Viel Lob gab es für die Durchführung der 1. Wattwanderung der Gemeinde zu Best-Practise-Beispielen für gelungenen Klimaschutz und Stromerzeugung
An die 40 an Klimaschutz und Energiewende Interessierte konnte am Samstag 22. April Bürgermeister Jürgen Götz zusammen mit seinem Klimaschutzmanager Jan Speth (rechts) zu Beginn der 1. von Speth organisierten Veitshöchheimer Wattwanderung im Anwesen der Eheleute Rainer Hirn und Margret Simmelbauer (Bildmitte) begrüßen, die 2022 mit dem Klima- und Umweltschutzpreis der Gemeinde ausgezeichnet wurden.
Der Bürgermeister brachte seine Freude zum Ausdruck, an fünf Stationen drei Best-Practice-Beispiele von Veitshöchheimer Bürgern und zwei Projekte der Gemeinde für gelungenen Klimaschutz und Stromerzeugung vorzeigen zu können und drei Bürger sich spontan bereiterklärt haben, ihre Erfahrungen weiterzugeben.
Um es vorwegzunehmen: Die Veranstaltung wurde super angenommen. Jan Speth: "Wir konnten bei der Wattwanderung Themen bedienen, die aktuell in aller Munde sind. Sprich wir haben den Zeitpunkt dafür in der Hinsicht ganz gut gewählt. Für den ein oder anderen Häuslebauer aus dem Wohngebiet Sandäcker hätte es natürlich schon früher sein müssen. Aber zu diesem Zeitpunkt hat man auch die Gasheizungen noch nicht so in Frage gestellt, wie man es nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine tut."
Eine Teilnehmerin aus der Gartensiedlung: "Die Veranstaltung hat mir persönlich sehr viele neue Erkenntnisse gebracht hat. Ich wünsche mir Veranstaltungen in einem ähnlichen Format zu weiteren Themen auch in Zukunft, beispielsweise zum Heizungstausch."
Ein anderer Teilnehmer sagte nach der Veranstaltung: "Ich fand es super, mal konkrete Praxisfälle zu sehen. Man konnte auch mal in den Keller gehen und sich die Speicher anschauen. Ich fand es sehr kurzweilig."
Station 1 - Anwesen Hirn/Simmelbauer, Seinsheimstraße
Professor Dr. Rainer Hirn, Elektrotechnik-Dozent an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt, gab einen Einblick, wie er mit viel Eigenleistung das 1981 erbaute Reihenendhaus mit 180 Quadratmeter Wohnfläche sehr passioniert in ein Plus-Energiehaus mit Vollwärmeschutz, Dreifachverglasung, Zentrale Lüftungsanlage, Direktverdampfer-Erdreich-Wärmepumpe, 20 kWp-Photovoltaik-Anlage auf allen Dachflächen, Batteriespeicher und Wassererwärmung durch Solarthermie ausgestattet hat und seine Familie zuletzt auf zwei E-Autos (Tesla Modell 3 und e-Smart) umstieg sowie ein Energiemanagement mit Handy-App.
So konnte der Elektromeister die CO²-Emisssion von zuvor 10,6 Tonnen jährlich (30.000 kWh Gasheizung, 6.000 kWh Strom und fossiler Verbrenner-PKW 12000 km) um das 17,5fache auf 0,6 Tonnen mindern. Hinzu kommt noch durch die Einspeisung von 13.800 kWh der PV-Erzeugung von insgesamt 18.300 kWh eine Einsparung von 5,4 Tonnen CO² in Kraftwerken.
Um das komplette Haus inkl. Heizung und Mobilität zu betreiben wurde 2022 nur ein Stromverbrauch von 6000 kWh benötigt, so 2600 kWh für den Haushalt, 1000 kWh für die Wärmepumpe und 2400 kWh für die Elektroautos (was einer jährlichen Fahrleistung von 12.000 km entspricht). Der Heizbedarf wurde durch die Dämmung und die Solarthermie um das Siebenfache reduziert.
Dem Strombezug aus dem öffentlichen Netz von 1500 kWh steht eine Einspeisung on 13.800 kWh gegenüber. Die Familie zahlt so 550 Euro an die Energie und erhält 1500 Euro im Jahr für die PV-Einspeisung zurück. Der Gewinn alt (vor Invest) - neu beträgt so jährlich 6.850 Euro jährlich.
Bei einem Gesamtinvest (ohne Eigenleistungen) von 90.000 Euro kommt Hirn so über 30 Jahre gerechnet auf eine Ersparnis von 190.000 Euro an Energiekosten, so dass sich der Aufwand von 90.000 Euro bereits nach elf Jahren amortisiert hat.
Bei der Diskussion wurde aber deutlich, dass die Investkosten um ein Mehrfaches höher gewesen wären, wenn alle Arbeiten Fachfirmen ausgeführt hätten.
Folien über die durchgeführten Maßnahmen
Station 2 - Mehrfamilienhaus Herrnstraße 15
Die Kombination einer Photovoltaikanlage mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe stellte Umweltreferent Günter Thein im seit 2022 bewohntem Anwesen Herrnstraße 15/16 (vier Eigentumswohnungen) vor.
Die PV-Anlage mit einer Größe von 4,85 kWh Peak und Kosten von 8550 Euro erzeugt 5895 kWH, davon erfolgt ein Eigenverbrauch nur für die Wärmepumpe von 1690 kWh, so dass rd. 4.000 kWh eingespeist werden. Die Vergütung hierfür liegt bei 400 Euro. Die Amortisation liegt laut Thein bei acht Jahren. In der letzten Zeit hätten sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für PV-Anlagen wesentlich verbessert.
Die 12.000 Euro teure Wärmepumpe leistet 3 bis 10 kWh. Im Einsatz ist weiter ein 750 Liter großer Heizwasser-Pufferspeicher, der 2000 Euro kostete. Es muss nicht auf 60 Grad aufgeheizt werden.
Verbrauchszahlen liegen noch keine vor. Gas wird nicht benötigt.
Nachrüstbar ist noch Mieterstrom und ggf. auch eine Erweiterung der PV-Anlage, ggf. auch ein Stromspeicher.
Station 3 - am Standort des Neubaus des Hauses der Schulkindbetreuung auf dem Parkplatz an der Eichendorffschule
Hier schilderte der Klimaschutzmanager die Vorteile einer Kombination Photovoltaikanlage und Dachbegrünung, die bei der Generalsanierung der Eichendorffschule auf den Flachdächern nach dem Muster links vorgesehen ist.
Wie auf dem Luftbild zu sehen, bieten die Flachdachflächen der einzelnen Schulgebäude ein großes Potential an Begrünung und PV-Anlagen.
Dachbegrünungen haben nicht nur optische, sondern auch zahlreiche andere Vorteile. Hierzu zählen beispielsweise positive Effekte auf das Klima, die Förderung und der Erhalt der Artenvielfalt, der Schutz vor der zunehmenden Feinstaubbelastung und vor Lärm sowie eine effektivere Regenwasser-Bewirtschaftung.
Gründächer wirken wärmedämmend im Winter und als Hitzeschild im Hochsommer. Die sommerlichen Temperaturen liegen in einem begrünten Gebäude im Schnitt rund 3 bis 4° C unter denen eines unbegrünten und ungedämmten Dachs.
Ein Gründach schafft so ein angenehmeres Gebäudeklima und hilft, Energiekosten für Heizung oder Klimaanlage einzusparen. Die Vegetation schützt zudem die Dachabdichtung vor Wettereinflüssen, so dass
Extensiv begrünte Dächer halten im Jahresmittel etwa 60 bis 90% der Gesamtniederschlags zurück. Bei Intensivbegrünungen können es sogar bis zu 99% des Niederschlags sein. Dadurch werden die maximalen Abflussspitzen bei Starkregenereignissen um 50 bis 100% gemindert. Das Regenwasser gelangt erst mit Verzögerung in die Kanalisation und verhindert so ein Überlaufen und Überschwemmungen.
Wird eine Photovoltaik-Anlage auf einem Gründach montiert, so lässt sich hierdurch die Wirkungsweise der Solar-Anlage um fünf bis 20 Prozent steigern. Durch eine PV-Anlage zur Eigenstromversorgung kann der Stromverbrauch der Schule deutlich reduziert werden.
Schließlich erläuterte Speth noch das gemeindliche Förderprogramm für eine Fassaden- und Dachbegrünung (siehe nachstehender Link).
Station 4 - Reihenhaus Winfried Knötgen, Helen-Keller-Straße
Winfried Knötgen in der Helen-Keller-Straße zeigte, wie man an einem Reihenhaus eine Photovoltaikanlage mit Stromspeicher für ein Elektroauto nutzen kann.
Er investierte seit 2012 72.000 Euro (davon 12.000 Euro Förderung) in energetische Maßnahmen wie Dämmung, Fensterabdichtungen, neue Heizungsanlage mit Solarunterstützung, Photovoltaikanlage mit Speicher und in zwei Elektroautos.
Bereits beim Heizungsaustausch im Jahr 2014 hatte Knötgen vier Solarelemente (8 m²) für den 800 Liter-Warmwasser-Pufferspeicher installiert.
Im August 2016 kam dann noch eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach mit 14 Modulen der Firma Suntec Energiesysteme Wolkshausen mit je 250 Watt auf einer Fläche von 23 m² mit einer Anlagengröße von 3,64 KWp und Kosten von 13.000 Euro netto hinzu (Samsung-Batterieanteil 7.000 Euro). KfW-Förderung 1.580 €. Durch die SSW-Ausrichtung des Daches mit zehn bis zwölf Stunden Sonneneinstrahlung im Sommer wird eine Einspeiseleistung von 2,55 kWh erreicht. Bei Sonnenschein am Tag, reicht der Speicher in der Nacht für Licht, Fernseher und Kühlgeräte als Eigenverbrauch aus. Wenn der Speicher leer sei, werde automatisch das öffentliche Netz angezapft.
Durch die Einspeisevergütung von durchschnittlich 26 Euro im Monat fallen in Knötgens Zwei-Personenhaushalt allerdings keinerlei Stromkosten an. Die Photovoltaik-Anlage amortisiere sich so nach zwölf Jahren. Über einen W-LAN-Anschluss kann der Hausherr die Daten per PC oder Handy kontrollieren.
Am kostenintensivsten war für den Hauseigentümer 2014 nach 30 Jahren Betrieb der Ersatz der beiden alten Gasbrenner für die Fußbodenheizung im Erdgeschoss und die Heizkörper im Obergeschoss sowie für das Warmwasser. Knötgen entschied sich jedoch für einen 29.000 Euro teure Vaillant-Gasbrennwertanlage mit einem durch vier Solarpaneele auf dem Dach unterstützten 800 Liter-Warmwasser-Pufferspeicher, gefördert durch einen 3.000 Euro Zuschuss der KfW. Seit dem Heizungsaustausch hat sich der Gasverbrauch im Knötgen-Haushalt um ein Drittel reduziert.
Durch all die vorgenannten Investitionen und durchgeführten Dämmmaßnahmen, so sagt der Hauseigentümer voller Stolz, habe nun seine Haus den Status eines Passivhauses. Knötgen hat ermittelt, dass er gegenüber 2013 im Jahr 1.500 Euro Energiekosten einspart.
Station 5 PV-Anlage Geisbergbad
Hier erläuterte Jan Speth die 2015 errichtete Photovoltaikanlage der Gemeinde im Hang unterhalb des Geisbergbades.
Es ist dies eine netzgekoppelte Freiflächen-Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 70,2 kWp. Der durch die PV-Anlage erzeugte Strom wird zu etwa 80 Prozent im Schwimmbad (Jahresverbrauch ca. 250.000 kWh) selbst verbraucht. Der Rest wird in das öffentliche Netz eingespeist und vergütet. Die CO2-Einsparung durch die Anlage liegt bei über 45 Tonnen pro Jahr.
Auf der Ostseite des Geisbergbad-Grundstückes wurde auf einer Fläche von etwa 600 Quadratmeter auf dem Trinkwasser-Hochbehälter 2011 eine PV-Anlage mit einer Anlagenleistung von 37,44 kWp errichtet. Jährlich produziert die Anlage etwa 34.632 kWh Strom, die in das öffentliche Netz eingespeist und vergütet werden. Die CO2-Einsparung liegt bei ca. 20,8 Tonnen jährlich. Die Gemeinde strebt laut Speth an, künftig die PV-Anlage zur Eigenversorgung des Geisbergbades mit zu verwenden.
Auf den Mainfrankensälen wurde 2014 auf einer Teilfläche des Daches eine PV-Anlage mit 230 Modulen und einer Leistung von 55,2 kWp installiert. Etwa 33 Tonnen CO2 spart die Anlage jährlich ein. Die Einspeisung des Stroms erfolgt in die Gaststätte, der Überschuss wird in das öffentliche Netz abgegeben. Neben der PV-Anlage erzeugt auch ein Blockheizkraftwerk (BHKW) einen beträchtlichen Anteil des Stromes, den das Veranstaltungszentrum verbraucht. Die Ertragsleistung ist online für jedermann aufrufbar (siehe nachstehender Link).
Link auf online-Daten PV Anlage Mainfrankensäle
2011 wurden auf der 1300 Quadratmeter großen Dachfläche der Dreifachturnhalle 544 monokristalline Solarmodule des deutschen Herstellers ALEO installiert. Bei der Installation hieß es, dass die 130 kWp-PV-Anlage mit 120.000 kWh pro Jahr den Energiebedarf für 50-60 Haushalte deckt. Von der Rendite der Anlage profitieren auch Veitshöchheimer Bürger als Eigenkapitalgeber. Bauherr der Anlage war als Partner der Energieversorgung die 2010 gegründete GenoEnergieKarlstadt eG (200 Mitglieder), die für die Veitshöchheimer Anlage zwölf Genossenschafts-Anteile zu je 5000 Euro mit einer jährlichen Rendite von bis zu fünf Prozent ausgab.
Weitere PV-Anlagen plant die Gemeinde laut Speth auf dem zweigruppigem Kita-Neubau am Kuratiekindergarten und im Bereich der Kläranlage.
Fotos Dieter Gürz