"Goldiges Kunstwerk" von Dr. Jürgen Lenssen ziert ab 29. September die barocke Vituskirche in Veitshöchheim als Gebetsort in 28 Sprachen
"Hier entsteht was Neues!" verkündet seit einigen Tagen ein Plakat, das in einer Nische zwischen dem Bilhildisaltar rechts und dem Muttergottesaltar der barocken Vituskirche im Veitshöchheimer Altort steht.
Wie aus dem im Kirchenraum ausliegenden Flyer hervorgeht, soll hier am 29. September 2024 um 10 Uhr bei einem Festgottesdienst ein von dem ehemaligen Kunstreferenten der Diözese Würzburg Domkapitular em. Dr. Jürgen Lenssen künstlerisch gestalteter neuer Ort des Gebets gleichermaßen für die Einheimischen als auch für die nach hier in großer Zahl aus unterschiedlichsten Ländern und Kulturen kommenden Menschen eröffnet werden. Die Nische, in der sich der schon lange nicht mehr benutzte (nicht historische) Beichtstuhl befand, soll künftig eine neue Stätte des persönlichen Gebets sein, an dem Kerzen angezündet werden können und Menschen ihre Anliegen, Sorgen, Dank oder einfach sich selbst und ihre Lieben "da lassen" können, wo Menschen für ihre Sehnsucht einen Ausdruck finden können und wo man ruhig werden könne.
Um diesen Ort vorzustellen, Hinter- und Beweggründe bekannt zu machen sowie auch die Bedeutung neuer Kunstwerke für den Menschen von heute zu erschließen, lud nun die Pfarrei St. Vitus zu einem gemeinsamen Pressetermin vor Ort ein, an dem v.l.n.r. Karen Heußner (Leiterin des Kulturamtes der Gemeinde), Bürgermeister Jürgen Götz, Domkapitular em. Dr. Jürgen Lenssen, Pfarrer Christian Nowak, Dr. Petra Reichert-Südbeck (Leiterin Touristik-Information Veitshöchheim) und Bruno Winter als Vertreter der Pfarrgemeinde (Gemeindeteam Veitshöchheim und Kirchenverwaltung St. Vitus) nach ihrer Meinung befragt wurden und welche Bedeutung sie dem neuen Kunstwerk beimessen.
Frage 1 an Pfarrer Christian Nowak:
Als im Juni das Patrozinium der Vituskirche gefeiert wurde, haben Sie angekündigt, dass noch in diesem Jahr ein neues Kunstwerk als neuer Gebetsort in die Kirche Eingang finden wird. Um was handelt es sich und wann können wir uns darauf freuen?
Antwort:
Es handelt sich um Kunst, die Menschen in tieferen Schichten mit Religion verbinden soll. Als Motivation für das neue Kunstwerk steht dahinter, dass es die Menschen vor Ort aus Veitshöchheim wie auch die vielen Besucher unseres Ortes aus dem In- wie Ausland gleichermaßen umschließt und anspricht. Es gibt kaum eine Minute, wo tagsüber die Türe zur Kirche nicht auf- und zugeht, wo Menschen reinkommen, die die Kirche wegen ihrer Schönheit anschauen, in ihr verweilen, hier beten, eine Kerze anzünden. Es gibt durchaus Tage, wo an einem Tag 80 bis 100 Kerzen auf dem Marienaltar stehen. Ich habe mit der Chefin der Tourist-Info gesprochen, die uns erstaunliche Zahlen mitgeteilt hat. Da die Kirche offenbar vielen Menschen aus dem Ort gleichermaßen aber auch von außerhalb Zuflucht gibt, die, auch wenn sie nur flüchtig reinschauen, hier ihre Anliegen, Sorgen oder Wünsche dalassen. Es entstand deshalb die Idee, für diese Menschen etwas Besonders, einen eigenen Ort zu schaffen, wo sie andocken können. Es hat sich dafür die Nische mit dem Beichtstuhl angeboten, der hier vor etwa 30 Jahren neu, also nicht historisch, mit historischer Blende davor, eingebaut wurde. Wie zu sehen, wurde die Sandsteinstufe abgesenkt und ein neuer Putz angebracht.
Frage 2 an Dr. Petra Reichert- Südbeck (Touristik-Info):
Pfarrer Nowak hat von den vielen Besuchern dieser Kirche berichtet, die aus unterschiedlichen Motivationen hierher kommen. Können Sie etwas über den Besucherstrom nach Veitshöchheim sagen und was das Unterscheidende zu anderen Gemeinden ist?
Antwort:
Veitshöchheim ist seit jeher ein sehr beliebter Ausflugsort vor allem an den Wochenenden, wo alle Gassen und die Mainuferpromenade überflutet werden. An Zahlen festmachen kann man das aber nur teilweise an den Übernachtungszahlen festmachen, die im Vorjahr bei etwa 30.000 Personen lagen mit einer durchschnittlichen Übernachtungsdauer von 1,9 Tagen. Veitshöchheim liegt damit im Landkreis an dritter Stelle hinter Eibelstadt und Frickenhausen. In den Zahlen nicht erfasst, aber stark nachgefragt, sind die Ferienwohnungen.
Bei den Tagesgästen kann man nur schätzen. Mit den Personenschiffen kommen jährlich etwa 50.000 Gäste. Es wurden im letzten Jahr im Ort durch die Touristinfo 23 öffentliche Gästeführungen mit 450 Personen veranstaltet und an 240 Gruppen mit insgesamt rund 4700 Teilnehmern Führungen vermittelt. Hinzukommen noch die vielen Veranstaltungen in den Mainfrankensälen wie die Fastnacht in Franken, Konzerte, Landes- und Weinbautage, Messen etc.
Wie viele Ausländer unter den Tagesgästen sind, lässt sich nicht beziffern. Beim Onlinebuchungs-System der Touristik wurden im letzten Jahr von den insgesamt 1130 Buchungen 13,3 Prozent aus dem Ausland getätigt. An der Spitze lagen die Niederlande (2,2 %) vor Belgien, Polen, USA, Italien (1,0 %), Österreich, Schweiz, Großbritannien, Frankreich, Dänemark und Tschechien (0,2 %).
Pfarrer Nowak stellt dazu fest: "Viele Menschen aus dem Ausland, die bei ihren Besuchen in Veitshöchheim Führungen wahrnehmen, übernachten, selbständig den Ort besichtigen und somit natürlich auch die St Vitus Kirche aufsuchen, können zukünftig hier einen Ort finden, in dem in ihrer Sprache das gleiche Gebetswort immer wieder auftaucht. Wenn Menschen hier ihre Sprache finden, dann vermittelt ihnen dies in der Kirche ein Stück Heimat, wo sie Dank, Bitte, Klage oder was auch immer vorbringen und mit dem Gebotswort "Herr, erhöre mein Gebet" abschließen können. Es wird deshalb dieses Gebetswort auf dem Kunstwerk in 27 verschiedenen Sprachen und auch in Braille-Blindenschrift (seh- aber nicht tastbar) wie folgt immer wiederkehren:
Frage 3 an Karen Heußner (Kulturamt):
Sie leiten das Kulturamt in Veitshöchheim. Was sagen Sie dazu, dass es in unserer Kirche einen neu gestalteten Gebetsort geben wird?
Antwort:
Kirche ist ein wichtiger Ort von Kultur. Sie bietet nicht nur einen religiösen Zugang, es ist auch immer ein Stück Kunst und Geschichte dabei, was sich alles in einer Ebene wiederfindet.
Erfreulich ist, dass mit Dr. Lenssen ein Künstler ersten Ranges gewonnen werden konnte, der in Franken viel gearbeitet und die größte nicht zusammenhängende Ausstellungsfläche von Museen geschaffen hat, um hier einen schlichten, aber aussagekräftigen neuen Ort zu schaffen, der die Sehenswürdigkeiten des Ortes bereichert. Außerdem ist Kunst immer auch von heute - jede Zeit drückt sich selbständig in ihrer Form aus. Ich denke, dass es spirituell ein wertvolles Kunstwerk und so ein Beitrag nicht nur zum kirchlichen, sondern auch eine ganz große Bereicherung für unser künstlerisches und soziales Umfeld im Ort, für Fremde genauso wie für Einheimische ist.
Frage 4 an Bürgermeister Jürgen Götz
Der Slogan „Veitshöchheim - so lässt sich´s leben“ steht über dem Ort, der auch der geographische Mittelpunkt der EU ist. Was sagen Sie zu dem Vorhaben?
Antwort:
Ich finde es eine tolle Idee, diese Möglichkeit in der jetzigen Zeit, in der sich die Krisen global überlagern, einen solchen Gebetsort zu schaffen. Ich bin gespannt, wie es ausschauen wird. Ich kann mir vorstellen, dass das Kunstwerk von Jürgen Lenssen auch moderne Züge haben wird.
Frage 5 an Dr. Jürgen Lenssen
Ihnen ist es wichtig, dass auch heutige Kunst und modernes Stilempfinden zum Menschen spricht. Sie haben dankenswerterweise für St. Vitus einen neuen Gebetsort gestaltet. Erschließen Sie uns doch ihr Kunstwerk inhaltlich, künstlerisch und spirituell.
Antwort:
In einer Zeit der Entkirchlichung, die noch längst nicht ihr Ende gefunden hat, spielt die Frage der Gestaltung eine große Rolle. Es muss ein Ort sein, der die Menschen formal und auch sprachlich anspricht, auf den sie sich einlassen. Die hier ihre Kerzen aufstellen, gehören nicht unbedingt zu den Frommen. Es sind meist Menschen, die einfach einen kurzen Moment des Erinnerns irgendwo auf etwas setzen, was sie sich selbst nicht vorstellen können, wie den lieben Gott.
Der emeritierte Domkapitular der Diözese Würzburg, von 1991 bis zum 31. Mai 2017 das Kunstreferat der Diözese leitete, erläuterte dann den für sein Kunstwerk gefertigten Skizzenentwurf, wie er hier nachstehend mit entsprechender Verdeutlichung der Bleistiftlinien veröffentlicht ist:
Das Kunstwerk besteht aus drei Metallflächen aus Cortenstahl. Die mittige 1,0 Meter breite Platte schwingt sich nach oben aus dem Nischenbogen heraus und steht oben auf 2,30 Meter Höhe gegenüber dem Sockel 0,6 Meter über. Belegt ist sie mit 10 x 10 Zentimeter großen Blattgoldtäfelchen, wodurch sie eine Struktur und besondere Erscheinung bekommt.
Integriert in die vergoldete Platte ist auf einer Höhe von 0,70 Zentimeter auf der ganzen Breite ein nach unten bis zur Nischenkante auf eine Höhe von 0,5 Meter abgehende treppenartiges Regal in schwarzer Farbe mit vier Stellflächen, auf der bis zu 100 Kerzen platziert werden können.
Darunter befindet sich dann in einer Tiefe von 20 Zentimeter die ebenfalls schwarze Abstelllade mit Kerzenkorb und Kasse.
Beidseits werden in kleinem Abstand von 10 Zentimeter etwas zurückversetzt 1,70 Meter hohe und 0,5 Meter breite Tafeln aus dem sehr lebendigen braunen Cortenstahl installiert. Auf diesen Tafeln kann man dann in perlweißer Farbe in 27 Sprachen und in Braille-Schrift "Herr, erhöre mein Gebet" lesen, wer, so Lenssen, auch immer dieser Herr sein mag. Die Schriftbreite beträgt 40 Zentimeter.
Daraus wird deutlich, so Lenssen, dass es ein Werk der Gegenwart ist. "Ganz entscheidend war für mich", so sagt der 77jährige, "hier keinen Kasten in die Nische zu platzieren, sondern hier nicht reingezwängt durch das Überschwingen der vergoldeten Platte aus der Nische heraus nach draußen eine gewisse Symbolik zum Ausdruck zu bringen. Wer hier vor der herausschwebenden Platte steht, kann sich geborgen und umfangen von dem Glanz des Goldes fühlen. Gold sei schon immer die Farbe zur Darstellung von Zeit und Raum. Und die Gebete, die hier gesprochen werden, können über die vorstehende Goldplatte nach oben gelangen.
Pfarrer Christian Nowak freut sich schon auf die Eröffnung des Gebetsortes hier in dieser Nische. Bei einer Stellprobe mit der Rohfassung in der letzten habe er gesehen, dass das Kunstwerk unglaublich beeindrucke und hier super reinpasse, mit der historischen barocken Ausstattung der Kirche sehr gut korrespondiere, sich galant einfüge und mit dem Raum spreche. So habe man die rotbraune Farbe des Cortenstahls beispielsweise im Sockel der Madonna, an den Säulen, in der Tür und oben im Altarraum, die Farbe des Goldes an allen Altären.
Die Nische soll nun auch ein Ort sein, wo Menschen mit einer brennenden Kerze ihr Anliegen unterstreichen und was da lassen könnten, wenn sie gehen.
Link auf Vita Jürgen Lenssen
Frage 6 an Bruno Winter
Das Thema wurde auch in den Gremien der Pfarrgemeinde Gemeindeteam Veitshöchheim und Kirchenverwaltung St. Vitus hier vor Ort beraten und diskutiert. Wie waren hier die Meinungen?
Antwort:
Uns war klar, dass man in so einer Kirche mit so einem Besucheraufkommen nicht einfach aus dem Katalog einen Kerzenständer kaufen, reinstellen und ein Bild an die Wand hängen. Es musste schon was Wertiges sein. Deshalb haben wir uns an Dr. Lenssen gewandt, in der Hoffnung, dass er den Auftrag übernehmen und den künstlerischen Entwurf kostenfrei fertigen wird.
Wir hatten eine gute Grundidee, aber es ist nun etwas ganz anderes geworden. Sowohl die Kirchenverwaltung als auch das Gemeindeteam finden das Projekt sehr gut und stehen voll dahinter, weil es sich in das Gesamtkonzept der Vituskirche einfügt und eine andere Schwerpunktsetzung kultureller Art hat, ein Anlaufpunkt für alle die hier durch- und reinkommen.
Für Pfarrer Nowak erweitert der Gebetsort das kulturelle Spektrum der Vituskirche, hebt sie weiter heraus und stärke und fokussiere sie über den normalen Auftrag jeder Kirche hinaus. Dazu gehöre, dass bereits die Kirchenmusik groß gemacht und installiert wurde, gibt es Führungen, war der Faschingsgottesdienst, sind an den großen Feiertagen die Hauptgottesdienste, die Hubertusmesse und auch die Tatsache, dass Vituskirche ein an jedem Tag offenes Denkmal ist.
Deshalb können sich laut Pfarrer alle freuen, dass am 29. September der Gebetsort innerhalb des Festgottesdienstes mit Feier durch Pfarrer Lenssen eröffnet und gesegnet und der Künstler darüber predigen und ihn für alle erschließen wird.
Nachdem Gottesdienst ist "Begegnung" auf dem Bremsermarkt rund um die Kirche angesagt.
Zuvor wird sich hier in den nächsten Wochen in der Nische und außen herum noch einiges tun.
Die Arbeiten werden ausgeführt von der Kunstschmiede Schrepfer in Würzburg mit Beteiligung der Firma Christoph Schädel Restaurierungen in Randersacker hinsichtlich der Beschriftungen. Tätig waren natürlich auch Naturstein- und Verputzer-Firmen. Die Gesamt-Auftragssumme wollte der Pfarrer noch nicht verraten. Wer den besonderen Gebetsort finanziell unterstützen möchte, kann dies durch eine Überweisung auf das Pfarramtskonto St. Vitus, Verwendungszweck "Gebetsort tun.