20 Jahre Veitshöchheimer Partnerschaft mit Greve in Chianti - Wie alles begann
Erste Kontaktaufnahme im Mai 1993 - Sindaco Paolo Saturnini (3.v.l.) begrüßt vor dem Rathaus die Veitshöchheimer Delegation mit dem zweiten Bürgermeister Bernhard Schlereth (2. v.l.) an der Spitze
Nach der Kontaktaufnahme mit der französischen, im Departement Calvados nahe dem Atlantik liegenden Gemeinde Pont L'-Eveque liebäugelt die Stadtrandgemeinde nun auch damit, mit einer italienischen Gemeinde eine Partnerschaft einzugehen. Auserkoren scheint dazu das 11.500 Einwohner zählende Wein Zentrum Greve in Chianti, eine der flächenmäßig größten Gemeinden Italiens im Herzen des Chianti-Classico-Gebietes,zwischen den weltberühmten Toskana-Städten Florenz und Siena gelegen.
Greve ist während der Weinmesse vom 12. bis 15. September jeden Jahres das Mekka internationaler Weinkäufer.
Jedenfalls kehrte eine Delegation mit zweitem Bürgermeister Bernhard Schlereth an der Spitze überwältigt und begeistert von der zauberhaften Landschaft, dem natürlichen Charme Greves und der sehr offenen und freizügigen Gastfreundschaft der Italiener von einer Stippvisite in die Toskana zurück.
Die Veitshöchheimer Delegation hatte sich dem Musikverein angeschlossen, dessen Jahresausflug 1993 in die Toskana führte. Im 30 Kilometer westlich von Florenz gelegenen Weltbad Montecatini untergebracht, nutzte die Delegation die Gelegenheit, einen Tagesausflug in das 80 Kilometer entfernte Greve zu unternehmen.
Den Kontakt dorthin hatte der deutsche Honorarkonsul in Florenz, Horst Dedecke vermittelt. Der damalige Vorsitzende des Musikvereins Jürgen Götz hatte die Mitarbeiterin des Reisebüros, die den Ausflug des Musikvereins organisieren sollte, darauf angesprochen, dass Veitshöchheim eine Partnerstadt in Italien sucht. Diese gab dann das Anliegen an den ihr bekannten Honorarkonsul weiter. Bei einem Gespräch während der Weinmesse in Greve mit Bürgermeister Saturnini kam dann von diesem die Aufforderung, die Veitshöchheimer sollten doch einmal kommen. Leider fand sich für die 50köpfige Reisegruppe keine Unterkunft in der Nähe von Greve.
Greves Bürgermeister Paolo Saturnini hatte die Gäste zunächst in seinem Amtszimmer empfangen und ihnen seine aus vielen Ortsteilen bestehenden Gemeinde vorgestellt. Die Gegend lebt hauptsächlich vom Wein und vom Olivenöl. Es gibt sehr viele Handwerksbetriebe, die teilweise noch wie vor 100 Jahren arbeiten. Immer mehr an Bedeutung gewinnt der Tourismus. Viele Restaurants und Hotels sind im Entstehen. Auch bei Weinbauern kann man zunehmend übernachten.
Die 50 Personen zählende Reisegruppe des Musikvereins konnte leider vom Reisebüro nicht in oder in der Nähe von Greve untergebracht werden.
Am dritten Tag gab der Musikverein auf der Piazza Matteotti vor dem Rathaus ein Standkonzert.
Noch heute schwärmen die Delegationsmitglieder von der Besichtigung des malerisch auf einem Hügel gelegenen Weingutes Castello de Verrazzano, wo sie nicht nur die riesigen Weinkeller besichtigen, sondern auch eine einmalige Weinprobe erleben durften. Zu sehen bekam die Delegation auch eine moderne Terracotto-Fliesenfabrik und die soeben für über 30 Millionen Mark fertiggestellte Müllverbrennungsanlage der Stadt Greve, eine nach dem neuesten Stand der Technik errichtete Kohlevergasungsanlage. In dem vollautomatisch gesteuerten, in Form einer Aktiengesellschaft betriebenen Werk soll der gepresste Restmüll von 800.000 Einwohnern, darunter auch der Stadt Florenz verbrannt und die dabei anfallende Energie direkt von dem angebauten Zementwerk genutzt werden. Es fallen nach Aussage des Betriebsdirektors keinerlei Problemabfälle und auch keinerlei schädliche Abgase an. Die Verbrennungsrückstände würden beim Straßenbau verwendet.
Am Abend traf sich dann die Delegation mit Fraktionsvertretern des Gemeinderats von Greve. Ihm gehören 30 Personen an. Die Mehrheit stellt die PDS, die ehemalige kommunistische Partei, der auch der noch junge Bürgermeister angehört. "Wir freuen uns mit Veitshöchheim eine Partnerschaft anzufangen", sagte Saturnini, tief beeindruckt von dem Diavortrag, mit dem zweiter Bürgermeister Schlereth Veitshöchheim den Italienern schmackhaft gemacht hatte. Von einem regelmäßigen Informationsaustausch versprechen sich die Italiener sehr viel. Saturnini: "Wir wollen andere Verwaltungen kennenlernen und daraus lernen.“
Bei den Vereinen in Greve steht nach seinen Ausführungen die sportliche Betätigung im Vordergrund. Vor allem Fußball und Volleyball stehen in der Gunst ganz oben. Es gibt aber auch die Pro Musica, eine Musikschule, die sehr viele Konzerte veranstaltet. Die Freiwillige Feuerwehr gliedert sich in die vier Bereiche Wein, Wald, Stadt und Landschaft. Fast die Hälfte des riesigen Gemeindegebietes ist Wald. Für diesen bestehen auch freiwillige Hilfs- und Pflegedienste und im Übrigen auch ein Naturschutzverein.
Vertragsunterzeichnung im April 1994
Der zur Provinz Florenz in der italieni¬schen Region Toskana gehörende und 12.000 Einwohner zäh-lende Ort Greve in Chianti ist offiziell die erste ausländische Partnergemeinde von Veitshöchheim. Nach einer einjährigen Phase des Kennenlernens unterzeichneten nun die beiden Bürgermeister Paolo Saturnini und Rainer Kinzkofer im geschichtsträchtigen Rathaussaal von Greve vor einer großen Besucherkulisse das Partnerschaftsabkommen.
Kinzkofer führte eine über 50köpfige Delegation an, die sich aus Vertretern des Gemeinderates, der Verwaltung, des Partnerschaftskomittees und vieler örtlicher Vereine zusammensetzte. Trotz eines für die Toskana untypisch kalten Wetters äußerten sich die Reiseteilnehmer zum Abschluss ihrer viertägigen Fahrt begeistert über das Erlebte, vor allem über die großzügige Gastfreundschaft, Spontanität und Ursprünglichkeit der Italiener.
Fächerartig angebaute Weingärten, Olivenbaumhaine und tieferliegende, kleine Wälder prägen die idyllische und mit vielen alten Gehöften und Castellos zerstreut besiedelte Hügellandschaft rundum Greve, das aus 14 Ortsteilen besteht und flächenmäßig zu den größten Gemeinden Italiens gehört, mitten im Herzen des Chianti-Classico-Anbaugebietes und nur jeweils etwa 35 Kilometer von den weltberühmten Toskanastädten Florenz und Siena sowie San Gimiginano entfernt.
"Saluta gli amici di Veitshöchheim", auf großen Plakaten hießen so die Italiener ihre Gäste willkommen.
Im Weinzentrum Greve steht naturgemäß der Weinbau im Mittelpunkt. Dementsprechend gestaltet war auch das Besuchsprogramm. Die berühmteste Persönlichkeit Greves ist der 1485 hier geborene Giovanni da Verrazzano, der Entdecker der Bucht von New York und der gesamten östlichen Nordküste von Amerika. In New York wurde die längste Hängebrücke nach ihm benannt. Seine Büste steht nicht nur im Blickpunkt der wegen ihrer Laubengänge sehenswerten
Das nahe bei Greve liegende, zauberhafte Castello der Verranzzanos ist mit seinem 228 Hektar großen Weingut das Mekka der Weingenießer im Chianti-Classico-Gebiet schlechthin. Hier konnte die Reisegruppe bei einer Weinprobe die aus nur organisch gedüngten Weingärten stammenden edlen Tropfen hervorragender Jahrgänge vom Chianti Classico DOCG und der drei Jahre und länger im Holzfass ausgebauten Riserva- und Vin Santo-Weine kosten und dazu die Gaumenfreuden der italienischen Küche genießen.
Hohe Qualität aufgrund einer selbstauferlegten Ertragsreduzierung ist auch vorrangig bei der Cantine Sociali Grevepeste, bei uns mit einer Winzergenossenschaft vergleichbar, die jährlich fünf Millionen Kilogramm Trauben, die 180 Weinbauern auf 700 Hektar Rebflächen ernten, zu drei Millionen Liter Wein verarbeitet und vertreibt. Beeindruckend waren aber auch die Besichtigung des Weinkeller des über 500 Hektar großen Antonori-Weingutes unter der imposanten mittelalterlichen Abtei Badia a Passsignano und das Grappa-Dokumentationszentrum Luigi Bonelli in Greve selbst, das die Destillationsverfahren von der Antike bis heute beschreibt und gegenständlich darstellt. Der berühmte Grappa wird aus der frischen Maische des Chianti Classico gebrannt und einige Jahre in Eschen- oder Eichenfässern zur Aromaverbesserung gelagert.
Neben dieser Weindemonstration "per excellance" fand die Reisegruppe schließlich auch noch Zeit für einen Kulturtrip nach Siena und für einen von Pfarrer Herbert Neeser mit Greves Ortspfarrer zelebrierten Gottesdienst.
Bei dem vollgepfropften Besichtigungsprogramm verwunderte es nicht, dass der gegenseitige Erfahrungsaustausch dieses Mal noch etwas zu kurz kam. Im Vordergrund der Partnerschaft sollen nach den Worten von Greves Bürgermeister Paolo Saturnini bei der feierlichen Vertragsunterzeichnung nämlich künftig nicht allein die Besichtigung der touristischen Attraktionen beider Orte stehen. Bereits zum Altortfest im August oder auch zur Weinlese im Herbst sollen die Italiener nach Veitshöchheim kommen, um auch hier nochmals die Partnerschaft zu besiegeln.
Greves Sindaco wünschte sich, dass nicht nur offizielle Gemeinde-Delegationen miteinander verkehren, sondern vor allem die Menschen untereinander, Sportsleute mit Sportsleuten, Kulturmenschen mit Kulturmenschen, Weinexperten mit Weinexperten, Jugendliche mit Jugendlichen. Bereits an Pfingsten reist die Altherrenabteilung des Fußballvereins zum sportlichen Vergleich nach Greve. Der mitgereiste Intendant der Bayerischen Kammeroper Veitshöchheim Dr. Blagoy Apostolov führte erfolgversprechende Gespräche für einen regen kulturellen Austausch seiner Institution ab 1995 mit der in Trägerschaft der Kommune Greve stehenden "Pro Musica Firenze", die mit Chor und Orchester alljährlich ein Klassik-Festival veranstaltet.
Zentrales Thema war in den Reden der beiden Bürgermeister aber auch die bevorstehende Vereinigung Europas. "Wir haben einen großen Schritt nach vorne gemacht in unseren Gemeinden und einen kleinen in der Vereinigung Europas in Freiheit, Frieden und Freundschaft, ohne Gewalt, ohne Rassismus, in ein demokratisches Europa, wo Menschen leben und arbeiten und sich frei entfalten können" so sagte Saturnini.
Völkerverständigung, ein friedliches Zusammenleben, Toleranz und Aufgeschlos¬senheit, so betonte ergänzend Kinzkofer, könne nur über die Begegnung von Menschen und deren Vereinigungen erfolgen. Die gegenseitige Zusammenarbeit mache Europa in der konkreten Wirklichkeit der Gemeinden erlebbar und fassbar. Saturnini verdeutlichte aber auch, dass die besiegelte Freundschaft nicht bedeute, gleich sein zu wollen. Für ihn sei es wichtig, die eigene Integrität und Kultur zu behalten.
Gegenunterzeichnung des Vertrags im Oktober 1994
„Es lebe der Frieden zwischen den Menschen und vor allem die Freundschaft zwischen den Bewohnern von Veitshöchheim und Greve in Chianti“, nach diesem Toast aus dem Munde von Greves Sindaco Paolo Saturnini klangen die Gläser im Foyer des Hofgartenschlosses in Veitshöchheim. Nach der ersten Beurkundung im April 1994 in Greve hatten Saturnini und sein Kollege Rainer Kinzkofer nun auch in Veitshöchheim nochmals feierlich die Partnerschaftsurkunde offiziell ratifiziert.
Greve ist das Mekka des zwischen Florenz und Siena gelegenen weltberühmten italienischen Chianti-Anbaugebietes.
Saturnini dankte den Veitshöchheimern für die wunderbare Gastfreundschaft, die der Großteils privat untergebrachten 33köpfigen Delegation aus der Toskana in den Tagen zuvor zuteil wurde. Auf dem dichtgedrängten Programm standen unter anderem ein Federweißenabend im VCC-Clubheim, eine Weinprobe im historischen Weinkeller der Landesanstalt in der Herrnstraße, eine Besichtigung der weltweit zu den führenden Anbietern der Kennzeichnungstechnik zählenden Firma Metronic sowie Hofgarten-, Synagogen- und eine Stadtführung in Würzburg.
Seit den Anfängen vor über einem Jahr, so sagte Greves Ortsoberhaupt beim Empfang im Hofgartenschloss, hätten sich die Beziehungen inzwischen mehr als erwärmt. Auch Kinzkofer bestätigte, dass nicht nur auf offizieller Seite, sondern auch zwischen zahlreichen Bürgern beider Kommunen schon sehr herzliche Beziehungen bestünden. Dies obwohl nach den Worten von Saturnini die Veitshöchheimer als Nordeuropäer einem völlig anderen Kulturkreis angehören, als die Italiener aus dem Mittelmeerraum. Trotz der Unterschiede gebe es aber viele Gemeinsamkeiten wie etwa den Weinbau oder den Glauben an die Würde des Menschen, das Interesse an der Erhaltung unserer Umwelt und an der von Kunst und Kultur.
Die Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde, so betonten beide Seiten, sei Ausdruck, an dem neuen Ziel der europäischen Integration mitzuwirken. Saturnini: „Gleichwohl werden wir unsere Wurzeln nie vergessen und unsere Tradition erhalten und pflegen.“
Die Kommunen in ihren Bemühungen unterstützen sollen die bereits in beiden Orten ins Leben gerufenen Partnerschaftskomitees. Verantwortlich in Veitshöchheim zeichnet dafür Gemeinderätin Ilse Feser. Auf italienischer Seite ist Donatella Bernardini Partnerschaftsbeauftragte von Greves „Sister Cities“.
Mit dem Ziel, sich trotz sprachlicher Probleme näher zu kommen und einander zu verstehen, unterbreiteten nach der Vertragsunterzeichnung die Vertreter von Abordnungen beider Orte im Sitzungssaal des Rathauses bereits zahlreiche Vorschläge.
So wurde den Veitshöchheimer Winzern angeboten, sich bei einer großen überregionalen Weinbauausstellung in Greve vom 7. bis 11. September 1995 mit einem Stand einen Namen zu machen. Auch umgekehrt sollen die Italiener mit typischen Produkten aus der Toskana beim nächsten Altortfest oder beim Weihnachtsmarkt vertreten sein. Eine große Terrakotta-Fabrik in Greve sei ebenfalls am Aufbau von Geschäftsbeziehungen interessiert, so hieß es. In örtlichen Märkten sollten gegenseitig typische Produkte ständig angeboten werden, beispielsweise bei uns Chiantiwein und Olivenöl aus Greve.
Ein großes Potential eröffnet sich auf kulturellem Gebiet. Die Bayerische Kammeroper Veitshöchheim plant einen Austausch mit Greves „Pro Musica“. Die Veitshöchheimer Sing- und Musikschule reist im Frühjahr nach Greve. Die dortige etwa 60 Mann starke Musikkapelle wiederum würde nächstes Jahr gerne einige Tage nach hier kommen und bei einem Vereinsfest aufspielen.
Im Mittelpunkt der Partnerschaft stehen sollen vor allem Jugendbegegnungen und der Schüleraustausch. Die Veitshöchheimer boten an, im Sommer 1995 für Jugendliche aus ihren Partnerstädten ein Feriencamp unter der Federführung des Jugendzentrums zu organisieren. Auf Greves Seite bestand aber auch der Wunsch, dass Seniorengruppen miteinander kontakten und so eventuell noch aufgrund der Nazizeit bestehende Ressentiments abgebaut werden.
Die wunderbare Landschaft der Chianti-Region und die vielen Sehenswürdigkeiten in der Umgebung sind nach den Worten von Bürgermeister Kinzkofer auch hervorragend für Vereinsausflüge geeignet. Bei der Programmgestaltung sicherte Saturnini seine Unterstützung.
Es gelte nun, so waren sich beide Seiten einig, möglichst viele Leute für die Partnerschaftsidee zu begeistern, private Unterkünfte zu aktivieren und das ganze auf möglichst breite Schultern zu verlagern. Die Delegation aus Greve hatte die Gelegenheit, mit der Firma Metronic ein mittelständisches Unternehmen zu besichtigen, das mit seinen 200 Mitarbeitern nach den Worten des Bürgermeisters der wichtigste Steuerzahler Veitshöchheims ist. Die seit 1982 ansässige Firma von Torald Rohloff zählt weltweit zu den führenden Anbietern der Kennzeichnungstechnik. Großes Interesse fand bei der Besichtigung die von Metronic neu entwickelt „OptiCard“, mit der ein neues Zeitalter der Kartenbedruckung anbricht.
Texte und Fotos: Dieter Gürz