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Gemeinde Veitshöchheim rüstet Hochwasserschutz am Main auf mobile wassergefüllte Schutzdämme um

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Die "Ertüchtigung des mobilen Hochwasserschutzes am Main" stand auf der Tagesordnung des Gemeinderats am Dienstag.

Die seit Mitte der 90er Jahre im Bereich der beiden Maingassen vorhandene mobile Hochwasserschutzwand mit einer baulichen Höhe von ca. 1,0 Meter (im Foto oben Installation beim letzten Hochwasser im Januar 2011) hat sich,  so sagte Jürgen Götz im Bürgermeistergespräch im August 2021, in den letzten Jahrzehnten bewährt.  2011 reichte die Höhe von 1,0 Meter zuzüglich der aufgelegten Sandsäcke jedoch gerade noch aus, um ein Überschwappen des Mainwassers zu verhindern.

Die Gemeinde beauftragte deshalb das Ingenieurbüro Hoßfeld & Fischer in Bad Kissingen mit der Überprüfung, bis zu welchem Wasserstand wir hier in Veitshöchheim noch sicher aufgestellt sind.

Das Ergebnis dieser Überprüfung stellte nun in der Gemeinderatssitzung Diplomingenieur Hans-Ulrich Hossfeld vor. Knackpunkt ist, dass die Berechnung des Prüfingenieurs ergeben habe, dass die Verankerung der Träger in den ins Pflaster eingelassenen Bodenhülsen bei einer Wasserhöhe von einem Meter nicht den statischen Anforderungen entspricht. Zulässig sei nur eine Wasserhöhe von 0,60 Meter über Geländeoberkante.

Um die Schutzwandhöhe von 1,0 Meter beibehalten zu können, müssten entweder große Eingriffe in den Untergrund (der belegt ist mit Leitungen) oder Eingriffe an privaten Gebäuden erfolgen. Diese Aufrüstung würde im Bereich der beiden Maingassen 176.000 Euro kosten, eine Erweiterung zum Schutz der Mainfrankensäle zusätzlich 400.000 Euro.

In Abstimmung mit dem Auftraggeber hat das Ingenieurbüro darüber hinaus eine Marktrecherche bei sieben mobilen Schlauchsystemen vorgenommen und bewertet.  Je nach Qualität des Systems fallen hier Bruttokosten in einer Größenordnung bis zu 1.000 Euro/m bei einer Stauhöhe von rund 100 cm an. Somit ergeben sich Bruttokosten von rund 380.000 Euro für den kompletten Bereich Obere und Untere Maingasse inklusive Mainfrankensäle, was eine Einsparung von 190.000 Euro gegenüber der bisherigen Bohlenwand bedeutet.. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass beim mobilen Schlauch-System keine Planungskosten anfallen, sie sich sehr gut den vorhandenen Örtlichkeiten anpassen, der Aufbau sehr schnell erfolgt und sämtliche bautechnischen Eingriffe gegenüber den teilmobilen Systemen entfallen.

Zur Ausführung gelangt Mobiles Schlauchhochwassersystem Fa. Mobilteich

In der Zusammenfassung kommt das Ingenieurbüro Hoßfeld & Fischer zum Ergebnis, dass als wirtschaftlichste Lösung als Ersatz der vorhandenen mobilen Schutzwand sich das mobile System der Firma Mobildeich anbietet.

So stimmte der Gemeinderat einvernehmlich zu, zunächst für den 7.0 Meter breiten Bereich der Oberen Maingasse das mobile Schlauchsystem der Firma Mobildeich mit Kosten von schätzungsweise 18.000 Euro anzuschaffen. Bei erfolgreichem Probeaufbau soll dieses System dann auch für den 125 Meter langen Bereich Untere Maingasse mit Kosten von 130.000 Euro erweitert werden. Der Bürgermeister wurde ermächtigt, die notwendigen Beschaffungen zu tätigen.  Das System verkraftet hinsichtlich der Binnenentwässerung einen Wasserstand bis zu einer Höhe von 0,50 Meter.

Dieses Schlauchsystem wird über Haspelräder oder Handrollwagen ausgerollt.  Die Mobildeichrolle besteht aus zwei Schläuchen in einer Netzhülle inkl. einer Dichtungsplane mit beidseitigen integrierten Stahlbeschwerungsketten. Nach dem Ausrollen erfolgt die Befüllung der Schläuche mit Wasser. Bei Längen bis zu 400 m ist ein Pumpenstandort für die Befüllung ausreichend. Das System ist seit rd. 25 Jahren auf dem Markt, so dass der Hersteller auch für diesen Zeitraum einen unbegrenzten Einsatz anbietet. Aufbau und Einsatz können den vorstehenden Fotos entnommen werden.

Dadurch ist laut Bürgermeister der Statusquo für beide Maingassen sichergestellt.

Nachdem im Bereich der Mainfrankensäle eine umfängliche Oberflächenumgestaltung erfolgt, wurde vom Ingenieurbüro untersucht, diese Art des mobilen Hochwasserschutzes auch im Bereich der Mainfrankensäle einzusetzen.

Für die Länge von ca. 239 m würden mit diesem mobilen Schlauchsystem zusätzlich nochmals Kosten von ca. 240.000 Euro  anfallen.

Ergänzend hat das Ingenieurbüro einen „Komplettschutz“ für ein hundertjähriges Hochwasser (rote Linie bis Kirchstraße) zuzüglich 15% Klimazuschlag grob abgeschätzt.

Ein Hochwasserschutz bis zum
HQ100 (hundertjährig) würde eine Schutzmauer, beginnend bei der ICE-Brücke, bis zur Kläranlage und somit mit einer Länge von rd. 2,2 km und einer Höhe von 3,15 Meter nach sich ziehen. Neben exorbitanten Kosten von 47 Mio. Euro würde ein solches Bauwerk auch einen erheblichen Eingriff in die städtebauliche Gestaltung bedeuten, so dass eine solche Maßnahme auch bei einer staatlichen Förderung von 60 Prozent für den Gemeinderat völlig obsolet ist.

 Ausgangslage: Letztes Hochwasser vom Januar 2011

Es ist bereits über 13 Jahre her, dass Veitshöchheim von einem gravierenden Hochwasser des Mains heimgesucht wurde. Zum Schutz der direkt an der Mainlände liegenden Gaststätten und der Anlieger in den beiden Maingassen errichteten Feuerwehr und Bauhof am 9.1.2011 sehr zeitaufwändig eine an die 200 Meter lange, ein Meter hohe Polderwand, die bis zu einem Pegelstand von 6,40 Meter die Anwesen an der Mainlände von der Gaststätte Sonnenschein bis zur Gaststätte Alte Fähre und in den beiden Maingassen schützte.

Am 17. Januar 2011 erreichte das Main-Hochwasser früh um 5.00 Uhr in Veitshöchheim die Höchstmarke von 6,42 Meter, lag also in der Unteren Maingasse um zwei Zentimeter über der ein Meter hohen Polderwand.

Den Feuerwehrleuten  und Bauhofmitarbeitern gelang es gerade noch mit Sandsäcken auf der Polderwand ein Überlaufen zu verhindern.

Der Pegelstand lag am 17.1.2011 damit auch um 2 Zentimeter höher als im Jahr 1988, wo es noch keine Polderwand gab und das Hochwasser damals in die Mühlgasse strömte und die Anlieger weiter unten mit Booten von der Feuerwehr versorgt wurden.

Bei einem Hochwasser mit einem Pegelstand von 6,69 Meter wie im Jahr 1970 würde die Polderwand nichts mehr nützen.

 

 

 

Bedenklich war die Situation aus einem zweiten Grund besonders auch in der Oberen Maingasse: Hier strömte Wasser rückläufig über die Wiese an den Mainfrankensälen durch den Hof zwischen zwei Häusern auf die Maingasse hinter die Polderwand.

Überschwemmt war  auch der Zugang zu den Mainfrankensälen, so das hier keine Veranstaltungen stattfinden konnten. 

Die Köpfe der Waschfrauen schauten  gerade noch heraus.

(diese vier Fotos wurden bei der ersten Hochwasserwelle am 11.1.2011 gemacht, wo der Pegelstand noch 9 Zentimeter tiefer als am 17.1. war)

Die Einsatzkräfte hatten hier alle Hände voll mit dem Abpumpen des Binnen-Wassers hinter der Polderwand zu tun. Zum Glück regnete es nicht, denn aufgrund des Hochwassers müssen die Abläufe des Kanals in den Main geschlossen werden, denn sonst würde das Mainwasser aus den Kanälen hinter die Polderwand strömen. Es muss deshalb in der Obere Maingasse nicht nur das über die Wiese der Mainfrankensäle einströmende Mainhochwasser, sondern bei Regen auch das im Kanal ankommende Oberflächenwasser über die Polderwand gepumpt werden. Bei Starkregen würde die Polderwand nicht mehr viel nützen, denn dann würde die sie von hinten weggespült werden.

Fotos Dieter Gürz - Pläne und Zeichnungen Hoßfeld + Mobildeich-Fotos

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D
Zunächst einmal ist es zu begrüßen, dass sich die Gemeinde nach langen Jahren der Untätigkeit wieder mit Mainhochwässern, bzw. dem Schutz davor, beschäftigt. <br /> <br /> Die bisherige Hochwasserverbauung hat uns viele Jahre gute Dienste geleistet und zeigte, dass sie bis an die Grenzen belastet werden konnte. Bei den letzten Hochwässern, die im Pegel Würzburg mit Höhen zwischen 6,39 und 6,48 m ihr Maximum hatten, konnten dank der Verbauung und der tatkräftigen Unterstützung der Feuerwehren das Wasser aus dem Ort heraushalten. Die bewältigten Abflussmassen von knapp 1400 m³ pro Sekunde entsprechen übrigens statistisch einem 20-Jährigen Hochwasser. Inwieweit eine Erhöhung des bestehenden Schutzes von derzeit 0,6 m (was ist hier die Referenzhöhe) auf 1,0 m dazu beitragen kann, vor einem 10-Jährigen Hochwasser, das ja niedrigere Pegel hat als ein 20-jähriges, zu schützen, das muss kritisch hinterfragt werden.<br /> <br /> Wenn man den Hochwasserschutz ertüchtigt, dann sollte doch mindestens der Ist-Zustand (20-Jähriges Hochwasser) erreicht werden. Eine Aufdeichung auf 1 m (auch hier wieder die Frage nach der Referenzhöhe) ist sicher ein Schritt zu besseren Hochwasserschutz. <br /> <br /> Das Ingenieurbüro hat hier verschiedene Maßnahmen geprüft und nun ein System vorgeschlagen. Dieses soll, so der Beschluss des Gemeinderates, ja nun testweise an der Oberen Maingasse zur Anwendung kommen. Für 7 m werden hier 18.000 € investiert. Das entspricht einem Kostenaufwand von 2.571 € pro Meter! Und was will man damit Testen? Wenn ich hier auf diesem kleinen Abschnitt eine Polderhöhe von 1 m habe, dann würde dies ja nur das Wasser von vorn abhalten. Ein Hochwasserkonzept sollte aber berücksichtigen, dass das Wasser auch von den Seiten und auch von hinten kommen kann. Das hatten wir ja schon so erlebt. Wir hatten - verbotenerweise – die Bohlenwand um zwei Sandsacklagen aufgestockt und damit den Main auch im Zaum halten können. Nur kam das Wasser dann von den Mainfrankensälen unter den Garagen durch und über die Gärten geströmt. Mit vielen Pumpen und viel Engagement konnten wir das hier zuströmende Wasser dann doch dem Main zurückgeben, so dass die Anwohner der Oberen Maingasse vor schlimmerem bewahrt wurden. Wir wurden damals übrigens vom Leiter des Tiefbaus gerügt, der aufgrund des Überschreitens der Auslegungswerte lieber die Anwesen dem Wasser geopfert hätte.<br /> <br /> Sollte es bei dem Test nur darum gehen, wie sich das System in die Landschaft einfügt und ob Feuerwehr und Bauhof das bedienen können, dann sind letztere hier schon einen Schritt weiter. Wie beim Gemeindeinformationstag vorgestellt wurde ein Modul des Systems Boxwall angeschafft. Dies wäre grundsätzlich auch als Nachfolger für das Bohlenwandsystem am Main geeignet. Bei einer Wandhöhe von 0,75 m wäre das alte System durch eine flexible, einfach installierbare Wand in Steckbauweise ersetzbar. Und das zu einem Preis von unter 250 € pro Meter, einem Zehntel dessen, was der Gemeinderat nun ausgeben will. Man darf sich hier die Frage stellen, ob die am Informationstag anwesenden Ratsmitglieder hier nicht mal kritisch nachfragten, warum man jetzt auf ein anderes und viel teureres System wechseln will.<br /> <br /> Mit Zahlen kann man vieles erschlagen. 47 Millionen für den Vollschutz bei einem 100-jährigen Hochwasser. Das kann sich niemand leisten. Abgehakt und weiter im Programm. <br /> Werte Gemeinderäte, werter Bürgermeister, hier darf ruhig weitergedacht werden. Muss denn der ganze Ort geschützt werden? Möglicherweise nicht. Aber wie sieht es mit der kritischen Infrastruktur aus. Bei einem 100-jährigen Hochwasser wäre die Achse Würzburger Straße – Thüngersheimer Straße nicht mehr passierbar. Mit einer mobilen Hochwasserwand könnte dies verhindert werden. Gleiches gilt für die Kläranlage. Oder wichtige Kulturgüter wie die Synagoge oder die Vitusschule. Bei einem Extremhochwasser müsste zwar die Verkehrsachse aufgegeben werden, aber das Rathaus gesichert werden. <br /> <br /> Dieter Leimkötter
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