Sommerfest der SPD in Veitshöchheim stand ganz im Zeichen der Inklusion und Integration mit bewegenden Momenten
"Wow, die haben ja richtig was drauf!" konnte man heute Mittag reihum beim Sommerfest der AG Selbst Aktiv der Bayern-SPD und des Ortvereins Veitshöchheim auf dem Festplatz am Schützenhaus hören. Die Rede ist von der Inklusionsband "Mosaik" der Mainfränkischen Werkstätten in Würzburg (im Bild auf der Bühne, davor links das Mosaik-Betreuungsteam mit Peter Estenfelder (3.v.l.) an der Spitze sowie v.l.n.r. die Selbst Aktiv-Landesvorsitzende und Ortsvereins-Beisitzerin Sibylle Brandt (mit Mütze), die Schirmherrin MdL Ilona Deckwerth, Ilse Hohmeier (Beisitzerin im Landesvorstand von Selbst Aktiv und Landkreis-Vorsitzende), SPD-Ortsvorsitzende Gertraud Azar und MdL Volkmar Halbleib.
Mit dem ganz im Zeichen der Inklusion und Integration stehenden Fest feierte zugleich die Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv Menschen mit Behinderungen in der Bayern SPD mit der Veitshöchheimerin Sibylle Brandt (links) an der Spitze ihr fünfjähriges Bestehen und der SPD-Ortsverein mit seiner Ortsvorsitzenden Gertraud Azar (2. v.l.) sein 125jähriges Bestehen (auf dem Foto rechts die SPD-Landtagsabgeordneten Ilona Deckwerth und Volkmar Halbleib). Außerdem erwartete Brandt am Nachmittag noch Anita Fitz, Landesvorsitzende der AG Selbst Aktiv Baden-Württemberg, Tobias Paul, Leiter der Online Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung und die SPD-Bundestagskandidatin Eva-Maria Linsenbreder.

Unter dem Motto "Inklusion - Integration = Demokratie" stand dabei nicht nur die Unterschriftenaktion "Bayern soll barrierefrei werden!" von Brandt's AG Selbst Aktiv. Die Unterschriften wollen die Landesvorsitzende Sibylle Brandt und ihre Beisitzerin Ilse Hohmeier (rechts) am 2. Dezember 2107 im Landtag dem Bayerischen Ministerpräsidenten übergeben.
Inklusiver Art waren neben der Unterhaltungsmusik von Mosaik (siehe unten) auch das orientalische Spezialitäten-Büffet (u.a. Felafel, Reis mit gebratenen Mandeln, mit Reis gefüllte Weinblätter, Fleisch in Joghurtsoße und Küfelk = Griesbällchen mit Fleischfüllung), das von den beiden in Veitshöchheim lebenden syrischen Flüchtlingen Mohamed und Ahmed als Beitrag des Arbeitskreises "Veitshöchheim hilft" (im Bild links dessen Ansprechpartnerin Dr. Martina Edelmann) zubereitet wurde, während Abdu Bilican, der Vorsitzende der Landkreis-Jusos Dönerfleisch brutzelte. Wie Edelmann ausführte, sind noch 35 der 150 Arbeitskreis-Helfer, die sich um die Flüchtlinge in der Notunterkunft der Kaserne gekümmert haben noch aktiv, um denen, die schon ein vorübergehendes Bleiberecht haben, ein Stück Normalität und Entspannung zu bringen, ihnen das Leben und die Bräuche hier im Ort verständlich zu machen, damit sie sich schneller einleben und sie sich in das Ortsleben integrieren
Vorstellen konnte sich auch der neu gegründete Veitshöchheimer Verein "Gut Harmony e.V. mit der Vorsitzenden Nicole Kanclerski (rechts auf dem Foto), der erste inklusive Gnadenhof Deutschlands, dessen mitgebrachte Ziegen Lena und Bella so richtig zum Knuddeln waren, nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene wie im Bild der 43jährige hochgradig sehbehinderte und beim Versorgungsamt als Telefonist tätige Manuel Rodriguez aus Augsburg. Kanclerskis Harmonie-Hof in den Veitshöchheimer Weinbergen war über zehn Jahre ein privat finanzierter Gnadenhof. Vor allem Pferde wurden zu Beginn gepflegt. Im Laufe der Jahre kamen Ziegen, Kaninchen, Schweine und viele weitere Tiere hinzu. Die Idee, den gemeinnützigen Verein Gut Harmony e.V. auch mit und für Menschen mit Behinderungen zu gründen, damit gehandicapte Menschen und Tiere voneinander profitieren, entstand zusammen mit Alexander Götz und Sibylle Brandt. Der Verein soll sich auch um die medizinische Versorgung der Tiere kümmern. Der Erlös der Veranstaltung soll laut Brandt zu gleichen Teil Gut Harmony und Veitshöchheim hilft zu Gute kommen.
Auch für die Kinderunterhaltung war mit Kinderschminken und Luftballonwettbewerb gesorgt.
Sibylle Brandt, im Bild Altbürgermeister Rainer Kinzkofer (SPD), freute sich, das Grußwort des SPD-Bundesvorsitzenden Martin Schulz verlesen zu können, in dem dieser seine Unterstützung zusicherte, dass das inklusive Leben von Anfang an gelebt wird und erlebbar ist von der Kita, über die Grundschule und weiteren Bildungseinrichtungen bis hin zum Arbeitsmarkt. Brandt verdeutlichte, dass das Sommerfest aber beileibe keine Wahlveranstaltung sei.
Die Schirmherrschaft über das Sommerfest hatte die Landtagsabgeordnete Ilona Deckwerth übernommen, die Sprecherin für Menschen mit Behinderung und Außerschulischer Inklusion der SPD Fraktion im Bayerischen Landtag ist und aufgrund ihrer 28jährigen Tätigkeit als Sonderschullehrerin in Füssen über reichhaltige Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügt. Sie sitzt seit dem 1. Januar 2017 für den SPD-Wahlkreis Kempten, Lindau, Memmingen, Ober- und Unterallgäu im Bayerischen Landtag; als Nachrückerin für den aus skandalträchtigen Gründen zurückgetretenen Parteikollegen Linus Förster. Ein Schwerpunkt-Anliegen der Sonderschulpädagogin ist die Inklusion, also das Recht für alle, dass sowohl Menschen mit Behinderung als auch solche mit Migrationshintergrund dazu zugehören, für sie Voraussetzung für gelebte Demokratie und „ein Gradmesser“ für die Humanität einer Gesellschaft. Dazu gehöre auch, dass die 85.000 Menschen, die unter Betreuung stehen oder sich in psychischen Einrichtungen befinden, ein Recht auf Teilhabe hätten und nicht pauschal vom Wahlrecht ausgeschlossen werden dürften. Diesbezüglich hält sie das Wahlrecht für reformbedürftig.
Sie begeisterten 135 Minuten lang beim Sommerfest des SPD-Ortsvereins, die Inklusions-Band "Mosaik" der Mainfränkischen Werkstätten Würzburg, die zur Hälfte aus mehrfach behinderten Musikern besteht, auf dem Bild hinten von links die Sozialpädagogin Antje Arlt (Keyboard, Querflöte und Gesang), Gruppenleiter Manuel Ziegler (Gitarre), Werkstattmitarbeiter Bruce Gardner (Schlagzeug), Betriebsmechaniker Harald Becker (Bass, Mundharmonika) und vorne als Sänger die Werkstattmitarbeiter Christian Schmitt, Manuel Seitz und Freddy Callaway (verhindert waren die Berufsmusikerin Steffi List, Jeanette Schuler, Matthias Schammberger und Gitarrist Rainer Kraus.
Es war ein alle sehr bewegender Moment, als Mosaik-Band-Manager Peter Estenfelder zum Mikrofon griff und er mit seiner Fassung ringen musste, als er den Text über das traurige Schicksal der 20jährigen Theresa Stahl aus Güntersleben vortrug, die durch eine Autofahrt alkoholisierter Jugendlicher ihr Leben verlor. Ihre Familie und Freunde haben die Aktion "Gegen Alkohol am Steuer" ins Leben gerufen (siehe Autoaufkleber). Auf Wunsch der Mutter interpretierte dann zu ihrem Gedenken Antje Arlt zusammen mit dem Gitarristen Manuel Ziegler das von ihr komponierte und getextete, sehr bewegende Lied "Lebenszeit" (siehe nachstehende Videoaufnahme).
Seit fünfeinhalb Jahren stehen die Musiker von Mosaik nun schon zusammen auf der Bühne, um dem Publikum zu zeigen, dass auch Menschen mit einer Behinderung „etwas drauf“ haben. Sie treffen sich alle zwei Wochen zusammen mit Sängerin Steffi List, um intensiv und hart zu proben.
Nach dem ersten bei Wolfram „Hemul“ Gotzen produzierten Album „Anders genial“ mit dem Inklusionssong „Brücken bauen“ veröffentlichte Mosaik im April nach vielen Monaten intensiver Arbeit im Proberaum und im Tonstudio von Andreas Meyer das zweite Album „Grenzenlos“ mit zehn brandneuen eigenen Songs. Darunter ist auch das Lied, mit dem die Band durch ihre Sänger Christian Schmitt und Freddy Calloway im September 2015 bundesweit für Aufmerksamkeit bei der RTL Casting Show „Das Supertalent“ gesorgt hat, nämlich Peter Maffay’s „Nessaja – Ich wollte nie erwachsen sein“. In jedem einzelnen Lied beschäftigen sich die Musiker mit den für sie wichtigen Themen Inklusion, Toleranz und Menschlichkeit. Beispiel sind der der Song "Eine Welt" oder von der ersten CD der Song "Wir rollen ins Leben und keiner hält uns auf".
„Sie sind wesentlich selbstbewusster geworden“, sagt Peter Estenfelder, Technischer Leiter der Mainfränkischen Werkstätten, der die Band managt. 1. Foto: Deutlich sichtbar ist dies etwa bei Christian Schmitt, der Rollstuhlfahrer mit seiner beeindruckenden Stimme. Er findet es wahnsinnig toll, dass er, der sonst auf fremde Hilfe angewiesen ist, durch seinen Gesang mit dazu beitragen kann, dass mit dem Erlös von Benefizveranstaltungen, bei denen Mosaik ausschließlich auftritt, anderen geholfen werden kann. 2. Foto: Drummer Bruce Gardener spielte als Jugendlicher in der Gemündener Trachtenkapelle Trompete, zusammen mit Gemündens Star Andreas Kümmert, der damals noch ein unbeschriebenes Blatt war. 3.Foto: Antje Arlt, Sozialpädagogin mit Musik im Blut. Musikalischer Kopf der Band, immer ein Lächeln auf den Lippen. Wenn Sie zur Flöte greift ist Gänsehaut garantiert.
Wie Peter Estenfelder weiter berichtet, ging der Bandgründung 2010 voraus ein Casting in den Mainfränkischen Werkstätten, die 1350 Behinderte beschäftigt, betreut von 350 festen Mitarbeitern. Unterstützt von Steffi List in der Jury und auf der Bühne, verzauberten damals zehn Finalisten ein großes Publikum.
Wirklich ernst mit dem Vorhaben, eine eigene Band zu gründen, wurde es schließlich im November 2011, als Steffi List zu einem Auftritt zur „Nacht der Toleranz“ in Grafenrheinfeld vor 500 Besuchern einlud.
Der gewählte Band-Name Mosaik drückt nach Estenfelders Worten aus, dass aufgrund aller Verschiedenheit und musikalischen Vielfalt, die von Schlager über Pop, von Rock bis hin zu Rap reicht, alle ausgeprägte Individualisten sind mit einem gemeinsamen großen Ziel: Zusammen zu musizieren, Spaß dabei zu haben und die Mitmenschen zu begeistern und zu bewegen. Steffi List wurde zu einem festen Mitglied von Mosaik. Sie probt mit und steht mit auf der Bühne, wann immer es ihre Zeit als Profimusikerin zulässt.
Die Band erfreut sich inzwischen einer starken Nachfrage. Es vergeht kein Monat mehr ohne Bühnenfieber. Estenfelder: "Wir haben im Jahr so an die 25 bis 30 Auftritte, in Frage kommen aber nur Veranstaltungen mit Benefizcharakter, so wie nun das im Zeichen der Inklusion stehende Sommerfest der SPD in Veitshöchheim".
Highlight der Auftritte von Mosaik war zuletzt ein Gastspiel bei Peter Maffay auf dessen Gut Dietlhofen nördlich von Weilheim, das seit Herbst 2015 „physisches Zentrum aller Aktivitäten der Peter Maffay Stiftung“ ist. Diese Einrichtung steht für Integration und Inklusion traumatisierter, sozial benachteiligter, körperlich behinderter, aber auch von allen Problemen unbelasteter („normaler“) Kinder unterschiedlichster Altersklassen und ihre Begegnung miteinander.
Soweit keine Bühne vorhanden ist, kommt die Band, wie in Veitshöchheim, mit einem mit der entsprechenden Show-Technik ausgestatteten Werkstätten-LKW, zugleich als Bühne nutzbar, deren Ausstattung laut Estenfelder zu 90 Prozent gesponsert wurde. Gagen gibt es keine, nur die Unkosten werden von den Veranstaltern erstattet. Schließlich will die Band ja nicht den Erlös für einen guten Zweck schmälern, der beim Sommerfest, so Sibylle Brandt, zu gleichen Teilen dem Gnadenhof "Gut Harmony" und dem Flüchtlings-Arbeitskreis "Veitshöchheim hilft" zu Gute kommt.
Nur schade, dass der 135minütige Auftritt der Inklusionsband ab 11 Uhr nur wenige Gäste anzog, die in den Genuss nahezu all ihrer einstudierten Titel kamen, neben den eigenen Kompositionen auch ins Ohr gehende Cover-Hits wie "Tage wie diese", "Ich war noch niemals in New York", "Knockin' On Heavens Door" oder "Heartbreak Hotel". (Anmerkung: im Biergarten "Meegärtle" waren um 17.30 Uhr nahezu doppelt so viele Leute anzutreffen).
Fotos © Dieter Gürz