ein Rad im Getriebe seien, sondern auch mitgestalten könnten. Auch Bürgermeister Rainer Kinzkofer berichtete über seine Erfahrungen in der Kommunalpolitik.
Gleichwohl konnte sich keiner der 60 Gymnasiasten damit anfreunden, in ihre Fußstapfen zu treten und eine politische Karriere anzustreben.