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Staatssekretär Sandro Kirchner attestiert dem Berufsförderungswerk für Blinde in Veitshöchheim beim Neujahrsempfang vorbildlich gelebte Inklusion

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Beim traditionellen Neujahrsempfang des Berufsförderungswerks Würzburg (BFW) in Veitshöchheim am 26. Januar freuen sich über die vorbildliche Inklusion, die in dieser mit 209 Ausbildungsplätzen bundesweit führenden Einrichtung gelebt wird v.l.n.r. Veitshöchheims Bürgermeister Jürgen Götz, Bayerns Innenstaatssekretär Sandro Kirchner, BFW-Geschäftsführerin Judith Faltl, Landrat Thomas Eberth und Aufsichtsratskvorsitzender Klaus Meyer. Als überregionales Kompetenzzentrum  kümmmert sich das BFW um die berufliche Bildung und Wiedereingliederung von erwachsenen blinden und sehbehinderten oder anderen gesundheitlich eingeschränkten Menschen.

"Durch individuelle Beratungsangebote und optimal auf die Einschränkungen abgestimmten Qualifizierungsmaßnahmen erhalten die Rehabilitanden neue berufliche Perspektiven und damit auch neuen Lebensmut", betonte in seinem Grußwort Sandro Kirchner, Staatssekretär des Innern, für Sport und Integration.

Dass mehr als 70 Prozent der BFW-Absolventen nach der Ausbildung wieder einen festen Arbeitsplatz finden, bezeichnete Kirchner als eine großartige Bilanz. Auch der Bayerischen Staatsregierung sei sehr an gesellschaftlicher Inklusion und Stärkung der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung gelegen. Sie unterstütze deshalb die Inklusion in Bayern mit jährlich fast fünf Milliarden Euro. Die bayerische Behindertenpolitik werde mit den Betroffenenverbänden eng abgestimmt. "Wir schaffen Teilhabe für rund 1,5 Millionen Menschen mit Behinderung im Freistaat, das sind rund zwölf Prozent der bayerischen Bevölkerung. Zum Beispiel durch das Programm 'Bayern barrierefrei', durch die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, durch die Neuregelung zu einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber oder auch durch zahlreiche Maßnahmen für barrierefreies Bauen und inklusives Wohnen", so der bayerische Innenstaatssekretär.

Judith Faltl, beruflich 30 Jahre lang als Software-Ingenieurin in der Automobilindustrie und der öffentlichen Verwaltung tätig, war die erste Frau, die zum 1. Januar 2022 als selbst Betroffene die Geschäftsführung eines Berufsförderungswerks übernahm, nach dem sie hier am BFW bereits von 2015 bis 2021 als Aufsichtsratsvorsitzende wirkte.

Die BFW-Geschäftsführerin ist seit 20 Jahren auch ehrenamtliche Landesvorsitzende des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes, für den sie politische Kampagnen mit dem Ziel gestaltete, die Teilhabemöglichkeiten blinder und sehbehinderter Menschen stetig zu verbessern. Im Jahr 2013 gelang es so in Bayern das Taubblindengeld einzuführen und 2018 das Sehbehindertengeld durchzusetzen.

"Corona hat weiterhin unser Handeln dominiert, aber nicht beherrscht", sagte  die 53jährige in ihrem Rückblick auf das Jahr 2022. Die Pandemie war auch für ihr Haus ein Digitalisierungsbeschleuniger.

Faltl: "Wir haben unsere Lernplattform, die es seit 2004 hier barrierefrei gibt, weiter ausgebaut. Inklusive Wege 4.0 ist heute die digitale Basis und Plattform für unsere Angebote." Diese Neuerung habe das BFW bereits auf einer Tagung des Bundesarbeitsministeriums im März und auf der SightCity im Mai 2022 präsentiert.

Vorantreiben will die Geschäftsführerin nun die Planungen, das Sportgelände des BFW umzunutzen als  Wohnstätte und Fördereinrichtung für 24 schwerst mehrfachbeeinträchtigte Menschen  und für die Errichtung einer barrierefreien Wohnanlage für Senioren. Alternativ war hier auch der Neubau der Rupert-Egenberger-Schule im Gespräch, deren Standort der Landkreis nun am Jahresende nach Rimpar verlegte. Vorhabensträger sowohl für die Wohnstätte als auch für das Seniorenprojekt ist die ESW-Bauträger GmbH (Evangelisches Siedlungswerk in Nürnberg), die vom BFW das gesamte Sportgelände erwirbt.

Bei der von der Politik geplanten Akademisierung der therapeutischen Gesundheitsberufe wie Masseur, Bademeister und Physiotherapeut befürchtet die Geschäftsführerin, dass dann  ein Berufsfeld mit einer nahezu 100prozentigen Vermittlungsquote für blinde und sehbehinderte Menschen wegzufallen droht. Dies zum einen, weil in der beruflichen Rehabilitation akademische Ausbildungen nicht finanziert werden können und zum anderen  50 Prozent der blinden und sehbehinderten Menschen, die beim Partner-Berufsförderungswerk Mainz diesen Beruf erlernen wollen und darauf in Veitshöchheim in einem Vorkurs vorbereitet werden, die notwendigen schulischen Voraussetzungen fehlen. Faltl fordert ein vollwertiges, anerkanntes und im System der gesetzlichen Krankenversicherung verankertes Berufsbild mit einem Zugang über einen mittleren Bildungsabschluss.

Zum im Dezember verabschiedeten Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts hegt sie große Hoffnung auf die Genehmigungsfiktion, wenn bei Anträgen an das Inklusionsamt innerhalb von sechs Wochen kein Bescheid ergeht. Faltl: "Diese Vorgabe muss für alle Kostenträger gelten, die unsere Hilfsmittel und Assistenz finanzieren. Noch ist der Zeitraum von vier bis sechs Monaten, der vergeht, bis Arbeitsassistenz und die notwendigen Hilfsmittel am Arbeitsplatz stehen, einfach zu lang."

Wie Faltl sagte, sei sie Anfang 2022 als Geschäftsführerin mit dem Ziel gestartet, dem  BFW eine Perspektive im Leitungsbereich zu geben für blinde, sehbehinderte und auch anderweitig beeinträchtigte Menschen. Für diese Aufgabe freute sie sich auf die gemeinsame Zeit mit ihrem großes Leitungsteam von zwölf Menschen an ihrer Seite, die sie den Gästen vorstellte v.l.n.r. Angelika Beck, Nicole Beck, Jürgen Hofmann, Robert Rosenhahn, Barbara Spanheimer, Judith Faltl, Thomas Schmitt, Silvia Schlagmüller, Dr. Dorothea Ackermann, Christine Haupt-Kreutzer, Christian Knobbe, Sabine Mehnert und Verena Kraitsch.

Klaus Meyer, Vorsitzender des Aufsichtsrates, war es ein Anliegen, dass hier am BFW Behinderte  an ihren Stärken gemessen und diese gefördert und verstärkt werden, damit sie nach ihrem Abschluss das BFW als selbstbewusste, selbstsichere und starke Menschen verlassen und ein wichtiger Teil dieser Gesellschaft im Beruf und im Privatleben werden können.

Christian Knobbe, Teamleiter IT-Ausbildung  präsentierte mit einer Live-Demo als neueste Entwicklung des BFW das hochmodern ausgestattete IT-Labor, mit dem seit Anfang des Jahres die angehenden Fachinformatiker im BFW Würzburg ihre theoretischen Kenntnisse an praktischen Aufgaben erproben und so noch fitter für den Arbeitsmarkt gemacht werden können. Das neue IT-Labor des BFW ist für zwölf Teilnehmer ausgelegt mit den vier Stationen Hardware, Robotik, Programmieren im Netzwerk und 3 D-Druck.

In 24  Monaten ausgebildet, darunter sechs Monate externes Praktikum, werden am BFW mit IHK-Abschluss in der Anwendungsentwicklung "klassische" Programmierer von kundenspezifischen Softwarelösungen und Datenbankspezialisten sowie in der Systemintegration "klassische" Netzwerkspezialisten und -Admnistratoren zur Installation, Konfiguration, Wartung und Störungsbehebung sämtlicher System sowie Hard- und Softwarexperten zur Konzeptionierung und Realisierung komplexer Systeme. 80 Prozent der Lehrinhalte, so Knobbe, sind bei beiden Berufsbildern deckungsgleich. So könne auch der Netzwerktechniker programmieren.

Wie der IT-Ausbildungsleiter unter dem Beifall der Gäste sagte, habe das BFW eine Vermittlungsquote von über 95 Prozent bei den IT-Leuten. Gerade im IT-Bereich bestehe ein großer Fachkräftemangel, dauere es im Durchschnitt sieben Monate, bis eine freie IT-Stelle für Softwareentwickler, IT-Sicherheitsexperten oder Administratoren  wieder besetzt werden kann. So gebe es auch im Raum Würzburg täglich neue Stellenanzeigen.

Die Anschaffung zahlreicher Lego-Spike-Robotikelemente ermöglicht mit ganz vielen Einsatzmöglichkeiten eine praxisorientierte Ausbildung  der Teilnehmenden mit neuesten Technologien wie Scratch-Programme bei der Programmierung.

IT-Ausbilder Jonathan Heinz und Collin Liedtke, seit einem Jahr Kursteilnehmer Fachinformatiker Anwendungsentwicklung, präsentierten den Gästen eine praxisnahe Unterrichtseinheit mit programmierbaren Bausteinen in unterschiedlichen Farben und Formen, angeschlossenen Motoren und Sensoren. Für Liedtke galt es, beim "sportlich auf Liegestütze" veranlagten Lego-Robotik die Zahl der Liegestütze durch Einbau einer Schleife und von Zeiteinheiten von fünf auf acht zu erhöhen.

 

Im Anschluss an die Reden nutzten die Gäste die Chance, sich an den Bistrotischen gegenseitig auszutauschen, während sie Küchenchef Thomas Lehrmann und sein Team mit fränkischen
Spezialitäten vom kalt-warmen Buffet verwöhnte u.a. mit ƒ Wildhasenterrine,  ƒ Tafelspitz-Sülze,  Forellen-Rettich-Salat, ƒ Rote-Bete-CarpaccioSteinpilz-Pannacotta, Cremiger Silvanersuppe, Ragout vom Spessarthirsch, Main-Zander, ƒ Kürbisravioli mit gebratenen Waldpilzen, Sauerkrautkrapfen mit Schnittlauch-Schmand,  Schokoladenmousse mit Quittenragout, Bratapfelcreme und  Quarkstrudel sowie eine Auswahl an Weinen und sonstigen Getränken.

Fotos Dieter Gürz

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