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Teilsperrungen in der Tiergartenstraße: Ursache ist der sanierungsbedürftige historische Wasserkanal aus dem Veitshöchheimer Hofgarten

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

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In die Tiergartenstraße kann seit dem 14. August nur noch über die Würzburger Straße eingefahren und über die Mainlände herausgefahren werden. Diese verkehrsregelnde Maßnahme wurde erforderlich, da in Teilbereichen der Tiergartenstraße nur noch eine nutzbare Straßenbreite von durchschittlich 3,50 Meter zur Verfügung steht. Die Einengung der Fahrbahn, so erklärten Bürgermeister Jürgen Götz und sein Tiefbautechniker Joachim Keßler (im Bild) bei einer Ortseinsicht, dient dem Schutz historischen Kanals, der vom Wasserturm im Hofgarten entlang der Tiergartenstraße zum Main verläuft.

 

Eigentlich wollte die Gemeinde noch in diesem Jahr die Tiergartenstraße als letzte noch nie ordnungsgemäß hergestellte Ortsstraße in Veitshöchheim ausbauen  (Link auf Bericht vom 16.9.2013 auf Veitshöchheim News). Dazu hatte ein Ingenieurbüro die Entwurfsplanung  mit Kosten von 390.000 Euro erstellt, die dann die Gemeinde im September letzten Jahres den 14 Anliegern vorgestellt hatte.

   LageplanHistorischerKanalTiergartenstra-e.jpg

KanalquerschnittWasserturmzumMainQuelleSchlossverwaltungDer denkmalgeschützte und im Eigentum des Freistaates Bayern stehende Kanal darf durch die Baumaßnahme nicht beeinträchtigt werden. Der insgesamt 196 Meter lange historische Kanal liegt  auf einer Länge von 67 Meter im öffentlichem Grund und ansonsten auf Privatgelände der südlich der Straße liegenden Anwesen und Gärten Die Gemeinde hatte zu Jahresbeginn zuständigen staatlichen Stellen um Bauwerks-Überprüfung gebeten. Überraschend für den Bürgermeister kam nun Mitte August 2014 von Abteilungsleiter Dr. Ing. Franz Ullmann vom Staatlichen Bauamt die Nachricht, dass der Kanal gravierende Schäden aufweise und nicht mehr standsicher sei. Die Gemeinde sah sich deshalb gezwungen ein weiteres Überfahren der Kanaltrasse mit KFZ-Verkehr kurzfristig zu unterbinden. Es arbeite jedoch, so konnte das gemeindliche Tiefbauamt in Erfahrung bringen, ein vom Staatlichen Bauamt beauftragtes Ingenieurbüro an einer raschen Sanierungslösung für den historischen Kanal. Geplant sei eine Vorstellung der möglichen Sanierungsvarianten im September.

Nach interner Entscheidung, welche Variante von Seiten des Staates gewählt werde, sei dann ein Gespräch mit der Gemeinde Anfang Oktober 2014 vorgesehen. Das Straßenbauamt habe aber jetzt schon Finanzmittel bei der Schlösserverwaltung angefordert und auch schon eine Vorabzusage erhalten. Die staatliche Planung gehe deshalb von einer Sanierung im Jahr 2015 aus.  Die bauliche Durchführung der beiden Maßnahmen  Kanalsanierung und Straßenbau  soll dann einvernehmlich zwischen allen Beteiligten festgelegt werden.


Geschichtlicher Hintergrund des denkmalgeschützten, 300 Jahre alten  gemauerten  Kanals

Er ist Teil eines gigantischen, historischen Bewässerungssystems im Veitshöchheimer Hofgartens, das noch heute die Wasserspiele im Großen See speist.

Parnass Wasserturm Foto Gürz D.

Im Rokokogarten von Veitshöchheim zeigen sich die Wasserspiele bis heute als feine Strahlen oder zarte Schleier (vorne der Pegasus im Großen See, hinten der Wasserturm).

Die folgenden Grafiken und Texte wurden teilweise entnommen aus dem Begleitbuch zur Ausstellung "Es kommen immer Leit aus Würzburg undFrembde hierher ... " von Jost Albert Gabriele Ehberger und der  Veitshöchheimer Ortschronik von Thomas Struchholz

Wasser gehört zu den unverzichtbaren Bestandteilen jeder Gartenanlage. Im Veitshöchheimer Rokokogarten zeigte es sich in vielfältigen Formen: als spiegelnde Seefläche, plätschernde Kaskadentreppe und feine Springstrahlen.

Schon 1764 schrieb Fürstbischof Seinsheim über Veitshöchheim: »Wasser habe ich alidorten in der schweren Menge», also mehr als genug. An der Hangseite des Gartens, dort, wo später die Kaskade errichtet wurde, traten große Mengen Wasser aus dem Untergrund. Um die drohende Versumpfung des Geländes zu verhindern, wurde diese Quelle schon vor 1720 gefasst und mit einem Brunnenhaus überbaut. Ein unterirdischer Kanal leitete das Wasser direkt in den Großen See.

Aufgrund der üppig fließenden Quellen konnten auch der Kleine See, der Hechtsee, der Karpfensee und der Küchensee ganzjährig mit Frischwasser versorgt werden. Dies ermöglichte eine aus gedehnte Fischzucht zur Belieferung der fürstlichen Hofküche. Der überwiegende Teil des Wassers wird bis heute in den Großen See eingeleitet. Die dafür gebauten unterirdischen Kanäle haben je nach Menge des abgeführten Wassers unterschiedlich große Querschnitte. Im letzten Kanalabschnitt wird das Quellwasser vom Wasserturm in den Main geleitet.

LageplanKanalsystemHofgarten.jpg 

Die Quellwasserleitungen, die ebenfalls Springbrunnen versorgten, haben eine grüne Farbgebung. Die übrigen Teile des unterirdischen Kanalsystems sowie die nach oben offenen Entwässerungsgräben innerhalb der Heckenbosketts sind blau markiert. Die Nummern 1—7 beziehen sich auf die folgenden Kanalquerschnitte.

Der ganze Garten ist mit Abwasserkanälen durchzogen, teilweise gibt es Bereiche, wo man das fein verzweigte Netz noch gar nicht erforschen konnte. Heute werden die gemauerten Kanäle mit viel Aufwand wieder restauriert und funktionstüchtig hergestellt. Diese Aufgabe wird auch in den nächsten Jahren den Bauetat erheblich belasten. Meistens kündigt sich für die Hofgärtner ein neues Problem dadurch an, dass ein Weg vernässt oder eine Wiese versumpft. Dann heißt es, auf Spurensuche gehen und feststellen, wo ein Kanal defekt ist.

 

KanaKanalquerschnitteHofgarten

Querschnitte durch verschiedene Wasserkanäle im Hofgarten Veitshöchheim: Damit Bäume und Sträucher gedeihen

konnten, musste das hoch anstehende Grundwasser abgesenkt werden. Dies gelang durch den Bau eines weit verzweigten Netzes von offenen Entwässerungsgräben und unterirdischen Kanälen. Das Entwässerungsnetz existiert bis heute und ist ein wesentliches, jedoch kaum sichtbares Element des historischen Gartens.

WasserturmHofgartenFunktionsweise der Veitshöchhejmer Wasserkunst im 18. Jahrhundert - Funktionsmodell

Herzstück der Veitshöchheimer Wasserkunst war der 21 Meter hohe Wasserturm an der westlichen Gartenmauer. Uber das unterschlächtige Wasserrad im Erdgeschoss des Turms wurden zwei Pumpen angetrieben. Diese saugten Wasser aus einem Sammelbecken und drückten es durch Bleirohre in drei hoch gelegene Bottiche. Die Bottiche hatten ein Fassungsvermögen von insgesamt über 50 Fuder, das sind mehr als 45.000 Liter. Waren alle Behälter gefüllt, wurden Ventile betätigt und das Wasser strömte über lange Bleirohrleitungen zu den Wasserspielen des Gartens.

Die Pumpen des 18. Jahrhunderts wurden im 20. Jahrhundert durch eine Elektropumpe ersetzt. Die alten Bleirohre sind zwar noch vorhanden, ihre Aufgabe haben jedoch Eisenrohre übernommen. Von den ursprünglich drei Wasserbottichen existiert nur mehr der große im dritten Obergeschoss, der 1767 eingebaut worden war. Die dicken Holzbohlenwände dieses Behälters sind innen mit Kupferblech ausgekleidet, außen wird der Bottich über ein mächtiges, schmiedeeisernes Gestänge zusammengehalten. Das von hier abfließende Wasser speist noch heute die Wasserspiele des Großen Sees.

 

 

 

 

 

  HistorKanalHofgarten-02-Wassserhaus.jpg   

In der Tiergartenstraße befindet sich noch ein Wasserhaus (im Hintergrund), das zur technischen Einrichtung des Hofgartens gehört. Das zunächst unscheinbare Gebäude ist fest verschlossen. Im Innern verläuft mittig der breite Abwasserkanal, der vom Wasserturm im Hofgarten das vom Großen See abströmende Wasser unterirdisch unter den Häusern und Gärten dann weiter bis in den Main ableitet. Die sehr breiten Fundamente sollen noch auf Eichenpfählen ruhen. Die Funktion des Gebäudes ist heute nicht mehr ganz klar. Vom Hofgarten bis hierher verläuft oberhalb des Wasserspiegels auch noch ein altes Bleirohr im Kanal. Es hatte also auch technische Funktionen.

Die Umfahrung des bisher in die Straße ragenden historischen Wasserhauses ist nach der Straßenausbau-Planung der Gemeinde auch künftig gewährleistet. Sie wird durchgehend gepflastert und trennt dadurch die Asphaltfahrbahn, um den Durchgangsverkehr zu erschweren.

HistorKanalHofgarten-03-Auslauf-Main-Kopie-2.jpg

Hier läuft das Wasser aus dem Hofgarten in den Main.

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