Themenabend des P-Seminars "Kulturweg" des Gymnasiums in der Bücherei eine tolle Begegnung mit örtlichen Künstlern und kulturellen Einrichtungen
Nach der multimedialen Erkundungstour durch Veitshöchheim ("Veits de tour") im Vorjahr, befassten sich dieses Jahr 13 Jugendliche aus der Q 12 des Gymnasiums Veitshöchheim (dem letzten G 8-Jahrgang) in einem P-Seminar der Lehrkräfte Irmgard Ellinger und Dr. Rainer Bach unter dem Titel „Veitshöchheimer Kulturweg“ mit der lokalen Weinkultur, dem Veitshöchheimer Fasching, dem Jüdischem Kulturmuseum, der Bücherei im Bahnhof und suchten die Begegnung mit ansässigen Musikern und Künstlern.
Sie hatten nun zu einem Themenabend in die Bücherei im Bahnhof eingeladen, bei dem sie die Ergebnisse ihres Seminars mit Kurzfilmen, interessanten Interviews und Live-Musik präsentierten und dabei zweieinhalb Stunden lang einen kurzweiligen, höchst interessanten und aufschlussreichen Eindruck vom facettenreichen, kulturellen Leben Veitshöchheims vermittelten, sehr zur Freude der Büchereileiterin Dr. Astrida Wallat. Seit Juli haben die Jugendlichen an diesem Thema in Teams gearbeitet, wofür ihnen nur zwei Wochenstunden im Lehrplan zur Verfügung standen.
Die Büchereileiterin bei der Begrüßung der Gäste
Durch das Programm führten Mona Hietel und Amelie Kutscher, während ihr Klassenkamerad Toni Vorndran als Tourist "Antonio" auf Entdeckungsreise ging und auf dem Veitshöchheimer Kulturweg wandelte,
so auch durch den Hofgarten und in die Vituskirche. Beide Sehenswürdigkeiten wurden von einer Gruppe des P-Seminars bildlich vorgestellt und dabei von Julius Bien erläutert.
Den musikalischen Reigen eröffnete der ob seiner Virtuosität und Ausdrucksstärke herausragende Cellist Julius Bien, von seinem Vater Professor Dr. Florian Bien meisterhaft am Klavier begleitet. Der Professor leitet an der Uni Würzburg den Lehrstuhl für Globales Wirtschaftsrecht, internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Bürgerliches Recht. Sein Sohn ist seit Herbst 2021 Gaststudent für Cello in der Frühförderklasse an der Hochschule für Musik in Würzburg.
Das Duo begeisterte das Publikum zunächst zur festlichen Eröffnung mit Beethovens langsamen Satz "Geistertrio".
Breiten Raum ein nahm dann als erstes das Thema Wein mit der Biologin und Wildlebensraumberaterin Dr. Beate Wende vom Institut Weinbau der LWG Veitshöchheim ein, zunächst filmisch im Weinberg Scharlachsgrund der LWG, dann von Lennard Hartmann im Interview vor Ort befragt.
Schließlich kredenzte die Weinerlebnisführerin noch zur Verkostung nicht verkäufliche Weine der LWG wie Silvaner, Müller-Thurgau, Spätburgunder im Holzfass und einen Secco. Hier gab auch Schulleiter Dr. Bernhard Brunner sein Urteil ab. Bei der Vorstellung der einzelnen LWG-Institute wies sie auch auf deren Projekte wie Blühmischungen und Stadtbäume hin.
Als fränkisches Gewächs in Marktsteft (Land, kreis Kitzingen), aufgewachsen, wie Wende im Interview erklärte, kam sie bereits als Kind mit den Weinbergen in Berührung. Ihre Eltern fingen 1986 mit einem kleinen Weinberg an. Die Beobachtung der neugierigen Zauneidechsen in den Rebzeilen mündete nach der Ausbildung zur Chemie-Laborantin in ein Biologie-Studium mit Schwerpunkt Zoologie an der Universität Würzburg.
Nachdem sie während ihrer Diplomarbeit mit dem Kescher auf Wiesen unterwegs war, um die Abhängigkeit von Pflanzen Wespen auf Pflanzenarten zu untersuchen, verlagerte sie ihre Doktorarbeit in den Wald, wo sie die Effekte von intensiver und nachhaltiger Waldbewirtschaftung auf die Totholzkäfergemeinschaft dokumentierte.
Seit März 2017 arbeitet Dr. Beate Wende an der LWG. Hier leitete sie zunächst das Forschungsprojekt zu dem invasiven Schädling „Kirschessigfliege“ und untersuchte die Vergrämungsleistung des Wirkstoffs Kaolin. Sie betätigt sich als Gartenbotschafterin und Weinbauberaterin von Maßnahmen zum Erhalt und zur Steigerung der Biodiversität in Weinbergen, die Winzer einfach und ohne großen Mehraufwand umsetzen können.
Ihr Wunsch ist, dass die Gärtner ein bisschen mehr Unordnung im Garten zulassen und nicht alles akkurat gepflegt und gejätet ist. Mal einen Laub- oder Reisighaufen liegen lassen, Disteln und Brennnesseln ein Eck im Garten zugestehen, alte Baumstümpfe erhalten und nicht rausreißen – und sich dann am Gewimmel der Bienen, Hummeln, Käfer und Schmetterlinge erfreuen.
Nach dem Weingenuss war Tourist "Antonio" zum Feiern in der Faschingshochburg Veitshöchheim zumute. Der Weg führte ihn auch zu Bein die Bahnhofstraße, wo der Sitz des Fastnacht-Verbandes Franken (FVF) 2015 mit allerlei Fastnachtsgestalten publikumswirksam zu einer neuen touristischen Attraktion des Ortes aufpoliert wurde und wo per Video der Fastnachts-Ehrenpräsident Bernhard Schlereth die Einzigartigkeit des Faschings und seiner 350 Vereine in Franken pries.
Vor Ort in die Bücherei waren die schon seit einem Jahrzehnt tänzerisch aktiven VCC-Tanzmariechen Alea Bertignoll und Katharina Skusa (rechts) gekommen, die befragt von Expertin Lena Blass (2. v.l.) und Mona Hietel (li.) ihre langärmeligen Tanzkostüme präsentierten und aus dem Nähkästchen plauderten, dass sie wöchentlich zwei mal zwei Stunden Marsch- und Schautanz trainieren, in zwei Prunksitzungen und auf vier Turnieren auftreten und natürlich auch beim Rosenmontagszug als Bärchen mitmarschieren.
Nach der Pause wurde filmisch zunächst das Musiklehrer-Ehepaar Bernhard (Gitarre) und Claudia (Gesang) von der Goltz mit anschließendem Live-Interview in Szene gesetzt.
Beide gehören zusammen mit dem örtlichen Profimusiker Rainer Schwander dem von Bernhard 1998 gegründeten Tango-Klezmer-Quintett „Hot&Cool“ an (auf dem Foto oben im Hintergrund zu sehen), das dreimal jährlich zu einem Probenwochenende zusammenkommt und hier dann auch jeweils ihre Auftritte bestreitet. Neuerdings hat ihre Tochter Laura den Geigenpart übernommen. Das Ehepaar tritt seit einigen Jahren zusammen mit Matthias Ernst auch als "Trio Clarino" auf, bei dem Claudia von der Goltz in die Fußstapfen von Jazzsängerinnen wie Ella Fitzgerald tritt.
Das Paar gab dann Kostproben ihres Könnens mit dem jiddischen Lied "Die Tränen des Müllers" von Mark Warschawski ( 1848-1907), dessen Texte nach den Vorkommnissen in Israel aktueller denn je ist.
Als nächstes brillierten Julius und Florian Bien mit Beethovens "Sonate A-Dur opus 69 für Klavier und Cello, 1. Satz".
Amelie Kutscher interviewte dann den Veitshöchheimer Musiker Christian Hartung (Geige, Cello, Drehleier und Akkordeon), der schon seit 28 Jahren dem Französischen Folkmusik-Quartett Laridée angehört. Nach 2015 bei den Sommerkonzerten im Synagogenhof gab Laridée am 7. Oktober 2023 wie schon 2019 und 2002 im Bacchuskeller in Veitshöchheim ein Konzert.
Hartung war es dann auch, der am Ende der Veranstaltung mit seiner Drehleier einen außergewöhnlichen musikalischen Schlusspunkt setzte.
Die Sightseeing-Tour von Antonio und seiner Begleiterin führte auch in die Werkstatt der Holzbildhauerin Antje Friederich, die gerade dabei war, mit der Kettensäge unterschiedliche Blütenformen wie Sonnenblumen, Tausendschön, Margarite oder Vergißmeinnicht zu gestalten und dann zu bemalen, auch als Lichtblicke im Alltag angesichts der derzeit schlimmen globalen Katastrophen.
Diese Blumenpracht kann auf dem Rasen, genauso aber auch wie ein Bild bündig an Wänden angebracht werden. Wie sie der Interviewerin Mona Hietel in der Bücherei erzählte, kam ihr diese Idee durch die Prilblumen des Grafikers Friedrich Probst, die 1972 als Aufkleber auf den Spülmittelflaschen der Firma Henkel im Sinne der Flowerpower-Bewegung zum Kultobjekt und „Symbol der 1970er Jahre“ wurden.
Studiert hatte die Holzbildhauerin nach dem Abitur, das sie 1980 in Würzburg mit dem Leistungskurs Kunst abgelegt hatte, Psychologie. Nach einigen Auslandsaufenthalten wie Neuseeland und Kanada wurde das seit der Kindheit bestehende Interesse an der Holzschnitzerei immer größer. So begann sie 1993 eine Ausbildung für Holzbildhauerei in Bischofsheim in der Rhön, die sie erfolgreich abschloss. 2005 zog Antje Friederich mit ihrer Familie nach Veitshöchheim. Hier entdeckte sie ihre Leidenschaft zur Kettensäge und baute sich ihre Werkstatt.
Gedreht wurde auch ein Video zum Jüdischen Kulturmuseum mit Synagoge, wo die gemeindliche Kulturreferentin Dr. Martina Edelmann die Fragen der Gruppe beantwortete. Tim Müller und Amelie Kutscher berichteten über ihre Eindrücke an den beiden Drehtagen, an denen ihnen Edelmann Einblicke in die Wiederherstellung der Synagoge 1994 und der musealen Neugestaltung als "Schauplatz Dorf" im Jahr 2019 gab. Hier ist aufgrund der Genisafunda das Leben der Juden in Franken, das die Region über drei Jahrhunderte entscheidend prägte, auf vielfältige Weise dargestellt. Hier befindet sich die einzige vollständig eingerichtete historische Synagoge im Raum Unterfranken, die auch wieder als religiöser Ort nutzbar ist. Die bei Bauarbeiten im Zwickel über dem Betsaal der Synagoge im Jahr 1986 entdeckte "Genisa", ist die umfangreichste ihrer Art, die bislang im deutschsprachigen Raum entdeckt wurde. Im Judentum dürfen Texte, auf denen der Name Gottes zu lesen ist, nicht einfach weggeworfen werden. Sie wurden in den Dachböden der Synagogen aufbewahrt. Daran hielt man sich bis ins 20. Jahrhundert auch in vielen Gemeinden Unterfrankens.
Die P-Seminaristen brachten anhand einiger dort ausgestellten Biografien jüdischer Mitbürger in Erfahrung, wie beispielsweise damals mit einer Minderheit umgegangen wurde, wie man um 1850 wohnte und was in der Schule unterrichtet wurde. Es war dies nicht die erste Kooperation des Kulturamtes mit dem Gymnasium. Eine solche besteht auch mit der Uni Würzburg sowie ein Netzwerk jüdischer Einrichtungen in anderen Gemeinden.
Erörtert wurde auch die Frage, was heutzutage im Medienzeitalter noch für ein Museum spricht.
Dieselbe Frage stellte Mona Hietel auch der Büchereileiterin Dr. Astrida Wallat, nachdem im letzten Beitrag im Film von den P-Seminaristen die Bücherei im Bahnhof vorgestellt wurde.
Wallat: "Wir haben festgestellt, dass das Buch nicht auf dem absteigenden Ast ist. Es wird viel mitgenommen und gelesen. Aber wir haben auch andere Angebote wie Hörbücher, einen großen Ebook-Verbund mit anderen Bibliotheken und für die kleinen Kinder gibt es immer wieder Neuigkeiten wie Kopfhörer und Hörsticks zum Geschichten anhören. Für ihre Vielseitigkeit als Lese- und Veranstaltungsort erhielt die Bücherei 2021 den Hauptpreis des Bayerischen Bibliothekspreises.
Der Bestand umfasst ca. 26.000 ausleihbare Medien, darunter Bücher, Zeitschriften, CDs, CD-ROMs, Tonies, Tigercards, Spiele und DVDs. Im November 2022 wurde unter dem Namen "Güter-Bahnhof" zudem eine Bibliothek der Dinge eingerichtet. Somit können auch einzelne Gegenstände wie ein Popcornmaker, eine Nintendo Switch, eine Slackline oder kreative Backformen entliehen werden. Im März 2023 realisierte die Bücherei in Kooperation mit dem Gymnasium als Leseförderprojekt ein eigenes Kinderbuch unter dem Titel "Die kleine Lokomotive Veit". In der Bibliothek stehen neun Computer zur Internetrecherche zur Verfügung. Daneben bietet die Bibliothek auch Tageszeitungen, Ausstellungen und Veranstaltungen. Es besteht die Möglichkeit, Medien, die nicht zum Bestand der Bibliothek gehören, per Fernleihe zu bestellen.
Zum Abschluss dankten Seminarleitung und die Q 12ler allen Mitwirkenden, die zum grandiosen Gelingen des Abends beigetragen haben, mit einem Schokoladenpräsent.
Fotos Dieter Gürz