Artikel aktualisiert: Wildschweine raubten einer Anliegerin in der Veitshöchheimer Schumacherstraße viele Wochen den Schlaf und den letzten Nerv
Fast zwei Monate war eine in der Reihenhausanlage in der Schumacherstraße wohnhafte Veitshöchheimerin nach eigenem Bekunden damit beschäftigt, früh am Morgen nach vier Uhr Wildschweine im benachbarten Reiheneckhaus-Gartens (im Bild) zu vertreiben. Sie vermutet, dass Wildschweine durch Lücken im Zaun schlüpfen, der den Standortübungsplatz zum Wohngebiet Schenkenfeld abgrenzt. Als Bürgerin der Gemeinde fühlt sie sich im Stich gelassen in ihrem Bemühen, dass der Zaun repariert wird. Nach ihrem bis vor kurzem vergeblichem Mühen um Abhilfe war ihr Unmut und ihre Verärgerung sehr groß, denn es sei fast jede Nacht der Fall gewesen, dass sie von den Tieren geweckt wird. Die Anliegerin: "Die raubten mir echt den letzten Nerv und danach war an Schlaf nicht mehr zu denken."
Ein Gemeinderatsmitglied empfahl ihr in seiner Funktion als Veitshöchheimer Revierjäger eine Vergrämung der Wildtiere. Sie habe versucht, diese durch Schlagen mit einem Besen auf das Balkongeländer, durch Maschinenpistolen-Lärm per Youtube und auch durch Lichtstrahlen zu vertreiben. Daran hätten sich die Wildschweine aber gewöhnt, hätten im Gegenteil aggressiv reagiert und ihr bestialischer Gestank sei nicht mehr auszuhalten gewesen.
Der Veitshöchheimer Jagdpächter Michael Hein verwies darauf, dass seit dem Abernten der Maisfelder quasi keine Wildschweine mehr in den örtlichen Wäldern anzutreffen seien. Diese würden jedoch heuer massenhaft Eicheln und Bucheckern vorfinden. Die Wildtiere können sich durch das Mastjahr einen ordentlichen Winterspeck anfressen, was zur Folge habe, dass ihre Fortpflanzungsrate im Frühjahr erheblich steige.
Während im Nachbargarten der Leidgeplagten auf den ersten Blick keine Verwüstungen durch Wildschweine auffielen, haben solche deutlich ihre Spuren auf der Wiese von einer anderen Anliegerin hinterlassen, der sich oberhalb an ihren durch einen Jägerzaun abgetrenten Garten ihres Wohnhauses anschließt. Der Zugang von ihrem Haus nach oben (links) blieb zum Glück verschont.
Die Reihenhausanlage in der Schumacherstraße mit den von den Wildschweinen besonders heimgesuchten Eckgründstücken.
Auf dieser östlich der Reihenhausanlage Schumacherstraße auf dem Standortübungsplatzgelände gelegenen, sich selbst überlassenen Obstwiese (im Hintergrund das Geisbergbad) hat ein unmittelbarer Anlieger einmal eine Rotte mit schätzungsweise zehn bis 15 Wildschweinen gesichtet. Diese hatten offenbar die heruntergefallenen Äpfel angelockt.
Eine Betroffene hatte im Zaun in Höhe des Spielplatzes der Wohnanlage der Bayerischen Versicherungskammer zwei kleine Löcher entdeckt und markiert, weil sie vermutete, dass dadurch die Wildschweine geschlüpft seien.
Wie Recherchen nun ergaben, sind es über 300 Meter Luftlinie von den beiden Zaunlücken auf dem Spielplatz der Wohnanlage der Bayerischen Versicherungskammer bis zu den von Wildschweinen heimgesuchten beiden Reihenhausgrundstücken in der Schumacherstraße.
Es wurden zwar auch hier schon Wildschweine hinter dem Zaun gesichtet, wie Anlieger der Wohnanlage berichten.
Auf Befragen eines Bewohners, der in der Nähe des Spielplatzes wohnt, erscheint es ziemlich unwahrscheinlich, dass Wildschweine sich hier durch die kleinen Zaunlücken gezwängt und sich dann auf den 300 Meter langen Weg vom Spielplatz zum rückwärtigen Bereich der Reihenhausanlage in der Schumacherstraße gemacht haben, zumal hier kein Durchgang besteht.
Mit der Problematik hatte die Beschwerdeführerin mehrmals auch die Gemeinde konfrontiert. Wie aus ihren der Mainpost zugeleiteten Unterlagen hervorgeht hatte sie zuletzt dem Bürgermeister schriftlich mitgeteilt: "Sollte ich in den nächsten Tagen keine konkrete Aussage erhalten, wann der Zaun repariert wird, muss ich mich anderer, öffentlichkeitswirksamer Mittel bedienen. Das teile ich Ihnen heute, fairerweise mit."
Bürgermeister Jürgen Götz hatte ihr gegenüber erklärt, er habe mehrfach mit dem Kasernenkommandanten Oberstleutnant Andreas Störmer gesprochen. Dieser sei davon ausgegangen, dass Zaunlücken durch den für den Standortübungsplatz jagdlich zuständigen Bundesforstbetrieb Reußenberg in Hammelburg geschlossen werden.
Der Bereichsleiter des Bundesforstamtes in Nordbayern Christian Stöber erklärte dazu auf Nachfrage, dass der Bundesforst nicht für den Zaun zuständig, da er nicht als Wildschutzzaun, sondern seinerzeit als Sicherheitszaun zum Wohngebiet Schenkenfeld errichtet wurde.
Der Standortälteste der Kaserne, Brigadegeneral Michael Podzus wiederum wies nun die Beschwerdeführerin Keller schriftlich darauf hin, dass seitens der Bundeswehr keine Verpflichtung bestehe, den Standortübungsplatz durch einen Zaun vom Wohngebiet abzugrenzen. Dessen Betreten sei zwar verboten, da hier regelmäßig Schießübungen stattfinden und deshalb eine Lebensgefahr durch Blindgänger nicht ausgeschlossen werden kann. Es genüge aber, darauf durch Warnschilder hinzuweisen, wie dies oben am Flugplatz Schenkenturm praktiziert werde.
Gleichwohl hatte Kasernenkommandant Andreas Störmer ohne rechtliche Verpflichtung, wie er erklärte, sondern rein präventiv veranlasst, dass durch die Standortverwaltung die zwei kleinen Löcher im Zaun am Spielplatz geschlossen wurden. Bei Überprüfung der gesamten Zaunanlage habe er keine weiteren Lücken mehr im Zaun entdeckt.
Der Standortübungsplatz, so ließen die Bundeswehrvertreter verlauten, sei jedoch kein Wildgehege und deshalb die Bundeswehr auch nicht für Wildwanderungen zuständig. Wenn es zu Belästigungen der Bevölkerung durch Wildschweine komme, dann müsse sich die Gemeinde gleichwohl an das dafür zuständige Betriebsforstamt Reußenberg wenden.
Wie die Beschwerdeführerin nun berichtet, habe sie seit der Reparatur des Zaunes am Spielplatz Wildschweine nicht mehr unmittelbar aus dem Nachbargarten, sondern nur noch aus der Ferne gehört.
Ob das Wildschwein-Problem für die Anlieger der Schumacherstraße mit der Zaunreparatur gelöst ist, erscheint fraglich, wenn man Jagdexperten Glauben schenkt. Wildschweine können sich nämlich auch unter einem Zaun durchdrücken. So wurden die Wiesen des Geisbergbades trotz Elektrozaun immer wieder von Wildschweinen verwüstet, bis dann die Gemeinde im Jahr 2015 auf der gesamten Länge den Gitter-Zaun mit einer Art Untergrabschutz versah. Es wurden Gitterzaun-Abfallstücke bis 30 Zentimeter Länge unter den Zaunelementen in die Erde gesteckt und mit Bindedraht am Zaun befestigt.
Dem jagdlichen Problem werde sich der Bundesforst auch weiterhin stellen, sagte Bereichsleiter Stöber. Allerdings könnten auf dem Standortübungsplatzgelände aufgrund der Nähe der Wohnbebauung keine Drückjagden durchgeführt werden. Es würden hier jedoch Wildschweine durch Einzelansitz gejagt. Daran würden sich auch mehrere Jäger mit Erlaubnisschein beteiligen. Nach seinen Worten ist die Kuppe des Standortübungsplattes sehr wasserarm. Deshalb würde es die Wildschweine nach unten ins Tal ziehen, da sie hier eher etwas Verwertbares finden würden, insbesondere seien die Streuobstbestände sehr nährstoffreich. Außerdem würden Wildschweine sehr von Siedlungsabfällen angezogen.
Der Veitshöchheimer Jagdpächter Michael Hein verwies darauf, dass seit dem Abernten der Maisfelder quasi keine Wildschweine mehr in den örtlichen Wäldern anzutreffen seien. Diese würden jedoch heuer massenhaft Eicheln und Bucheckern vorfinden. Die Wildtiere können sich durch das Mastjahr einen ordentlichen Winterspeck anfressen, was zur Folge habe, dass ihre Fortpflanzungsrate im Frühjahr erheblich steige.
Vermerk: Auf nachträglichen Wunsch der beiden Damen wurde ihre Namen aus dem Bericht entfernt.