Ein großer Tag für die evangelische Kirchengemeinde Veitshöchheim - Einweihung der für über zwei Millionen Euro sanierten und umgebauten Christuskirche - Reduktion von Ballast und Konzentration auf das Wesentliche
Sie feierten nach 22 Monaten Bauzeit die Einweihung der für 2,05 Millionen Euro generalsanierten und umgebauten Christuskirche, die seelsorgerische Heimat für 3.000 Protestanten in den Gemeinden Veitshöchheim, Thüngersheim und Güntersleben v.l.n.r. der katholische Pfarrer Robert Borawski, Bürgermeister Jürgen Götz (Veitshöchheim), stellvertretender Landrat Ernst Jossberger, Vertrauensmann Manfred Hohmeier, der evangelische Pfarrer Sebastian Wolfrum, Regionalbischöfin Gislea Borowski, Architekt Karlheinz Keicher, Bürgermeisterin Klara Schömig (Güntersleben), Diakonin Claudia Grunwald und Bürgermeister Markus Höfling (Thüngersheim).
Es war ein großer Tag für die evangelische Kirchengemeinde. Pfarrer Sebastian Wolfrum hatte mit Diakonin Claudia Grunwald und den Kirchenvorstehern die "Rückkehr ins Gelobte Land" in beeindrucke...
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Es war ein großer Tag für die evangelische Kirchengemeinde. Von jedem der über 300 Gäste flog ein Gebet zu Gott. "Es war eine wunderbare segensvolle Einweihung", so freute sich danach überschwänglich Veitshöchheims evangelischer Pfarrer Sebastian Wolfrum. Er hatte zusammen mit Diakonin Claudia Grunwald und den Kirchenvorstehern die "Rückkehr ins Gelobte Land" nach 22monatigem Exil bei den Katholiken im Ort, sprich in der Kuratie- und der Vituskirche, choreographisch in beeindruckender Weise inszeniert.
Die Zeremonie der Wiederinbesitznahme des Mittelpunktes ihres religiösen Lebens begann im rot gepflasterten Innenhof, wo sich vor der neuen Eingangsfassade der Kirche und dem bereits im Oktober 2018 bezogenen Pfarrheim-Anbau alle versammelt hatten und eine Gasse zu den am Kirchturm musizierenden Duo Rainer Schwander und Bernhard von der Goltz bildeten. Diese boten unter anderem mit "Amazing Graze" einen musikalischen Ohrenschmaus mit dem zum Anlass passenden Satz "And grace will lead us home" ("Und die Gnade wird uns nach Hause führen").
Der erste Akt bestand dann darin, dass die Regionalbischöfin Gislea Bornowski die von der katholischen Gemeindereferentin Roswitha Hofmann mitgebrachte Osterkerze entzündete.
Dann übergab Architekt Karlheinz Keicher den Schlüssel an Pfarrer Wolfrum und diese reichte ihn weiter an die Küsterin Hermine Weber zum Aufschließen des Kirchenportals.
Nun zogen als erstes der Pfarrer mit der brennenden Osterkerze, sein Gottesdienstteam und die Kirchenvorsteher in den hell und freundlich einladenden neugestalteten Kirchenraum ein.
Wer den 1963 eingeweihten Kirchenbau von früher kannte, kam aus dem Staunen nicht heraus. Der keilförmige Pultdachbau wirkte früher düster und war vor allem viel zu groß für die normalen Sonntagsgottesdienste.
"Schöner, heller, kleiner, viel Holz und viel flexibler", so bot sich nun nach dem Einzug den Besuchern die zu einem modernen, wandelbaren Gemeindezentrum umgebaute Christuskirche.
Sie besitzt nun nach den Worten der Regionalbischöfin nicht nur Funktionalität, sondern strahlt auch Sakralität aus. Der bei der Einweihung mit über 300 Gläubigen restlos gefüllte Kirchenraum besticht mit einer schwungvollen Holzdecke, die in Wellen nach oben geht und dem Raum Wohnlichkeit, Weite und eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Er ist je nach Bedarf in drei Räume teilbar. Der Hauptraum bietet nach Teilung nun regulär Platz für 120 Personen. Im hinteren abteilbaren Bereich wurde die Decke abgehängt. Durch den Einbau mobiler Trennwände ist auch dieser Bereich nochmals teilbar in zwei separat nutzbare, je 45 Quadratmeter große Gruppenräume.
"Alles ist rundum durchdacht und gelungen," so Bornowski. Viele haben nach ihren Worten mit enormer Energie, mit viel Mühe und Fleiß, mit Ideen und Kreativität, Eigenleistung und Spenden dieses tolle Projekt möglich und damit die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde zukunftsfähig gemacht.
Dazu gehören auch die Gemeinderäume im Untergeschoss, in dem sich neben einem großen, teilbaren Gruppenraum, ein Jugendraum und auch die Küche befindet, alle nun über einen Aufzug behindertengerecht zu erreichen.
Im Untergeschoss führen große Türen nach draußen auf eine schöne Terrasse mit Blick ins Maintal. Der Gemeinderaum wurde allerdings nicht mehr rechtzeitig zur Einweihung fertig. Hier fehlt noch der Parkettfußboden.
Und auch bei der Gartenanlage zur Günterslebener Straße hin hat die GaLaBau-Firma in den nächsten Wochen noch einiges zu tun.
Erneuert wurde auch das Dach. Die Dachhaut erhielt zur Belichtung der darunter liegenden Räumlichkeiten weitere Fenstereinschnitte.
Die Ehrengäste
Die Regionalbischöfin stellte den Sakralraum in den Dienst Gottes.
Dazu wurden die während der Bauzeit ausgelagerten wichtigen Gegenstände wie Kreuz, Leuchter, Liedtafel und liturgische Geräte wieder zurück an Ort und Stelle gebracht. Montiert ist an der Rückwand des Sakralraumes wieder das alte Kreuz. Der Altartisch wurde verkürzt.
Diakonin Claudia Grunwald oblag es, den Altar liturgiefähig fertig zu gestalten.
Sabine Blank machte mit den beiden Kindern Gustav und Helene Sagmeister den Taufstein betriebsfertig.
All diese Aktionen untermalten akustisch die beiden Musiker, ebenso auch den nachfolgenden Gottesdienst.
In Betrieb genommen wurde erstmals beim Gottesdienst von Britta Gross die für 103.000 Euro sanierte und um zwei Register erweiterte Orgel der Christuskirche. Im Herbst ist ein Orgelkonzert mit Vorstellung der Orgel durch die Orgelbaufirma geplant.
Bernhard von der Goltz trug die Lesung und der katholische Pfarrer Robert Borawski las das Evangelium vor.
Pfarrer Wolfrum oblag neben der Koordination der Liturgie auch die Durchführung des "Abendmahls", das die Gläubigen erstmals im neuen Kirchenraum erfahren durften.
Dieses Quintett brachte die Fürbitten vor, darunter auch die Schülerin Elin Tyroller.
Mit dem Segen der Regionalbischöfin endete der Einweihungs-Gottesdienst, dem dann gleich im Anschluss der Festakt an gleicher Stelle mit fünf Redebeiträgen und der Danksagungen folgte.
Nach den Worten von Kirchenvorsteher Manfred Hohmeier war es der Kirchenverwaltung ein Anliegen, die Bauleitung selbst zu übernehmen. Sein Dank galt allen an der Baumaßnahme Beteiligten, so auch den drei Bürgermeistern. "Ohne die finanzielle Unterstützung der Gemeinden Veitshöchheim, Thüngersheim und Güntersleben wäre die Maßnahme nicht durchführbar gewesen", so Hohmeier.
Großer Beifall brandete auf, als er mit den Worten "Die herzliche Aufnahme in der Kuratie und in St. Vitus während der Bauzeit war gelebte Ökumene" Pfarrer Robert Borawski seinen Dank aussprach.
Lobende Worte fand er vor allem auch für Architekt Karl-Heinz Keicher für seinen Mut, seine Ideen und sein Durchhaltevermögen, immer wieder neu in die Planung einzusteigen.
Schließlich oblag es Hohmeier auch die Glückwünsche der aus dringenden familiären Gründen verhinderten Dekanin Dr. Edda Weise zur Wiedereinweihung des Gotteshauses und ihren Wünschen für ein blühendes Gemeindeleben zu verlesen.
Ein kurzer Rückblick:
Als Pfarrer Sebastian Wolfrum im Jahr 2010 in die Gemeinde kam, gab es neben der Kirche mit Gruppenräumen im Untergeschoss auch noch einen Gemeindebau sowie ein Pfarrhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite, beide baufällig. Auch für den Kirchenbau bestand dringend Handlungsbedarf, waren das Kupferdach undicht, Belichtung und Raumqualität mangelhaft, gab es technische und energetische Mängel, fehlte die Barrierefreiheit und ein vernünftiger Gemeindesaal. Der Kirchenraum war für normale Gottesdienste zu groß und mit fester Bestuhlung zu unflexibel für unterschiedliche liturgische Angebote. Außerdem wurde die große Freifläche unterhalb der Kirche nicht genutzt.
Nach fast sieben Jahren Diskussion fassten sich 2016 die Kirchenvorsteher ein Herz und beschlossen, Pfarrhaus-Villa und Gemeindebau samt Grundstücken zu verkaufen, den Kirchenbau zu sanieren und zu modernisieren, in den Eingangshof der Kirche ein neues Pfarrbüro mit großen Fensterfronten zu integrieren.
"Reduktion von Ballast, Konzentration auf das Wesentliche", so charakterisierte Architekt Christof Illig aus dem landeskirchlichen Baureferat in München, was dabei nach 22 Monaten herauskam. Es sei ungewöhnlich, zwei Millionen Euro in die Hand zu nehmen, um weniger zu machen. So wurde der Gebäudebestand der Kirchengemeinde um 30 Prozent verringert. Dafür gebe es jetzt bessere Möglichkeiten für Jung und Alt, Barrierefreiheit, Verbindung der beiden Ebenen, also von Kirche und Gemeindezentrum, Freiflächenbezug mit einem schön gestaltetem Hof und unten eine große Terrasse mit Garten, der noch fertig wird.
Die Baumaßnahme bezeichnete Illig deshalb als Vorbild und Modell für unsere Gesellschaft, dass es nicht immer mehr sein muss, dass weniger Gebäude mehr Spielräume zulassen und weniger Energie verbrauchen, angenehmer sein können und Energie freisetze für mehr inhaltliche Arbeit. Architektonisch sei dies hervorragend gelungen.
Acht Jahre lang beschäftigte Architekt Karlheinz Keicher der Umbau der Kirche, in dem nach seinen Worten viele Emotionen stecken.
So hatte er in dem Kirchenraum zwei profane Besprechungsräume einzubauen, die nach wie vor nutzbar sein sollten, wie jetzt bei der Einweihung für große Feste und er sollte seine Würde und seinen sakralen Charakter erhalten.
Aber es gab laut Keicher auch Rückschläge. So habe der Estrich zwölf Wochen gebraucht, um zu trocknen. Deshalb sei das Werk auch noch nicht ganz vollbracht, denn im UG fehlt noch der Holzboden.
Er wünschte den Gläubigen, dass sie sich hier wohlfühlen und die Räume das Gemeindeleben bereichern.
"Die Gemeinde Veitshöchheim leistete einen Zuschuss von 250.000 Euro" sagte Veitshöchheims Bürgermeister Jürgen Götz in seinem Grußwort (Anmerkung: weitere Zahlen zur Finanzierung der zwei Millionen Euro Gesamtkosten wurden nicht offenbart), der zur erfolgreichen Generalsanierung auch im Namen seiner Kollegen Klara Schömig und Markus Höfling gratulierte und Pfarrer Wolfrum noch einen Scheck zur Beschaffung von Inventar aushändigte. Eine so aufwändige Maßnahme in Angriff zu nehmen, zeuge nicht nur von viel Mut, es stelle auch die Lebendigkeit der Kirchengemeinde unter Beweis.
Götz: "Die sozialen wie kulturellen Aktivitäten unserer Kirchen sind aus unseren Orten nicht mehr wegzudenken." Deshalb brauche eine Gemeinde ein schönes, funktionsfähiges, allen Platz bietendes Gotteshaus. Denn hier würden neben den wöchentlichen Gottesdiensten, den christlichen Feiern wie Taufe, Konfirmation und Hochzeit auch Konzerte und Ausstellungen stattfinden und biete das Untergeschoss genügend Raum für die Jugend und die Gemeindearbeit.
In einer launigen, humorvollen Rede gratulierte der katholische Ortspfarrer Robert Borawski dem "edlen Volk der Protestanten und Ur-Ur-Ur-Enkeln des Patriarchen Martin Luther" von ganzem Herzen nach 22 Monaten Exil unter seinen strengen Augen zur Rückkehr in das Land, wo Milch und Honig fließt.
Manche hätten sich gewünscht, so Borawski, an den Fleischtöpfen der Katholiken bleiben zu können. Vielleicht werden kommende Geschlechter sich fragen, so erklärte der Pfarrer unter lautstarkem Beifall, warum es in unserer Zeit drei Heiligtümer im Ort gibt, eines auf dem Berg in der Gartensiedlung, einen Tempel im Altort und nun wieder eine Pilgerstätte zwischendrin und wir nicht einen Ort fanden, wo wir gemeinsam Gott anbeten können. Er habe die gemeinsame Zeit als spannend und bereichernd für das Verständnis füreinander und untereinander empfunden.
Nach drei Stunden Gottesdienst und Festakt ohne Pause in der "Sauna" des Kirchenraumes dankten Pfarrer Sebastian Wolfrum und Kirchenvorsteher Bernhard Köbler als letzten Akt mit Präsenten allen an der Baumaßnahme und der Unterbringung in den 22 Monaten Bauzeit Beteiligten.
Schließlich übergab noch Jens Grunwald an Kirchenvorstand Bernhard Köbler und Pfarrer Wolfrum zur Erinnerung und Bewahrung die alte Amtstafel des von 1956 bis 2013 gegenüber in der Günterslebener Straße 7 untergebrachten Pfarramtes. Ihm war es wichtig, dass etwas bleibt. Deshalb hat er vor Abbruch der alten Gemeinderäume und dem Pfarrhaus die Amtstafel abmontiert und restauriert. Die Generalsanierung begleitete und dokumentierte er mit über 1.000 Fotos.
Fotos (c) Dieter Gürz