Musik begeistert auf Schritt und Tritt - 14 Jugendliche zu Gast beim Heeresmusikkorps Veitshöchheim
"Formation fertig machen! Stillgestanden! Augen gerade aus! Rührt Euch!" Solche militärischen Befehle bedeuteten für 14 Jugendliche , die bislang noch nie mit Soldaten zusammen gekommen waren, völliges Neuland.
Es war so für sie ein ganz außergewöhnlicher Praktikumstag, der am vorletzten Ferientag in der Balthasar-Neumann-Kaserne über die Bühne ging. Das hier stationierte Heeresmusikkorps Veitshöchheim (HMK) mit seinem Chef Oberstleutnant Roland Kahle hatte zum Schnuppertag eingeladen.
Die jungen Gäste, alles Hobbymusiker in Musikvereinen, durften am Vormittag bei zwei Orchesterproben gemeinsam mit den 55 Profimusikern musizieren und am Nachmittag beim Formationsmarschieren mitmachen.
Aus Gersfeld in der hessischen Rhön angereist waren acht Nachwuchsmusiker der dortigen Stadtkapelle im Alter von zwölf bis 16 Jahren mit ihrem Dirigenten Yannik Helm. Wie Helm sagt, kam der Kontakt bei einem Weihnachtskonzert der Heeresmusiker im Dezember zustande. Ursprünglich wollten die Schüler bereits am Girls-/Boysday in das Berufsfeld der Militärmusik schnuppern, was jedoch wegen eines auswärtigen Einsatzes des HMK an diesem Tag nicht möglich war. Ihren Musikunterricht erhalten die Nachwuchsmusiker des Städtischen Blasorchesters Gersfeld an der Volkshochschule. Bislang kannten sie nur konzertante Blasmusik. Ganz neu war für sie, einen Marsch zu spielen und so auch in Formation im Takt zu laufen wie beim "1. Bataillons-Garde-Marsch".
Die restlichen sechs Teilnehmer des Schnuppertags können den täglichen Ablauf eines Profimusikers gar während eines viertägigen Praktikums miterleben. Für den 16jährigen Johannes Kaul aus Wiesenthal bei Forchheim, der die 10. Klasse der Realschule besucht und Schlagzeuger des Musikvereins Kirchehrenbach ist, war die Militärmusik eine interessante Erfahrung.
Zutiefst beeindruckt von der Professionalität der Orchesterproben, bei denen für die Schüler im Orchester bei "ihren" Instrumenten-(Register-)Gruppen ein Stuhl bereitstand, war die 17jährige Lara Blüggel aus Pyrbaum in der Oberpfalz. Sie spielt zu Hause im Blasorchester und im Musikverein Züschen (NRW) Bariton. Die junge Dame, die die zwölfte Klasse der FOS besucht, fühlte sich im Gegensatz zu den Gersdörfern bei der Marschmusik ausgesprochen "pudelwohl". Bei ihr wurde in den bisherigen Praktikumstagen das Interesse an einem 14monatigen Freiwilligen Wehrdienst (FWDL) bei den Heeresmusikern geweckt, vor allem dass dies bei Zeremoniellen der Bundeswehr und Konzertveranstaltungen im In- und Ausland auftreten. Dazu beigetragen habe vor allem der Erfahrungsaustausch mit den in Veitshöchheim beim HMK tätigen fünf FWDL-Musikern. Sie kann sich vorstellen, während des Wehrdienstes die Aufnahmeprüfung für die Hochschule für Musik in Düsseldorf zu schaffen.
Ein FWDL beim HMK in Veitshöchheim leistet so nach Abi 2017 mit Musikadditum seit Juli 2018 nach dreimonatiger Grundausbildung der 19jährige Konstantin Strömel aus Aschheim bei Gemünden, Mitglied des Kreisjugendorchesters Mainspessart als Tenorhorn- und Posaunenspieler. Er hatte im Juni 2017 ein 4-Tagespraktikum beim HMK absolviert. Er ist beeindruckt von der Professionalität im HMK und wie viel intensiver hier Stücke einstudiert werden, die rhythmische Exaktheit und der Gleichklang der Intonation, vergleichbar mit einer Leistungssportgruppe. Dabei gehe es aber sehr locker und kameradschaftlich zu, sei er trotz des Altersdurchschnitts von knapp 40 Jahren im HMK mit fast allen per Du. Sehr spannend sind für ihn die rund 40 Benefizkonzerte, die das HMK in einem Jahr im nordbayerischen Raum veranstaltet und vor allem auch die konzertanten Auslandseinsätze mit den Botschaften vor Ort wie heuer in Moskau, Birmingham, Baku, Wien und eine Combo in Rom. Strömel schwebt aber nach Ende seiner Dienstzeit ein ganz anderes Studium vor, nämlich in der Kognitionswissenschaft (Cognitive Science).
Ein "alter Hase" beim HMK ist der 54jährige Musikzugführer Jürgen Bauer, der nach 37 Dienstjahren kurz vor seiner Pensionierung steht. Von den 50 Planstellen des Musikkorps sind nach seinen Angaben 35 mit Berufssoldaten und 15 mit Zeitsoldaten mit zwölfjähriger Dienstzeit besetzt. Hinzukommen wie ausgeführt noch die fünf FWDLer. Für den Oberstabsfeldwebel ist unabdingbar, dass für einen Dienst in seinem Musikkorps "das Herz für die Musik" brennt. Wer aber nur musikorientiert sei, der "gehe baden". Denn die Musiker in seinen Reihen müssten auch ein Herz für den Soldatenalltag. Die musikalische Tätigkeit umfasse mit 40 Prozent nicht mal die Hälfte. Denselben Anteil nehme die komplette Selbstverwaltung des dem Zentrum für Militärmusik in Bonn unterstellen Musikkorps Veitshöchheim ein. Daneben stehe auf dem 42-Stunden pro Woche umfassenden Dienstplan auch der Sport wie gemeinsame Rückengymnastik und Einzelsport sowie Simultan-Schießtraining. Wie Bauer sagt, sind aufgrund der jährlichen Fluktuation fünf Stellen neu zu besetzen. Unter den etwa 60 Bewerbern sind ein Drittel Seiteneinsteiger mit Bachelor-Abschluss, da viele sich draußen in der Sinfonie-Gesellschaft schwer tun würden, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.
HMK-Chef Roland Kahle legte beim Schnuppertag Wert darauf, dass die jungen Leute erstmal erkennen, warum die Bundeswehr ein Musikkorps hat, was dies für einen Sinn und Zweck hat. Beim konzertanten Teil am Vormittag standen die öffentlichkeitswirksamen Auftritte außerhalb der Kasernenmauern im zivilen Umfeld im Vordergrund und am Nachmittag die Marschbewegungen.
Musik machen begeistert auf Schritt und Tritt
Wenn 14 Jugendliche beim Heeresmusikkorps der Bundeswehr reinschnuppern, ist auch schon mal ein kleiner Marsch zur Auflockerung angesagt. Da heißt es dann "Rührt Euch". "Formation fertig machen! ...
Link auf Mainpost-Online-Artikel vom 26.4.2019
In den Orchesterproben habe er den Jugendlichen wie bei der Einstudierung der oscarnominierten Wildwest--Filmmusik „Silverado“ von Bruce Broughton versucht, ihnen mehr die Atmosphäre und einen sympathischen Eindruck als Wissen zu vermitteln. So habe man sich offen in die Karten schauen lassen, was in so einem Orchester abläuft, wie sich das Ganze anfühlt und vielleicht "leckt jemand Blut und interessiert sich dafür".
Trotz der konzentrierten Atmosphäre herrschte eine freundschaftliche und offene Stimmung, sodass in kleinen Spielpausen immer die Möglichkeit bestand, kurze Gespräche zu führen oder den einzelnen Musikern Fragen zu stellen.
Zum Schluss versuchte der HMK-Leiter den den jungen Damen und Herren ein ihnen bislang völlig unbekanntes Truppenzeremoniell zu vermitteln, vor allem dass dieses symbolhaft die Bundesrepublik Deutschland repräsentiere. So gab er den Jugendlichen einen Gesamteindruck, wie ein Musikkorps funktioniert und gewährte ihnen in direktem persönlichem Kontakt einen Blick hinter die Kulissen.
Die Jugendlichen konnten sich so orientieren, was hinter den Kasernenmauern bei Soldaten mit Spezialauftrag und "exotisches Rädchen am Rande" wie die Heeresmusiker passiert.
Kahle: "Viele ehrenamtliche Musiker und Dirigenten von Musikvereinen und Orchestern in der Region habe einst ihre Orchesterausbildung im Heeresmusikkorps Veitshöchheim (HMK) erhalten – ob als Wehrdienstleistende oder als Zeitsoldaten. Auch dies begründet den guten Ruf des Musikkorps in der Balthasar-Neumann-Kaserne."
Seit 50 Jahren als Vertreter in Franken
Nahezu ein halbes Jahrhundert trug das Orchester die Bezeichnung Heeresmusikkorps 12; benannt nach der ehemals in Veitshöchheim residierenden 12. Panzerdivision. Anfangs wurde die Einheit 1962 in Fürstenfeldbruck als Luftwaffenmusikkorps 5 aufgestellt. Nach einem kurzen Gastspiel von zwei Jahren in Nürnberg fand das Musikkorps 1966 seinen Platz am Sitz des Divisionsstabes in Veitshöchheim. Die Auflösung der vorgesetzten Dienststelle brachte 1994 einen Unterstellungswechsel unter das Führungsunterstützungsregiment 40 in Mainz und sieben Jahre später unter das Führungsunterstützungsregiment 50 in Sigmaringen mit sich. Ende 2002 wurde das Heeresmusikkorps 12 im Zuge weiterer struktureller Veränderungen dem Kommandeur der Divisionstruppen - der neu in Veitshöchheim aufgestellten Division Luftbewegliche Operationen - (DLO), anvertraut. Seit 2013 ist das fränkische Musikkorps direkt dem Zentrum Militärmusik der Bundeswehr unterstellt und trägt fortan die Bezeichnung Heeresmusikkorps Veitshöchheim.
Qualität und Vielfalt - dafür steht das Heeresmusikkorps Veitshöchheim seit weit über 50 Jahren. Truppenbetreuung und Repräsentation der Bundeswehr im In- und Ausland sind die Kernaufgaben des fränkischen Militärorchesters. Militärmusik in höchster Qualität. Das Heeresmusikkorps Veitshöchheim verbürgt sich für abwechslungsreiche Blasmusik: Von den kleinen Ensembles bis zum sinfonischen Blasorchester.
Das Musikkorps ist seit 1962 für die Truppe weltweit unterwegs. Die militärischen Zeremonielle, wie Appelle und der Große Zapfenstreich stehen dabei im Mittelpunkt. Mit seiner Musik hat sich der Klangkörper in seiner Heimat Franken und darüber hinaus in Oberpfalz, Nordbaden, Südhessen und bis nach Thüringen einen hervorragenden Ruf als Botschafter der Streitkräfte erspielt. Außerdem musizierte das Orchester bereits für deutsche Soldaten in Afghanistan, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo.
Größter Beliebtheit erfreuen sich die Benefizkonzerte des Heeresmusikkorps Veitshöchheim. Das Orchester bietet dem Zuhörer ein breites Repertoire. Es reicht vom traditionellen Militärmarsch, Transkriptionen klassischer Ouvertüren, anspruchsvollen Originalkompositionen für sinfonisches Blasorchester über Filmmusik bis hin zu Big Band Arrangements. Im internationalen Rahmen erntete der fränkische Klangkörper bei Auftritten in Großbritannien, Norwegen, Frankreich, Dänemark, den Niederlanden, Schweiz, USA und Kanada viel Anerkennung. Auch in Fernsehsendungen wurde das Musikkorps bereits mehrfach vorgestellt.
Das Sinfonische Blasorchester ist die größte Besetzung des Heeresmusikkorps Veitshöchheim. Mit rund 50 Musikerinnen und Musikern sind alle Instrumente von Piccoloflöte bis Tuba, von Schlagzeug bis Keyboard vertreten. Das Tafelbesteck des Musikkorps sind die kleinen, aber feinen Ensembles, die bei allen Appellen, Feierstunden und Kammerkonzerten in intimerem Rahmen eingesetzt werden.
Quelle: Homepage HMK
Weitere Fotos vom Schnuppertag - alle Fotos (c) Dieter Gürz