Wie Kinder gut lernen können - Auf die Persönlickeit der Erzieher kommt es an - 1. Familientag des Landkreises in Veitshöchheim
Der Haupt-Vortrag "Kinder brauchen Bindung ein Leben lang" von Gerhard Suess, Professor für klinische und Entwicklungspsychologie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg war das Sahnehäubchen des gelungenen Familientages, den erstmals das Amt für Jugend und Familie des Landkreises Würzburg in der Veitshöchheimer Eichendorffschule veranstaltete. Interessierte Familien und pädagogische Fachkräfte erfuhren nicht nur durch den Professor wissenschaftlich fundiert, was Kinder brauchen, um lernen zu können.
Thesen des Professors:
- Im Gegensatz zur Lehrmeinung von früher kommt es beim Lernen entscheidend auf die Lehrerpersönlichkeit an.
- Lernen funktioniert nur bei guten verlässlichen Beziehungen.
- Die Lehrer dürfen nicht in starre Vorgaben gepresst werden, sondern brauchen auch Freiheiten.
- Es ist schwierig für Eltern, die richtige Orientierung zu finden und allen Verpflichtungen bei der Erziehung nachzukommen.
- Ein Betreuungsschlüssel von 1:8 in Krippen ist eine Katastrophe. Optimal wäre, dass drei Kinder von einer Fachkraft betreut werden.
- Der Druck bei Eltern, dass ihre Kinder einen möglichst hohen Bildungsabschluss erreichen, führt zu einem Früh-Förder-Wahn, dass beispielsweise schon Zweijährige in den Sprachunterricht geschickt werden.
- Hierunter fällt das Helicopter-Parenting, vor dem man Kinder bewahren muss. Darunter versteht man populärsprachlich überfürsorgliche Eltern, die sich (wie ein Beobachtungs-Hubschrauber) ständig in der Nähe ihrer Kinder aufhalten, um diese zu überwachen und zu behüten. Ihr Erziehungsstil sei geprägt von (zum Teil paranoider) Überbehütung und exzessiver Einmischung in die Angelegenheiten des Kindes bzw. des Heranwachsenden.
- Es ist für Eltern ungemein schwer, das rechte Maß zu finden und ein hartes Stück Arbeit sie durch das Schulleben zu bringen.
- Eine gewisse Spiritualität kann für Kinder ein Schutzsystem sein, das ihnen in der Schule Halt gibt. Dazu gehört, dass es in der Schule fair und gerecht zugeht, man nicht nur eine Nummer ist, sondern auch etwas zählt. Eine solche Art von Bindung gibt Halt und fördert die Autonomie der Kinder, dass sie lernen, auch alleine durchs Leben gehen zu können.
- Wenn Kinder Lehrer mögen, lernen sie gerne. Die Person des Lehrers und damit die Bindung ist deshalb ausschlaggebend, quasi wie in der Tierwelt beispielsweise bei den Elefanten eine Überlebensfunktion.
- Gipfelstürmer brauchen ein sicheres Basislager, um die Welt erobern zu können.
- Es ist von Vorteil, wenn Kinder eher zurückhaltend und schüchtern sind, bis Erwachsene ihnen zeigen, dass sie vertrauenswürdig sind.
- Das Wichtigste ist das Elternhaus. Was hier erfahren wird, bereitet die Bühne für die Lernerfahrungen danach.
- Erzieher müssen mehr ausgebildet werden, nicht nur wie wichtig die Bindungstheorie für das Lernverhalten der Kinder ist, sondern auch wie sie ihre eigene Persönlichkeit kritisch reflektieren. Sie müssen offen für die Bedürfnisse der Kinder sein.
- Zuviel des Guten, also der Perfektionismus ist der Tod jeder guten Bindung.
Der Professor wies am Ende seiner Ausführungen auf das Forschungs- und Unterstützungsprogramm STEEP für junge Mütter in schwierigen sozialen Lagen hin, das zeige, dass eine verlässliche Elternschaft auch unter schwierigsten Lebensbedingungen gelingen kann.
Interessierte Familien und pädagogische Fachkräftekonnten sich dann selbst in sieben Workshops mit dieser Frage auseinandersetzen. Die Kinesiologin Tamara Gersitz machte so in ihrem Workshop die Teilnehmer auf den beiden Fotos links mit Brain-Gym vertraut, eine sehr effektive Methode, mit der man nach dem Motto "Bewegung ist das Tor zum Lernen" seine Lern-, Konzentrations- und Gehirnleistungen aktivieren und verbessern kann. Auf dem Foto rechts gab die Diplomierte Legasthenie-Trainerin Anne Husslein ihren Workshop-Teilnehmern aufgrund der Erkenntnis "Nur was der Mensch mit Begeisterung lernt, kann gespeichert wird" ein Paket an Ideen mit nach Hause, wie Lernen Lernen Spaß macht.
Der Diplom-Psychologe und Lerncoach Dr. Andreas Bron gab praktikable Hilfestellungen, wie man Kinder mit Rechenproblemen erfolgreich fördern kann. Wie Eltern auch in stürmischen Zeiten ihre Balance im Alltag finden und im Gleichgewicht bleiben können, erarbeitete die Diplom-Sozialpädagogin Priska Hecht mit Interessenten. Was Kinder in der Krippe brauchen, um sich sicher und gut binden und damit lernen zu können, vermittelte die Montessori-Pädagogin Katharina Möstl.
Das Kreisjugendamt bot daneben auch jede Menge Unterhaltung. Lena Försch und Kati Schweitzer (die Kleinere) vom Improtheater "Kaktus" offenbarten dabei ihre phänomenale Lernfähigkeit. Denn musikalisch begleitet von Jan Höcker, verwandelten sie spielerisch Vorgaben aus dem Publikum zu Emotionen oder ein Sprichwort wie "Morgenstund hat Gold im Mund" in eine Geschichte.
Daneben gab es noch ein Korbtheater, ein Familienfoto zum Mitnehmen, Experimente für Kinder, Schminken und Basteln und auch eine Kinderbetreuung. Für das leibliche Wohl der Gäste sorgten Zehntklässler der Mittelschule, die Leckereien wie Wraps, Muffins, Bruscetta, Lachs-Spinatrollen-Schnitte oder Käse-Salami-Krapfen anboten, die sie als Vorbereitung für ihre Projektprüfung mit ihrer Lehrerin Monika Bandorf-Hanft in der Schulküche zubereitet hatten.
Organisatorin Claudia Ruhe bedankte sich für die große Unterstützung seitens der beiden Schulleiter Stefan Dusolt (Grundschule) und Otto Eisner (Mittelschule). Sie animierte dazu, die hier gebotenen tollen Angebote zu nutzen und sehr viel Wissenswertes und Interessantes mit nach Hause zu nehmen und umzusetzen. Denn das Thema des ersten Familientages im Landkreis "Lernen braucht ...." benötige immer wieder auch Inspiration und Menschen, die sich engagieren.
Die stellvertretende Landrätin Christine Haupt-Kreutzer verwies darauf, dass viele Menschen Hilfe brauchen, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, sie den Anforderungen gerecht zu werden und bewältigen. Ganz wichtig sei es vor allem auch die die Erziehungskompetenz der Eltern mit Angeboten zu stärken, wie dies nun vielschichtig der Fachvortrag und ganz praktisch die Workshops beim Familientag taten oder wie sie auch auf der von Stadt und Landkreis Würzburg gemeinsam betriebenen Internetplattform familienbildung-wuerzburg.de genutzt werden können. So wird dort aktuell der Kurs "Grenzen setzen, ohne zu verletzen - aber wie?" offeriert.
MdB Paul Lehrieder war sehr gerne als Vorsitzender des 36 Mitglieder zählenden Ständigen Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Familientag nach Veitshöchheim gekommen, zielen doch auch die Aktivitäten des Ausschuss darauf ab, Familien sowie Kinder und Jugendliche zu stärken und auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erzielen. So erfolge am Montag im Ausschuss eine öffentliche Anhörung zu einem Antrag, den Ausbau und die Qualität in der Kinderbetreuung voranzutreiben und die Qualität in der frühkindlichen Bildung zu fördern, vor allem auch der Sprachkompetenz von Migrationskindern. Der Abgeordnete appellierte an alle Eltern, mit gutem Beispiel voranzugehen, dass Kinder wieder ein Buch zum Schmökern in die Hand nehmen, denn Lesen fördere die Phantasie und Vorstellungsgabe der Kinder schnell Worte zu finden so wie es die beiden Damen vom Improtheater Kaktus unter Beweis stellten. Lehrieder kündigte an, am 21. November zum "Tag des Lesens" in eine vierte Klasse der Grundschule Veitshöchheim zu kommen, um aus seinem Lieblingsbuch vorzulesen und mit den Schülern 25 Jahre deutsche Wiedervereinigung erörtern. Die Empfehlung des Familien-Lobbyisten: "Nehmen Sie Kinder ernst und versuchen Sie auf ihre Frage eine Antwort zu geben."
Veitshöchheims zweiter Bürgermeister Winfried Knötgen bekräftigte auch in seiner hauptberuflichen Funktion als Grundschulrektor in Thüngersheim, wie wichtig es sei, positive Lernbedingungen in Familien, Kindergarten und Schule zu schaffen, damit Kinder sich wohlfühlen und gerne lernen. In Veitshöchheim sei es schon immer ein Schwerpunkt in der Arbeit des Gemeinderates, dafür die entsprechenden infrastrukturellen Voraussetzungen von der Krippe bis zur Schulkindbetreuung und darüber hinaus freiwillig Vorbildliches zur Entwicklung von Kindern zu leisten in der Jugendarbeit, in der Sing- und Musikschule und in der Bücherei im Bahnhof.
Das Team des Kreisjugendamtes mit Workshop-Leitern und Ehrengästen