Overblog
Edit post Folge diesem Blog Administration + Create my blog

Die Digitalisierung fordert auch die Kitas heraus - 450 Erzieherinnen bei der 21. Fachtagung - Ziele, Wege, Stolpersteine - in den Mainfrankensälen

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Die Massivholz-Produkte seiner Firma stellte Bennet Comer (links) vom Kindergartenausrüster "Community Playthings" aus dem thüringischen Bad Klosterlausnitz in den Mainfrankensälen Veitshöchheim anlässlich der vom Landratsamt Würzburg organisierten 21. Fachtagung "Ziele, Wege, Stolpersteine" vor. Beim Rundgang durch die große Ausstellung von acht Anbietern und zahlreichen Infoständen im Foyer freuen sich über seine Ausführungen v.l.n.r. Ursula Bördlein (Kindergartenfachaufsicht Landratsamt Würzburg), Landrat Eberhard Nuß, Claudia Vollmer, Paul Justice (Gesundheitsamt),  Eva Reichert-Garschhammer (Leiterin Abteilung I am IFP), Prof. Dr. Hans-Michael Straßburg (Moderator), Diplom-Psychologin Dr. Verena Delle Donne und Eva-Maria Löffler (Geschäftsbereichsleiterin für Jugend, Gesundheit und Soziales).

450 Erzieherinnen und Erzieher aus den Kindertagesstätten des Landkreises Würzburg und aus der fränkischen Nachbarschaft von Aschaffenburg bis Rhön-Grabfeld führte die 21. Fachtagung "Ziele, Wege, Stolpersteine" in die Mainfrankensäle nach Veitshöchheim.

Das große Interesse kam nicht von ungefähr. Wie Landrat Eberhard Nuß  tief beeindruckt über die große Zahl der Gäste zur Begrüßung sagte, waren die Anforderungen an die pädagogische Arbeit in den Kindertageseinrichtungen (Kitas) noch nie so vielfältig und anspruchsvoll wie heute. Wurden in den vergangenen 20 Jahren bei der Fachtagung eine große Bandbreite pädagogischer Themen wie Bewegung, Aggression, Inklusion, Wahrnehmungsstörungen, Flüchtlingskindern in der Kita bis hin zur Werteerziehung diskutiert, so lautete dieses Mal das Thema "Herausforderung Kitas" heute.

Die Idee zur Durchführung der Veranstaltung sowie die inhaltlichen Schwerpunkte stammten von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe „Kind und Gesundheit” der Gemeindenahen Gesundheitskonferenz Würzburg. Diese umfasst verschiedenste Institutionen, Organisationen, Kliniken und Behörden, von der Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Kinderärzte über die Frühförderungsstelle und Frühdiagnosezentrum bis hin zur Kindertagesbetreuung in Stadt und Landkreis Würzburg oder staatlichem Schulamt. Organisiert hatte die Tagung Ursula Bördlein vom Jugendamt und Paul Justice vom Gesundheitsamt des Landkreises Würzburg.

Landrat Nuß verwies darauf, dass angesichts der rasanten digitalen Alltagsdurchdringung und der einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen sich auch die Kitas den modernen Herausforderungen stellen, die Eltern gut beraten, die Kinder auf den richtigen Weg im Umgang mit den Medien bringen und dabei noch auf jedes Kind mit seinen Stärken und Schwächen eingehen müssen. Die Fachtagung sollte dazu beitragen, den Teilnehmern bei der Lösung dieser Mammut-Aufgabe zu helfen.

Dazu konnte die Arbeitsgruppe wieder sehr kompetente Referentinnen und Referenten gewinnen, deren Vorträge Professor Dr. Hans-Michael Straßburg moderierte. Der Professor sprach von einem phantastischen Programm mit dem Multiplikatoren-Prinzip im Mittelpunkt, in dem die anwesenden Erzieherinnen mit verschiedensten Informationen konfrontiert werden und diese dann in ihren Einrichtungen weitergeben. So referierten die Juristin Eva Reichert-Garschhammer vom ifp  über „Das Bildungssystem Kita in der digitalen Welt - Chancen und Herausforderungen“, Professorin Dr. Fabienne Becker-Stoll vom ifp zum Thema  „Eltern in der Zerreißprobe zwischen Familie, Beruf und Perfektionsanspruch“, Diplom-Psychologe Jan Rösler aus Fürth über „Verrückte Kinder oder verrückte Welt? – Sind Kinder heute herausfordernder als früher?“ sowie Verena Delle Donne, Leiterin des Psychosozialen Beratungsdienstes und Gabriele Amend-Tiedemann von der interdisziplinären Frühförderstelle "Muss ich denn alles alleine schaffen? Ein Wegweiser durch den Beratungsdschungel".

Während sich früher noch die Kinder mit Büchern fortbildeten, sei heute alles "Multitasking", für viele eine Herausforderung und manche würden dies auch sehr kritisch sehen. 

Als einen der stärksten Kritiker der digitalen Herausforderung verwies Straßburg auf den einflussreichen Psychiatrie-Professor Manfred Spitzer aus Ulm.

Von Spitzer stamme dieses Diagramm über die Gehirnbildung von der Kindheit bis ins hohe Alter. In den ersten Lebensjahren sei es günstig für die Gehirnentwicklung, wenn man Zweisprachigkeit hat und die Welt mit Händen begreifen, Musik, Sport und Theater machen kann. Spitzer sehe große Probleme und Gefahren, wenn in der frühen Kindheit das Fernsehen, Videofilme oder andere elektronische Medien ständig konsumiert werden. Dies könne zu Sprachentwicklungs-, Aufmerksamkeits- und Schulproblemen führen. Schreckliche Aussichten beschrieb er, wenn Computerspiele und dauernd online zur falschen Ernährung, geringe Bildung, Übergewicht, Schlafmangel und Sucht und im Berufsleben dann zu Arbeitslosigkeit, Krankheit, sozialen Abstieg, Vereinsamung bis hin zu Depression, Demenz und Tod führen.

Eva Reichert-Garschhammer vom Staatsinstitut für Frühpädagogik (ifp) aus München sieht das jedoch ganz anders. Sie referierte gleich zu Beginn über „Das Bildungssystem Kita in der digitalen Welt - Chancen und Herausforderungen“. Als sie, wie auf dieser Folie im Hintergrund zu sehen, Tablets möglichst für jede Fach- und Zweitkraft und weiter eines für je drei bis fünf Kinder als Grundausstattung für einen an pädagogischen Zielen orientierten, kreativen Einsatz in den Kitas schmackhaft machte, ging ein Raunen durch den Saal.

Wie die stellvertretende ifp-Leiterin sagte, sei die Medienbildung nichts Neues, sondern sei bereits seit 20 Jahren eine Kita-Aufgabe, die digitale Gesellschaft jedoch seit 2014 politisches Top-Thema  in Deutschland. Seit 2016 gibt es das vom ifp im Auftrag des StAMS erstellte und an alle Kitas gegangene Grobkonzept zur "Kita 4.0 - Digitalisierung".

Digitalisierung ist nach ihren Worten ein unaufhaltsamer, immer rasanter verlaufender globaler Prozess, der starke gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringe. So sei die digitale Revolution vergleichbar und dramatisch mit der Erfindung des Buchdrucks. Leichter mache das ganze, dass sie Chancen auf ein besseres Leben und mehr Teilhabe eröffne, aber auch neue Risiken und Fragen, die einer Lösung bedürfen. Reichert-Garschhammer: "Wir brauchen eine digitale Transformation, einen Prozess, die Digitalsierung bewusst zu gestalten, damit möglichst viele in der Bevölkerung von den Chancen profitieren können.

Zum Thema "Kinder in der digitalen Welt" führte die Referentin aus, dass Familien-Haushalte mit Kindern im Alter von 2 - 5 Jahren am besten mit digitalen Medien ausgestattet sind und diese eine hohe Bedeutung im Familienalltag haben. Die neue Technik sei absolut kinderfreundlich, sie mache es den Kleinen per Touchscreen und Symbolen sehr leicht, mit ihnen umzugehen. Der App-Markt für Kinder wachse rasant. So habe auch Youtube einen eigenen Kinderkanal und auch die Spielzeugwelt ziehe nach mit Autos, Roboter und sprechenden Puppen. 

Bei den kleinen Kindern seien aber immer noch die analogen Tätigkeiten im Fokus.

Die Kultusministerkonferenz 2016 bestimmte in ihren Perspektiven für Deutschland, dass die Digitalisierung alle Stufen ab der frühkindlichen Phase angeht unter dem Primat der Pädagogik, d.h. nicht die Technik, sondern die Pädagogik habe zu sagen, was zu machen ist. Neben Lesen, Schreiben und Rechnen sei nun die Digitalisierung die vierte Kulturtechnik als Voraussetzung zur Teilhabe an den gesellschaftlichen Prozessen.

Eine Enquete-Kommission des Bundestages habe 2013 wichtige Schlüsselsätze formuliert, wie einen immensen Forschungs- und Entwicklungsbedarf und einen wachsenden Handlungsdruck für die Jüngsten der Gesellschaft. Die frühe digitale Bildung sei seitdem keine Frage mehr des Ob, sondern des Wie.

Infolge dessen führe das ifp durch das neu 2018 in Amberg als Dienststelle aufgebaute ZMF (Zentrum für Medienkompetenz in der Frühpädagogik) bis 2020 einen Modellversuch durch, an denen sich bayernweit 100 Kitas beteiligen, davon 15 in Unterfranken.

Es sollen Konzepte und Materialien entwickelt und erprobt werden für den digitalen Medieneinsatz. Die am Modellversuch beteiligten Kitas bekommen Fortbildung und Begleitung inhouse durch Mediencoaches eine IT-Ausstattung mit IT-Support und Kita-Cloud. Die Startphase beginnt laut Reichert-Garschhammer mit der Auftaktveranstaltung am 20. September 2018 in München mit Teamgesprächen und einem Elternabend und im Dezember findet die erste Inhouse-Schulung statt. Es sollen sehr viele Filme gedreht werden, die gute Praxisbeispiele sichtbar machen.

Spätestens ab dem 2. vollendeten Lebensjahr  würden Kinder Interesse an Medieninhalten entwickeln. Interessant sei in diesem Zusammenhang die Aussage der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, die feststellt: Je früher positive Lernerfahrungen im Umgang mit Medien, desto größer seien die Chancen, nicht medienabhängig, sondern befähigt zu werden, diese Kulturtechnik im Alltag maßvoll und nutzbringend einzusetzen.

Das Risikomanagement betreffe die drei Säulen kindgerechte Angebotsgestaltung für Spielen, Lernen und Unterhaltung, Sicherheitstechnik und Medienkompetenz der Eltern. Im Fokus stehe in der Kita die kreative Mediennutzung, also Gestalten statt Konsumieren.

Diesbezüglich sei schon sehr viel entstanden, wie die folgenden Folien zeigen:

Der Staat hat ein Netz für Kinder eingerichtet mit werbefreien Kinder-Webseiten und Kinder-Suchmaschinen sowie Online-Portale für Eltern und Pädagogen mit Ratgebern und Fachportalen.

Die Referentin sprach von einer neuartigen Aufgabe und Herausforderung für Eltern und Kita, zu der sie Unterstützung brauchen. Die wichtigste Regel für Eltern und Erzieher sei, selbst ein Online-Vorbild zu sein, Geräte gut zu sichern und Inhalte auszuwählen, Regeln mit Kindern zu vereinbaren und über Erlebtes zu sprechen, sehr viel Abwechslung zu bieten und Freiräume zu schaffen.

Die Unterstützung lasse nicht auf sich warten. So wachse der Buchmarkt und die Handreichungen auch online, ebenso die Fach-Portale.

 

Im Fokus das Tablet als mobiler Alleskönner:

Voraussetzung sei natürlich auch WLAN in Kitaräumen.

Erster Anhaltspunkt für die Tablet-Nutzung seien 2-3  Std. pro Woche, nie allein sondern nur gemeinsam mit anderen Kindern und begleitet von einer Fachkraft.

Tablets bezeichnets die Referentin als Werkzeuge im Bildungsprozess, die kreativ genutzt werden im ständigen Gespräch mit den Kindern auch über die digitale Welt.

Wichtig sei, dass der Einsatz von Tablets strategisch durchdacht ist, es ein ergänzendes Werkzeug ist, das andere nicht ersetzt, ein Mehrwehrt im Fokus steht, die Kinder möglichst viel selber machen dürfen. Dies ermögliche neue Spiel- und Lernformen, Bildungsprozesse zu dokumentieren und stärke die Kinder in ihrer Kreativität und sozialem Miteinander.

Als Einsatzmöglichkeiten von Tablets im Alltag nannte die Referentin die Recherche und Dokumentation, zur Gestaltung im Alltag wie einen Ausflug planen mit Hilfe von Googlemaps, Busfahrplänen und schließlich Bausteine für alle Bildungsbereiche

Es gehe beispielsweise nicht etwa darum, den Wald-Spaziergang durch eine Wald-App zu ersetzen. Aber was spreche dagegen, ein Tablet mit in den Wald zu nehmen, um damit Vogelstimmen aufzunehmen oder Pflanzen zu bestimmen und später in der Kita darüber zu sprechen? Nebenbei eröffne sich damit die Möglichkeit, schon im frühesten Kindesalter den kritischen Umgang mit diesen Medien einzuüben.

Weitere Praxistipps:

Eine wichtige Botschaft nannte sie die Nutzung der Datenbanken Kindermedien und die App-Empfehlungen für Kita und Grundschule mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen, beispielsweise um Bilderbücher selber zu gestalten mit dem Book-Creator.

Beim Projekt "Haus der kleinen Forscher" empfahl sie "Informatik entdecken - mit und ohne Computer" zu nutzen.

Neue Zugangs-Möglichkeiten schaffe ein Tablet-Einsatz beim Thema "Inklusion".

Für Kinder mit Behinderungen erweisen sie sich als Tor zur Welt, die die Handlungsräume erweitern. So könne man sich auch ohne Sprache per App mittels Taster und Symbolen verständigen.

Als Segen erweisen sich bei Kindern mit Migrationshintergrund, die beispielsweise kein Deutsch können, Apps mit Bildwörtern, Übersetzungsmodus, mehrsprachigen Medien.

Schließlich würden digitale Medien in der Kita auch die Bildungschancengerechtigkeit und die digitale Kluft verbessern und so der digitalen Spaltung entgegenwirken.

Unabdingbar und ein "must have" nannte die Referentin bei Einführung der Tablets in der Kita den frühzeitigen Einbezug der Eltern im Rahmen einer Bildungspartnerschaft mit Infos, wie diese kreativ eingesetzt werden und wie sie selber zuhause Tablets nutzen können. Online-Anmeldesysteme für Kitaplatz entlasten Eltern und Kita.

Eltern haben viele Möglichkeiten, sich online über digitale Medien zu informieren.

Statt Whatsapp-Gruppen mit Eltern empfahl die Referentin Kita-Apps mit digitaler Kommunikationsplattform, verknüpft mit Kita-Verwaltung.

Wichtig sei auch die Kooperation mit Bibliotheken, die jedoch beim Thema digitale Lesewelten selber noch am Anfang seien.

Es entstehen seit einiger Zeit auch einige online-Beobachtungsverfahren und E-Portfolio sowie Kita-Apps mit Kombi-Lösungen, die beides verbinden.

Dies erleichtere bestimmte Arbeitsschritte, wie Auswertungsverfahren von Beobachtungsbögen, Fotos werden alle digital gespeichert, die Daten können für Elterngespräche ganz anders aufbereitet und auch von Eltern über eine Kita-Cloud eingesehen werden.

Es besteht laut Reichert-Garschhammer ein enormer Bedarf an Fortbildung in Sachen "digitale Medien". Ein wichtiger Faktor ist hierbei das Thema "E-Learning-Plattformen" nicht nur beim Kita-Personal, sondern auch bei den Multiplikatoren.

Es gibt laut Referentin eine Fülle von Sachen, wo keiner mehr durchblicke, was es schon alles gibt.

Deshalb sei der Aufbau von landeszentralen Plattformen notwendig, die alles an Angeboten und Portalen bündelt und vernetzt und offene Zugänge (z.B. open access) schafft. Das ZMF habe den Auftrag, diese Plattform mit Zugang zum Portal "BildungsplanPLUS" mit Serviceteil für die Praxis zu erstellen.

Zur Qualitätsentwicklung brauche nun eine jede Kita ein Medienkonzept und eine Auseinandersetzung mit allen Handlungsfeldern, dem eine schrittweise Umsetzung im Kitaallag folgt.

Die IT-Ausstattung müsse sich an pädagogischen Zielen orientieren. Technik allein schaffe jedoch noch keine Pädagogik. Deshalb sei eine begleitende Fortbildung, Regeln, IT-Support und datenschutzkonforme Kita-Cloud vonnöten. Es brauche auch Investitionen, die laut Referentin sehr hoch sein werden.

Für viele Kitas, die nicht bis zum Ablauf der Modellversuchsphase 2021 warten wollen, könnten bereits jetzt starten und einsteigen, indem sie bestehende Angebote nutzen.

Moderator Professor Straßburg sprach von einer faszinierenden neuen Welt, die Reichert-Graschhammer in ihrem phantastischen Vortrag vorgestellt habe, in der er noch außen vor sei. Er habe soviel neue Informationen enthalten, die erst einmal verarbeitet werden müssten.

Wie eine Frage in die Runde ergab,  nutzen bisher nur einige wenige schon Tablets oder die digitale Kommunikation mit Eltern. Zu der Frage nach der Strahlung von Tablets, meinte Reichert-Graschhammer, dass verschiedene Anwendungen nach Herunterladen auch offline genutzt werden können und WLAN so nicht permanent benötigt wird.

Eine Teilnehmerin erntete reichlich Beifall, als sie sagte, sie halte nichts davon Tablets mit in den Wald zu nehmen. Ob ein Einsatz von Tablets auch schon in der Kinderkrippe sinnvoll sei, wollte eine andere Teilnehmerin wissen. Die Referentin meinte dazu, dass es Musikapps für ganz Kleine gibt und die Kreativ-Apps für Kinder ab drei Jahre anfangen.

Eine andere Teilnehmerin vertrat gar die Meinung, sie würde niemals Tablets bei der Arbeit mit Kindern zulassen, es sei denn, dies unterstütze Kinder mit einer Behinderung. Sie empfinde, dass Kinder noch früh genug mit den modernen Medien in Berührung kommen, erstmals sollten sie lernen wie sich Sand anfühlt. Dem Beifall und lauten Gejohle nach zu schließen, sprach sie damit vielen aus der Seele. 

Die Referentin entgegnete, das Tablet solle nicht das Spielen mit dem Sand ersetzen, sondern nur ergänzen. Sie hielt es im Gegensatz dazu schon für wichtig, die Kinder möglichst frühzeitig auf die digitale Welt vorzubereiten, dies auszublenden wäre fatal. 

Dass die Medienwelt auf den Kindergarten zukommt, dem könne man sich nicht mehr verschließen, äußerte deshalb auch eine Teilnehmerin. Auf dem Herzen lag ihr jedoch die Frage, wie der Kindergarten Unterstützung bekomme angesichts des ganz riesigen Feldes, das noch mehr Anforderungen an die Einrichtung und das Team stelle. Bereits jetzt habe man Probleme den Alltag an sich zu bewältigen. Man benötige mehr Personal und mehr finanzielle Unterstützung, denn wie soll sonst ein kleiner Kindergarten diese ganzen Medien beschaffen und laufend finanzieren. 

Die Referentin gab der Fragestellerin Recht bezüglich der notwendigen Unterstützung. Benötigt werde dringend ein Multiplikatoren-Pool für die Fortbildung, denn es gebe Fortbildungsanfragen ohne Ende, die auch inhouse erfolgen sollten. Auch der Freistaat Bayern müsse sich  überlegen, ob er bei der Medienausstattung und Fortbildung die Träger unterstützt.  Diese Fragen würden auf dem Tisch liegen. Aber sie könne noch keine Antwort geben. Sie gehe aber auch davon aus, dass einige Apps auch eine spürbare Arbeitserleichterung bringen.

Petra Langer, Leiterin des Veitshöchheimer Kuratiekindergartens erklärte auf Nachfrage, dass für ihren Kindergarten ebenso wie für die beiden anderen örtlichen katholischen Kindergarten St. Bilhildis und St. Martin die Umstellung auf "Caritas Digital 21" in vollem Gange sei. Mit dem Projekt Caritas Digital 21 schaffe der Caritasverband für die Diözese Würzburg eine IT-Plattform für seine Mitglieder, mit der sie Informationstechnologie sinnvoll, wirksam, rechtskonform und wirtschaftlich für ihre Arbeit nutzen können. 

Wie Langer sagte, habe sie dann auch Tablets in den Gruppen zur Verfügung. Derzeit werde eine Kita-Cloud unter Berücksichtigung des neuen Datenschutzrechts angelegt. Sie habe durch die sehr umfangreiche Information von Reichert-Garschhammer wertvolle Hinweise für die künftige Arbeit auch ihrer Teams mit den digitalen Medien erhalten. Die 58jährige steht den neuen digitalen Medien offen gegenüber und will sich ausführlich die Präsentation des Vortrags zu Gemüte führen.

Ein Problem sei für sie nicht, selbst gemeinsam mit dem Team ein Konzept zu erstellen, da ihre Einrichtung einen sehr guten Anstellungsschlüssel von 9,0 statt wie häufig üblich von 11,0 habe. Wie so oft sei dagegen die Finanzierung der Umsetzung des Konzepts  für die vier Gruppen mit insgesamt 77 Kindern, davon zwölf Krippenkindern, sehr schwierig. Wenn sie hochrechne, was ein Tablet koste, sei allein die Beschaffung der Tablets für alle 14 Leute im Team und eines für je drei, vier Kinder ein horrender Betrag.

Keine Problem hat sie dagegen mit der Fortbildung. Diese habe sie im Budget. Bei der Beschaffung der Teile hofft sie sehr, dass die Staatsregierung die Einrichtung unterstützt. Spannend sei auch die digitale Zusammenarbeit mit den Eltern. Sie gehe davon aus, dass dies auch von den Eltern gewünscht werde. Man müsse am Zeitgeist dranbleiben, die Gesellschaft habe sich soweit gewandelt, "da können auch wir als Kindertageseinrichtung nicht sagen, nein das bleibt außen vor." Dies sei ein ganz großer Fehler, den da viele Kolleginnen machen würden. Langer sieht ihre Aufgabe darin, den Kindern einen sinnvollen Umgang mit den neuen Medien zu vermitteln. Bereits bisher würde man bei bestimmten Fragen von Kindern, gemeinsam nach Antworten im Internet suchen, denn alles könnten auch die Erzieherinnen nicht wissen.

Download Präsentation Vortrag Eva Reichert-Garschhammer (pdf.Datei)

Professorin Dr. Fabienne Becker-Stoll vom ifp vertrat in ihrem Vortrag zum Thema  „Eltern in der Zerreißprobe zwischen Familie, Beruf und Perfektionsanspruch“u.a. folgende Thesen:

Das Erlernen der Sprache geht nicht ohne Eltern und nicht ohne Zeit für ElternKindInteraktion.

Folgt man der Bindungstheorie

• ist zunächst der Aufbau einer sicheren ElternKindBindung die Grundvoraussetzung

• um im weiteren Entwicklungsverlauf Kompetenz und Autonomiebestrebungen optimal beantworten und fördern zu können.

Kleine Kinder brauchen immer einen vertrauten, verfügbaren und verlässlichen Menschen, der auf ihre Bedürfnisse eingeht und ihnen als sichere Basis und sicherer Hafen dient.

Grundvoraussetzungen für eine gesunde Entwicklung von Kindern:

Kontinuierliche feinfühlige Zuwendung durch die Eltern

daraus entstehen sichere Bindungsbeziehungen

Feinfühlige Zuwendung bedeutet:

• die Signale des Kindes wahrnehmen

• sie richtig interpretieren

• und prompt und angemessen darauf reagieren.

Die Feinfühligkeit der Bezugsperson hängt von ihren eigenen Erfahrungen und der Unterstützung durch ihr soziales Umfeld ab.

Stress ist der „FeinfühligkeitsKiller“ Nr. 1

 

Download Präsentation Vortrag Prof. Dr. Fabienne Becker-Stoll (pdf.Datei)

Diplom-Psychologe Jan Rösler aus Fürth stellt in seinem wissenschaftlichen Vortrag „Verrückte Kinder oder verrückte Welt? – Sind Kinder heute herausfordernder als früher?“ fest: "Der Anteil an Kindern mit auffälligem Verhalten bleibt seit Jahren konstant. Die gefühlte Zunahme entspricht nicht der tatsächlichen Situation. Im Rahmen der KiGGS-Studie werden ca. 9% der Kinder von Ihren Eltern als auffällig erlebt, obwohl sie nach diagnostischen Kriterien nicht auffällig sind."

Sein Fazit:

Kinder heute sind wie Kinder immer schon waren. Was sich geändert hat ist unser Umgang damit.

Für eine entspannte erzieherische Grundhaltung brauchen wir:
• Wertschätzung für die individuelle Weltsicht der Kinder
• Den Mut klare Strukturen anzubieten und einzufordern
• Freiraum für ergebnisoffenes, prozessorientiertes Handeln
"Denn Kinder sind keine optimierten Produkte, sondern in ständiger Entwicklung".

Download Präsentation Vortrag Jan Rössler (pdf.Datei)

Verena Delle Donne, Leiterin des Psychosozialen Beratungsdienstes und Gabriele Amend-Tiedemann von der interdisziplinären Frühförderstelle stellten zum Abschluss in ihren Vorträgen "Muss ich denn alles alleine schaffen? Ein Wegweiser durch den Beratungsdschungel" die Leistungen ihrer Einrichtungen vor. 

So bietet die Frühförderstelle Würzburg Stadt und Land (IFS) ihre Unterstützung an, wenn sich Eltern Sorgen um die Entwicklung ihres Kindes machen, wenn sie Hilfe suchen, weil ihr/e Kinderärztin/-arzt eine Entwicklungsauffälligkeit oder eine Behinderung festgestellt hat, wenn ihr Kind früh(st)-oder risikogeboren ist und sie sich um die Gesamtentwicklung Sorgen machen, wenn es Unsicherheiten bezüglich der Schulreife ihres Kindes gibt, wenn im Kindergarten (KiTa) etwas aufgefallen ist.

Der Mobile Heilpädagogische Beratungsdienst (HFD) wiederum verfolgt als Ziele:

  •  Teilhabe der Kinder in den Kindertageseinrichtungen ohne Stigmatisierung durch Diagnosestellungen / Inklusion
  •  Abbau von Schwellenängsten zu Helfersystemen
  •  Früherkennung/ Prävention von Entwicklungsrisiken
  •  Gewährleistung früher Interventionen
  • Stärkung elterlicher Kompetenzen
  •  Stärkung der Erziehungspartnerschaft von Erzieherinnen und Eltern
  •  Netzwerkarbeit/ Sozialraumorientierung

Download Präsentation IFS und HFD (pdf.Datei)

Kommentiere diesen Post