Veitshöchheimer Nachbarschaftshilfe wird neu ausgerichtet - Reges Interesse bei Treffen im Rathaus
"Es ist an der Zeit, inne zu halten, sich zu überlegen, ob alles noch so passt und zeitgemäß ist, oder ob Änderungen vorgenommen werden müssen." Mit dieser Begründung hatten Klaus Rostek, Ute Schnapp und Andrea Huber, die 2008 hauptverantwortlich den Arbeitskreis "Nachbarschaftshilfe" mit dem Projekt "Zeitbörse - Helfen und Geholfen werden" ins Leben gerufen und seitdem geleitet hatten, Organisatoren, Helfer und Interessierte in den Rathaus-Sitzungssaal eingeladen, um zusammen mit Sebastian Zgraja von der Gemeindecaritas Würzburg über die Zukunft der Nachbarschaftshilfe in Veitshöchheim und alternative Formen wie dem Modell "Eine Stunde Zeit" zu diskutieren. Bei der Gründung beteiligt waren Pfarrgemeinderat, Gemeinderat, die damalige Initiative Bündnis Familie, Kindergarten, ein Hausarzt, der katholische Frauenbund und andere.
Bürgermeister Jürgen Götz freute sich über das rege Interesse von 30 Personen, die der Einladung gefolgt waren.
Link auf Mainpost-Online-Artikel vom 27.3.2019
Wie Andrea Huber in ihrem Rückblick feststellte, konnten mit dem Projekt "Zeitbörse - Helfen und Geholfen werden" gemäß dem Motto "„Geschenkte Zeit ist das Kostbarste, was Menschen einander geben können“ durch bürgerschaftliches Engagement in Zusammenarbeit mit der Gemeinde in den letzten zehn Jahren vielen Menschen aus Veitshöchheim bei kleineren und größeren Notlagen Hilfe, Unterstützung und Beratung angeboten werden.
Die angebotenen Hilfsdienste reichten von der Begleitung zu Arztbesuchen, auf den Friedhof, Ausflüge machen, Hilfe bei Einkäufen, Behördengängen und Anträgen, Begleitung bei Spaziergängen und Hilfen im Haushalt wie beispielsweise kleine Reparaturen, Vorlesen, Ausflüge machen, Opa-Rolle übernehmen, Nachhilfe für Kinder sozialschwacher Familien geben oder auch Schachspielen.
Wer Hilfe benötigte oder seine Hilfe anbieten wollte, konnte sich zunächst an einen bestimmten Ansprechpartner im Bürgerbüro der Gemeinde wenden, der alle Anfragen koordinierte und an das Organisationsteam weitergab.
Klar war, dass die Nachbarschaftshilfe nur dort einsetzte, was die professionelle Hilfe von Pflegekräften oder Therapeuten nicht abdecken kann und es sollte nach Möglichkeit auch keine Konkurrenz zu professionellen Handwerks- oder Dienstleistungsanbietern eintreten.
In unserer schnelllebigen Zeit, so Huber, galt es Höhen und Tiefen zu durchlaufen, sei nicht immer alles perfekt gelaufen. Dies sei aber auch kein Wunder, da die Nachbarschaftshilfe kein organisierter Verein, sondern nur ein loser Zusammenschluss sei. Die Erfolge könne man auch nur schlecht messen, da im Mittelpunkt der Tätigkeit des Arbeitskreises die Hilfe zur Selbsthilfe stehe und vieles sich so ohne weitere Rückmeldungen verselbständigt habe.
Schon beim ersten Erfahrungsaustausch im Oktober 2009 im Kuratie-Pfarrheim wurde festgestellt, dass die älteren Leute aber nicht von sich aus tätig werden, sondern neben den Bürgern im Umfeld auch die Profis wie die Sozialstation und Hausärzte auf die Dienste der Nachbarschaftshilfe aufmerksam machen müssten.
Bewährt habe sich die Zusammenarbeit mit der Grundschule zur Nachhilfe von Problemschülern und das Projekt "Man spricht deutsch" für Migrationskinder im Bilhildiskindergarten.
Darüber hinaus habe die Nachbarschaftshilfe gemeinsam mit dem Frauenbund und der Sozialstation Informationsveranstaltungen zu Themen wie „Demenz“, „Helfer vor Ort“, "Kultur im Ort" oder einen „Erste-Hilfe-Auffrischkurs“ angeboten.
Klaus Rostek, der als Familienpfleger beim Landkreis beschäftigt ist und seit der Gründung im Organisationsteam dabei ist, sagte in seiner Lageeinschätzung, dass er schon das Gefühl habe, dass sich die Nachbarschaftshilfe in den letzten zwei, drei Jahren ein bisschen leerläuft und die Puste raus ist und sie neuen Schwung und neue Ideen von außen bräuchte.
Vor diesem Hintergrund erhoffte sich das Organisationteam neue Impulse vom Referenten Sebastian Zgraja von der Gemeindecaritas Würzburg, damit nicht die Nachbarschaftshilfe Gefahr laufe, nur noch dahin zu dümpeln und am Ende gar nichts mehr da sei.
Wie Zgraja ausführte, ist er seit 30 Jahren bei der Caritas beschäftigt, seit zwölf Jahren in der Gemeinde-Caritas und hier speziell auch für die „Zeit füreinander“-Nachbarschaftshilfen in Würzburg und Umgebung, die sich nach seinen Worten im Aufwind befinden. Ehrenamtliche Mitarbeiter helfen älteren Menschen, Bedürftigen und Alleinerziehenden und überall da, wo in der Nachbarschaft der Schuh drückt.
In zahlreichen Stadtteilen und Gemeinden rund um Würzburg haben sich laut Zgraja Initiativen, die sich „Eine Stunde Zeit“ oder „Zeit füreinander“ nennen und eines zum Ziel haben: Die bedürftigen Menschen mit den Helferinnen und Helfern unkonventionell und einfach zusammenzubringen.
Wie der Name schon andeutet, ist kein großer Zeitaufwand nötig. Wer immer eine Stunde Zeit pro Woche erübrigen kann, um zu helfen, ist willkommen – wobei die Stunde nicht wortwörtlich zu nehmen ist.
Der Caritas-Mitarbeiter hat schon vielen Initiativen geholfen und steht den Projekt- und Leitungsteams mit Rat und Tat zur Seite. Wichtig war Zgraja auch, dass die Caritas erreichen konnte, dass die Helfer bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit Versicherungsschutz genießen.
In einem 15-Punkte-Programm habe die Caritas die Rahmenbedingungen für die Nachbarschaftshilfe „Zeit füreinander“ zusammengefasst. Unter anderem, dass die Ehrenamtlichen selbst bestimmen, wie viel Zeit sie einbringen, dass sie jederzeit ihr Engagement beenden können und selbst bestimmen, in welchem Bereich sie tätig sind.
Darin heißt es auch explizit, dass nicht zum Aufgabenfeld gehören: regelmäßige Putzdienste und Gartenarbeiten (dafür könne man sich Putzfrau bzw. Gärtner „kaufen“) sowie pflegerische Tätigkeiten, die letztlich Aufgaben der Sozialstationen seien. Für Sebastian Zgraja stellt die Nachbarschaftshilfe eine Verbesserung der Lebensqualität in den Stadtteilen bzw. Gemeinden dar – aber keine „Feuerwehr“.
Der Sozialexperte der Caritas sicherte dem Veitshöchheimer Organisationsteam zu, ihm bei der Neuausrichtung der Nachbarschaftshilfe beratend zur Seite zu stehen.
In der Diskussion ergab sich, dass das Konzept „Eine Stunde Zeit“ nicht grundsätzlich das Anliegen der Nachbarschaftshilfe ändert, aber für Hilfebietende, Hilfesuchende und für das Organisationsteam eine klarere Struktur schafft und den Wunsch vieler ehrenamtlich Aktiver unterstützt, sich in einem überschaubaren und zuverlässigen (Zeit-) Rahmen einbringen zu können.
Helfer Karl Wolf meinte zwar, dass vieles wie bei ihm von selber im Verborgenen laufe, beispielsweise auch die Besuchsdienste im Altenheim. Anton Weber machte dagegen die Erfahrung, dass er, als er 2015 seine Dienste für Einkaufsfahrten anbot, noch eine rege Nachfrage bestand und jetzt keine mehr. Eine Nachfrage ergab, dass im Organisationsteam und auch im Bürgerbüro keine Listen geführt werden, wer welche Dienste anbietet. Auch wurde offensichtlich, dass trotz regelmäßiger Veröffentlichungen in Veitshöchheim Aktuell vielen Bürgern weder die Hilfsmöglichkeiten noch die Hilfsangebote bekannt sind.
Ganz großartig fand Klaus Rostek den Vorschlag von Dr. Martina Edelmann, die Ansprechpartnerin des 2015 ins Leben gerufenen Arbeitskreises "Veitshöchheim hilft Flüchtlingen", der immer noch 40 ehrenamtlich tätige Bürger angehören, beide Gruppen zusammenführen, da aus Flüchtlingen, die noch da sind, inzwischen Bürger geworden sind.
Als hilfreich wurde auch der Hinweis aus dem Teilnehmerkreis auf die Ehrenamtsbörse der Freiwilligen-Agentur des Sozialamtes der Stadt Würzburg verwiesen (siehe nachstehender Link), um Angebote und Nachfragen besser bekannt zu machen und Kontakte zu erleichtern.
Hilfesuchende waren in den letzten Jahren immer mehr die älteren Menschen. Das Angebot sollte sich aber breiter aufstellen, sich auch z.B. an junge Familien und jüngere Menschen richten.
Deshalb müsse sich die Öffentlichkeitsarbeit nicht nur intensiviert sondern auch moderner ausgerichtet werden, neben den bisherigen Informationswegen (Blättle, Mailverteiler) sollen weitere Möglichkeiten überlegt werden wie Internetauftritt, Online-Vermittlungsbörse, whatsapp-Gruppen etc..
Um diese zeitgemäßen Veränderungen vorzunehmen, soll sich ein neues Organisationsteam bilden, im besten Fall als Mix von „Neuen“ und „Alten“
Die Gemeinde (Bürgerbüro) soll stärker eingebunden werden. Es ist zu klären, ob eine professionelle Unterstützung (ggf. über ein bay. Förderprogramm) geschaffen werden kann.
Da Hintergrund des Treffens auch der war, weitere interessierte Personen zu finden, die Lust haben im Projektteam mitzuarbeiten, ein neues Konzept mit zu entwickeln, konnten sich Interessierte in eine Liste eintragen. Alle Interessierten werden dann zu einem Planungstreffen eingeladen.