Jugendliche aus mehreren Nationen engagieren sich in einem Camp der Gemeinde Veitshöchheim - Ein gelungenes Beispiel der Völkerverständigung
Am Mittwochmorgen war Bürgermeister Jürgen Götz zusammen mit der italienischen Partnerschaftsbeauftragten Ilse Feser auf den Abenteuerspielplatz am Main gekommen, um den engagierten jungen Leuten aus mehreren Nationen für ihren Einsatz bei der Kinderbetreuung im Rahmen des örtlichen Ferienprogramms zu danken (dazwischen im grünen Hemd die ASP-Leitung).
Nicht alltägliche Gäste beherbergt seit dem 28. Juli noch bis zum 11. August 2018 die Gemeinde Veitshöchheim im Naturfreundehaus. In dieser Zeit verbringen hier 14, bzw. ab der zweiten Woche 13 junge Leute, zehn junge Damen und vier Jungs im Alter von 16 bis 23 Jahren aus Deutschland (4), Italien (5), Frankreich (4) und Algerien (1) ihre Ferien, um täglich gemeinsam fünf Stunden für etwas Sinnvolles zu arbeiten, gemeinsam zu kochen, gemeinsam zu feiern und Spaß zu haben, ohne hohe Kosten gemeinsam ihre Freizeit zu gestalten. Sie sind Teilnehmer eines internationalen "Work-Camps", das die Gemeinde in Zusammenarbeit mit dem gemeinnützigen Bundesverein "Internationale Jugendgemeinschaftsdienste" (Ijgd) bereits zum 15. Mal ausrichtet.
Der Einsatz auf dem Abenteuerspielplatz (ASP), den in der ersten Woche 200 Kinder besuchten und zu dem in der zweiten Woche täglich 170 Kinder kommen, ist von 8.30 bis 14.00 Uhr für alle Pflicht, ebenso als Höhepunkt die Hüttenübernachtung mit Nachtwanderung am Donnerstag. Die Ijgdler helfen so jeweils am Vormittag den Kindern bei den Workshops und beim Hüttenbau. Sie arbeiten gerne, wie sie sagen, mit Kindern zusammen. Sie helfen auch bei der Mittagsbetreuung, für die sich in der ersten Woche 150 Kinder und in der zweiten Woche 130 Kinder angemeldet haben und geben hier das von einem Caterer gelieferte Mittagessen aus.
Die trinationalen Gäste erhalten für ihren Einsatz in Holznagelhausen zwar keinen Lohn. Unterkunft und Verpflegung im Naturfreundehaus ist für sie jedoch frei. Sie müssen somit nur ihre Reisekosten und eine Anmeldegebühr von 80 Euro entrichten.
Auf dem Foto haben sich die Ijgdler beim Besuch des Bürgermeisters vor der Öffnung des ASP für die Kinder in einer Runde versammelt mit den ASP-Betreuern unter der Leitung des gemeindlichen Sozialpädagogen Daniel Kölling (links vom Bürgermeister) und Co-Leiter Julian Flittner (re.). Der Einsatz auf dem ASP ermöglicht es ihnen, auch das etwa gleichaltrige 21köpfige ASP-Team näher kennen und den Umgang mit Nagel und Hammer zu lernen.
Für fast alle ist das Zusammenleben mit Menschen aus anderen Ländern, mit anderen Ansichten und anderer Mentalität eine ganz neue Erfahrung. Alle fühlen sich hier wohl, nicht zuletzt ein Verdienst des aufgeschlossenen ASP-Teams, das eine super Zusammenarbeit ermöglicht.
Das diesjährige ijgd-Camp leitet Kristin Puschendorf aus NRW, die an der Uni in Bielefeld Latein und Germanistik auf Lehramt studiert, ihr fünfmonatiges Auslandssemester 2014/2015 in Neuchatel in der französischen Schweiz absolvierte und genau vor einem Jahr vier Wochen lang zum Jugendaustausch in Nicaracua in Gastfamilien verbrachte.
Co-Teamer ist der 25jährige Algerier Abdelmalek Mostefai (links im Bild beim Kartenspielen), der durch sein Germanistik-Studium in Oran perfekt deutsch spricht. Abdel war zuvor schon Co-Leiter eines Ijgd-Camps in Traben-Trarbach an der Mosel, wo die Teilnehmer drei Wochen lang unter der Aufsicht eines Försters im Wald arbeiteten. Da gefällt ihm das Camp in Veitshöchheim mit Umgang mit unterschiedlichen Sozialgruppen, hier besonders mit Kindern, natürlich wesentlich besser, denn er möchte sich in der näheren Zukunft sozial engagieren.
Aufgabe des Ijgd-Leitungs-Duos ist es, Gruppen- und Freizeitaktivitäten zu initiieren, die Eigeninitiative der Teilnehmer zu fördern und nach Möglichkeit die ganze Gruppe in Diskussionen und Entscheidungen einzubeziehen.
Wie Puschendorf sagt, verstehen sich alle im Workcamp prima. Auf dem ASP können alle ihre Ideen und Fertigkeiten einbringen, lernen wie ein Jugendprojekt durchgeführt wird, Arbeit in einem großen Team erleben, die deutsche Sprache im Alltag erlernen und viele neue Bekanntschaften knüpfen.
So betonten denn alle, nach ihren bisherigen Erfahrungen befragt, dass das Workcamp eine gute Gelegenheit sei, neue Freunde aus fremden Ländern und deren unterschiedliche Kulturen kennenzulernen. Von den zehn weiblichen Teilnehmern war zu hören, dass es eine schöne Erfahrung sei und Spaß mache, mal mit den Händen zu arbeiten, zu hämmern und zu sägen.
Zu den vier deutschen Teilnehmern im Workcamp zählen neben Puschendorf und dem 16jährigen Jonas H. aus Berlin mit dem 18jährigen Louai Alsawan und dem 23jährigen Nawras Baaj auch zwei Syrer, die vor zweieinhalb Jahren als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen waren und nun in Nürnberg wohnen. Beiden gefällt es hier sehr, weil sie es mit Kindern zu tun haben und sie ihre deutschen und englischen Kenntnisse verbessern können. Am Wochenende betätigten sich die beiden Syrer für einen Teil der Gruppe als Gästeführer bei einem Ausflug in ihre neue Heimat Nürnberg, während der andere Teil mit dem Zug einen Ausflug nach München unternahm.
Während es für die meisten Teilnehmer das erste Workcamp ist, hatte der Jüngste Jonas bereits zwei hinter sich. Seine Erfahrung: "Man trifft bei den Camps viele coole neue Leute und schließt Freundschaften auf der ganzen Welt".
Diese Aufnahme entstand beim Grillfest des ASP-Fördervereins am letzten Freitag
Fast gleichaltrig sind aus Frankreich angereist Emma Merlin, Maud Eisenblaetter, Romane Segineur (alle 18) und Adeline Marod (19). Dem Quartett macht es sichtlich Spaß, mit den Kindern zu spielen und mit ihnen Hütten zu bauen, vor allem da diese eine andere Sprache als sie sprechen. Adeline meinte allerdings, die Arbeit sei manchmal wegen der vielen Holz-Spreißel schon hart.
Noch etwas jünger sind die vier Italienerinnen Gaia Calcini, Maddalena Borgianni (beide 16), Sofia Cordioli und Silvia Bianchini (beide 17). Alle schwärmten von der Arbeit mit den Kindern, obgleich auch Silvia meinte, dass es manchmal schwer war, sie zu verstehen. "Jeder ist sehr nett und freundlich," hob Gaia als Besonderheit hervor. "Insbesondere mag ich es, Zeit mit Kindern zu verbringen, sie zum Spielen und Lachen zu animieren", sagte Sofia und Maddalena fand es schön, durch ihre Teilname am Workcamp deutsch zu sprechen und zu lernen.
Begeistert äußern sich die Workcamp-Teilnehmer auch über das Naturfreundehaus, das mit seinen Räumlichkeiten und dem grünen Umfeld ein ideales Quartier darstellt. Hier fühlen sich alle wohl und genießen die Abende im Garten nach den selbst zubereiteten Abendessen. Das gemeinsame Kochen und Einkaufen gehört zum Gruppenleben des Workcamps. Hierfür und um in ihrer Freizeit mobil zu sein, stellt ihnen die Gemeinde den Gemeindebus für die Dauer des Aufenthalts zur Verfügung. Täglich übernehmen zwei andere den Küchendienst. Die jungen Leute entscheiden selbst, was auf den Speiseplan kommt und können so auch den anderen Teilnehmern Gerichte aus ihren Heimatländern vorstellen. Für die Gruppenleitung heißt es haushalten, denn die Ijgd stellt ihnen für das Essen nur vier Euro und für Unternehmungen 1,60 Euro pro Tag und Teilnehmer zur Verfügung.
Ihnen steht es ansonsten frei, das Programm nach dem Arbeitseinsatz selbst zu gestalten und ob sie die von der Gemeinde angebotenen Ausflugsmöglichkeiten in die nähere Umgebung nutzen. So waren die jungen Leute schon zum Shoppen in Würzburg und haben eine Ortsführung mit der gemeindlichen Kulturreferentin hinter sich. Begeistert sind die internationalen Gäste besonders vom Freibad, in das sie an allen Tagen freien Eintritt haben, aber bisher nur wenig nutzten. Denn bezeichnend für das gute Klima auf dem ASP ist, dass die jungen Leute trotz der großen Hitze meist auch nach 14 Uhr noch bis zum Ende um 17 Uhr auf dem ASP blieben, weil es ihnen hier so gut gefiel und sie den Aufenthalt hier dem Geisbergbad vorzogen.
Für Veitshöchheims italienische Partnerschaftsbeauftragte Ilse Feser war es eine Besonderheit, dass heuer unter den Teilnehmern auch vier Mädchen aus der Partnerstadt Greve in Chianti in Chianti dabei waren. In den vergangenen Jahren habe sie immer vergeblich versucht, Jugendliche aus Greve zur Teilnahme zu bewegen. Diesmal hatte jedoch eine Mitarbeiterin der Gemeinde Greve in Chianti, deren Tochter dann auch selbst mitgekommen ist, die Angelegenheit in die Hand genommen und alles organisiert. Deshalb gab es diesmal vier toskanische Teilnehmerinnen, das fünfte italienische Mädchen in der Gruppe war unabhängig davon dazu gekommen und stammt aus Verona. Allerdings musste ein Mädchen aus Greve aus familiären Gründen schon nach einer Woche wieder abreisen.
Bereits von 1987 bis 1993 veranstaltete die Gemeinde alljährlich einen solchen Gemeinschaftsdienst. Diese wurden dann ab 1995 bis 2002 und 2005 durch Jugendfreizeiten mit Teilnehmern aus den Veitshöchheimer Partnerstädten abgelöst. Da jedoch in den Partnerstädten kaum noch Jugendliche Interesse für diesen für sie nahezu kostenlosen Jugendaustausch zeigten, entschloss sich die Gemeinde seit 2010 wieder jährlich eines von bundesweit rund 100 Workcamps der Ijgd zu ermöglichen. Die Gemeinde kann aber beim Ijgd-Workcamp sechs Plätze für Jugendliche aus Partnergemeinden reservieren, die dann auch günstigere Bedingungen haben als andere. Diese Möglichkeit nutzten dieses Jahr, wie oben beschrieben vier Mädchen aus der italienischen Partnerstadt Greve in Chianti.
Der Gemeinde kostet ihr vorbildlicher Beitrag zur internationalen Völkerverständigung rund 5.000 Euro. Bürgermeister Jürgen Götz: "Wir betreiben diesen Aufwand gerne, auch in der Hoffnung, dass hiesige Jugendliche die Möglichkeit nutzen, an Camps der Partnerorganisationen der Ijgd im Ausland teilzunehmen."
Diese seien nicht nur billige Ferien. Sie eröffnen nach seinen Worten interkulturelle Erfahrungsfelder und biete Jugendlichen einen Rahmen, in dem sie sich aktiv und selbstverantwortlich mit sich, mit Menschen aus anderen Kulturen und mit den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen können.
Am letzten Abend nach der großen Abschiedsfete werden in Holznagelhausen sicherlich die Tränen fließen.
Zehn Tage lang arbeiten hier auf dem ASP der Gemeinde Veitshöchheim die Ijgdler beim Hüttenbau und den Workshops und Spielen mit.