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Fränkischer Silvaner aus georgischer Tonamphore - LWG Veitshöchheim baut Wein wie vor 8.000 Jahren aus

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Die goldene Mitte: Während sich Beerenhäute und Rappen am Boden und an der Oberkante der Amphore ablagern, ist das Herzstück des Jungweines in der Mitte des dünnwandigen Qvevri zu finden. (© LWG Veitshöchheim)

Man nehme 900 Kilogramm gesunde, angedrückte Weinbeeren, fünf Kilogramm Stilgerüste der Trauben, packe das Ganze für neun Monate in eine georgische Tonamphore, messe ab und an Fieber und behalte damit die Gärtemperatur im Blick und überlasse der Natur ihren Lauf der Dinge. Nach dem wohl ältesten Rezept der Weinbereitung baut die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim seit acht Jahren „Qvevri-Weine“ aus.

Am Dienstag, den 18. Juni 2019, stand dafür eine ganz besondere Geburt an: Denn die Weinbau-Experten der LWG öffneten eine der beiden vergrabenen Tonamphoren, durchstachen die Weinoberfläche und entnahmen schließlich das Herzstück – den auf der Maische vergorenen Silvaner-Wein, Jahrgang 2018.

Eine glasklare Angelegenheit: Nach dem Öffnen des Qvevris wurde der Jungwein in einen Edelstahltank abgefüllt. Immer im Blick war dabei das Schauglas, um ausschließlich den klaren Wein zu erhalten. (© LWG Veitshöchheim)

Der ganz andere Wein

Die Weinbereitung im Qvevri (Tonamphore) bedeutet Weinausbau wie vor 8.000 Jahren, der am Schwarzen Meer in Georgien seine Wurzeln hat. Doch was hat ein typischer fränkischer Silvaner vom Thüngersheimer Scharlachberg in einer handgemachten Tonamphore aus Georgien zu suchen? Mit Qvevri-Weinen gehen die Winzer in der Weinbereitung bewusst einen Schritt zurück und bauen damit direkt auf der Maische vergorene Weine aus. Diese Orange bzw. Raw oder auch Amber Wines, die aufgrund ihrer charakteristischen Bernsteinfarbe auf den ersten Blick zu erkennen sind, erfreuen sich steigender Beliebtheit und sind besonders langlebige, kräftige und hochwertige Weine. Zunehmend mehr Weinbaubetriebe setzen das Verfahren um und probieren sich darin. An welchen Stellschrauben beim Qvevri-Ausbau noch gedreht werden kann, untersuchen die Weinbau-Experten der LWG in verschiedenen Versuchsreihen.

Geburt erfolgreich – Mission geglückt!

„Der Weinausbau im Qvevri ist wie eine Wunderkiste, denn man weiß bis zum letzten Augenblick nicht, was man bekommt“, so Georg Bätz, Leiter des Institutes für Weinbau und Oenologie, in den spannenden Minuten kurz vor der Amphorenöffnung. Der Grundstein für den „erfolgreichen Start“ in das spätere Weinleben wurde dabei im September 2018 gelegt und rund 900 Kilogramm gesunde Silvanermaische in die Amphore gefüllt. Zugefügt wurden zudem Rappen, die Stielgerüste der Trauben. „Diese geben bei der Vergärung die notwendigen Gerbstoffe ab und machen den Wein dadurch haltbar“, betonte Georg Bätz. Beim herkömmlichen Weinausbau übernimmt dies der Schwefel, auf den bei der Naturweinbereitung komplett verzichtet wird. Nach vier Tagen stürmischer Gärung wurde die Amphore schließlich verschlossen und erst nach neun Monaten Reifezeit wieder geöffnet. Unter einer dünnen Schicht von Traubenkernen und Silvanerbeeren wurde vorsichtig das Herzstück des Jungweines entnommen: Ein glockenklarer, intensiv schmeckender Silvaner. „Mit Aromen von reifen, getrockneten Früchten und seiner kräutrig, balsamischen Note ist der Jungwein schon jetzt ein idealer Essensbegleiter und könnte direkt von der Amphore auf den Tisch wandern“, freute sich der Weinbauexperte.

Dicht verschlossen: Die Beerenschalen und Traubenkerne bildeten in den vergangenen neun Monaten die Deckschicht für den Silvaner im Qvevri und verhinderten als natürliche Sauerstoffbarriere so die Oxidation des Weines. (© LWG Veitshöchheim)

Forschung für die Praxis

An welchen Stellschrauben beim Qvevri-Ausbau noch gedreht werden kann, wird von den Weinbau-Experten der LWG in verschiedenen Versuchsreihen geprüft. Um beispielsweise den Einfluss der Gärtemperatur auf die Maischegärung zu untersuchen, wurde im letzten Jahr eine Amphore in einem Pilotversuch mit einer Kühlung versehen. Dafür wurde die georgische Tonamphore mit ca. 50 Meter Schlauch umwickelt, der mit kaltem Wasser befüllt werden kann. Dabei soll untersucht werden, ob die Qualität des im Qvevri ausgebauten Weines durch den Einsatz der Kühlung optimiert werden kann. Mit ihrer praxisorientierten Forschungsarbeit liefern die Experten des Institutes für Weinbau und Oenologie wichtige Erkenntnisse für die Winzer, die sich zunehmend in der Qvevri-Weinbereitung probieren.

Vom Qvevri auf den Tisch: Nach neun Monaten Reife auf der Maische überzeugte der Amphorenwein mit seinem kräutrig balsamischen, intensiven Silvanergeschmack. (© LWG Veitshöchheim)

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