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Beim 5. Jahresforum 2022 der Kfz-Innung in den Mainfrankensälen erhielten im 90. Jubiläumsjahr die 450 Gäste einen Motivationsschub in Sachen Respekt und Handeln in schwierigen Situationen

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Sie sorgten dafür, dass das 5.  Jahresforum der Kfz-Innung Unterfranken in den Mainfrankensälen für die 450 Gäste im Saal höchst lehrreich und unterhaltsam war  v.l.n.r. Berufspilot Philip Keil, Rhetoriktrainer Rene Borbonus, Humorist Matthias Walz und Obermeister Roland Hoier als Moderator.

Erstmals 2016 veranstaltete im Herbst die Kfz-Innung Unterfranken mit ihrem Obermeister Roland Hoier aus Veitshöchheim an der Spitze mit einem Jahresforum in den Mainfrankensälen eine neue Veranstaltungsform, um hre Attraktivität für die  808 Mitgliedsbetriebe zu steigern und diesen zugleich einen Motivationsschub zu geben und einen Mehrwert zu schaffen. Fielen die Termine 2020 und 2021 noch der Coronapandemie zum Opfer, zeigte sich der Obermeister am Donnerstagabend überwältigt, zum 5. Jahresforum der  Innung trotz rapid ansteigender Corona-Fall-Zahlen 450 Gäste begrüßen zu können.

Hoier:  "Wir haben uns in den letzten Jahren rundum erneuert und stehen nun sehr gut gewappnet unseren Mitgliedsbetrieben mit Rat und Tat zur Seite."

Als eine der ältesten Innungen Deutschlands feierte die Kfz-Innung Unterfranken beim Jahresforum mit einem großartigen Programm zugleich ihr 90jähriges Bestehen.

Emotionaler Höhepunkt mit Standing Ovations im Saal war zum Schluss die Verabschiedung von Gottfried Reuß in den Ruhestand, der für die Kfz-Innung seit März 1986, als Ausbildungsberater über 36 Jahre lang in vorbildlicher Weise,  über 11.000 junge Menschen bei ihrer Ausbildung begleitete, dabei den Betrieben mit Rat und Tat zur Seite stand und die Kfz-Innung nach vorne brachte. Da Reuß in seiner Freizeit Sänger und 2. Geschäftsführer des Polizeichors Würzburg ist, sollte ihm zu Ehren eigentlich der Chor ein Ständchen singen, was jedoch wegen Verhinderung des Chorleiters laut Hoier nicht möglich war. Seinen Abschied versüßte ihm die Innung mit einem Gutschein zum Besuch des Arena di Verona Opern Festival 2023 im antiken römischen Amphitheater mit zwei Übernachtungen in einem Viersternehotel, Gourmetessen und Stadtbesichtigung sowie einem dreitägigen Aufenthalt am Gardasee.

Mit dem Berufspiloten Philip Keil konnte der Obermeister für das Jahresforum eine Vortragsredner gewinnen, der zu den „Management-Vordenkern Deutschlands“ zählt und auch in den Mainfrankensälen sein Publikum mit unglaublichen Erlebnissen und wertvollem Expertenwissen fesselte. Denn er sprach über Themen, die auch am Boden über Crash oder Punktlandung entscheiden: "Wie führe ich mich und mein Team, wenn es turbulent wird?"

Über 9.000 Flugstunden, tausende Starts und Landungen auf vier Kontinenten hat der in Kirchheim bei München wohnende Berufspilot hinter sich. Wie er dem Publikum erzählte, machte er dabei die Erfahrung: „Im Cockpit zählt nicht Dein Wissen, sondern allein Dein Handeln vor allem in schwierigen Situationen!"

Eine solch schwierige Situation, von ihm Decision Point genannt, meisterte er 2009, als er buchstäblich in letzter Sekunde einen Flugzeugabsturz mit 189 Passagieren an Bord im freien Fall 150 Meter über dem Boden durch ein Kamikazemanöver verhindern konnte. Keil beschreibt packend, wie dieser Moment sein ­Leben veränderte und was er ihn gelehrt hat. Sein Credo: "Im ­Cockpit wie im Leben können wir bei Turbulenzen nicht rechts ranfahren, ­sondern brauchen einen klaren Kompass."

Ein solcher Decision Point war für Keil vor zwei Jahrzehnten auch sein erster Alleinflug ohne Begleiter nach nur zwölf Flugstunden,

ebenso auch, als er das erste Mal im Cockpit ein Passagierflugzeug als Pilot zu lenken hatte. Hier seine Erkenntnisse:

  • 🛬 "Erfahrungen lassen sich nicht lernen, man muss sie machen"
  • 🛬 "Fehlentscheidungen sind immer besser als keine Entscheidungen zu treffen"
  • 🛬 "Jeder macht Fehler" - "Eine Fehlerkette ist das Versagen eines Teams"
  • 🛬 "Teams scheitern nie an der Aufgabe, sondern an sich selbst"
  • 🛬 "Einer Crew Chance geben, überlebbare Fehler zu machen"
  • 🛬  "Um Selbstvertrauen zu gewinnen: Rollentausch =  Perspektivwechsel, anderer Blickwinkel"
  • 🛬"Wer Eigenverantwortung stärken möchte, muss eine Teamkultur des Vertrauens mit klaren Rollen jenseits starrer Hierarchien schaffen"
  • 🛬"In Ruhe überlegen, was könnte passieren - immer einen Schritt voraus sein = wichtigste Führungskompetenz"
  • 🛬 "Vertrauen = Treibstoff für Erfolg"
  • 🛬 "Was wir brauchen ist ein innerer Kompass (Intuition oder innere Stimme) und der Mut ihm zu folgen"

Allen Leuten im Saal, die Angst vorm Fliegen haben, verdeutlichte der Pilot, dass jede Sekunde irgendwo auf der Welt ein Flugzeug landet und es ganz seltene Fälle sind, wo etwas passiert.

Dem Publikum vor Augen führte der Redner mit eindrucksvoller  Dramaturgie einen der berühmtesten Decicion Points der Fluggeschichte, nämlich unter Abspielen der Kommunikation des Originalfluges die erfolgreiche Notwässerung mit einem Airbus 320 des US-Airways-Fluges 1549 im Jahr 2009 auf dem Hudson River in New York durch den heute 71jährigen Piloten Chesley „Sully“ Sullenberger nach beidseitigem  Triebwerksausfall in nur 900 Meter Höhe infolge Vogelschlag, verfilmt im US-Spielfilm "Sully" von Clint Eastwood mit Tom Hanks als Piloten im Jahr 2016 (siehe nachstehende Links auf Wikipedia-Beschreibung und Streaming).

Alle im Saal sind beeindruckt von den gezeigten Bildern, wie cool der Pilot blieb ohne jede Hektik und Panik und mit welcher Professionalität die Crew die Notsituation bewältigt hat und dadurch die 155 Passagiere überlebten. Dabei spielte auch der "menschliche Faktor" eine wesentliche Rolle, denn auf eine solche Situation kann kein Pilot vorbereitet sein.

Wie (überlebens-) wichtig das Vertrauen in die eigenen Stärken ist, weiß Philip Keil aus eigener Erfahrung. Sein Credo: "Im ­Cockpit wie im Leben können wir bei Turbulenzen nicht rechts ranfahren, ­sondern brauchen einen klaren Kompass." In seinem Buch "Du bist der Pilot" stellt er zehn ­Erfolgsfaktoren vor, die auch am Boden den Unterschied ­machen zwischen Crash und Punktlandung ausmachen (siehe nachstehender Link auf Handout).

Obermeister Hoier hatte René Borbonus als Rhetorik-Trainer erlebt und war beeindruckt. Nun gelang es ihm, diesen zum Jahresforum in die Mainfrankensäle zu lotsen, um über das Thema "Respekt" zu referieren, denn "Ohne Respekt versinkt die Welt in Chaos, werden die Menschen krank". Der Berufsredner, der in der Westerwald-Stadt Montabaur aufgewachsen ist, Philosophie studiert hat und von 2005  bis 2011 als Rhetorik-Trainer bei der FDP und aktuell bei einer anderen Fraktion tätig ist, brachte die Zuhörer mit Witz, Wissen und Beispielen mitten aus dem Leben ordentlich ins Grübeln.

Borbonus: "Wie kann das nur sein? Respekt ist ein Wert, der in Firmenleitbildern steht und überall gefordert wird. Aber kaum einer weiß, wie er diese Forderung konkret umsetzen soll. Und obwohl sich über die Bedeutung von Respekt für ein gutes Miteinander alle einig sind, vermissen ihn doch so viele Menschen, laut einer Umfrage sogar 80 Prozent am Arbeitsplatz."  

Ein Beispiel für einen respektlosen, zum Teil schon ehrverletzenden Umgang mit anderen ist für den Referenten die "Heute Show",  ebenso auch das "Dschungelcamp". Hierzu zählt er auch die Streitsucht in der Politik, wo viele nach dem Motto verfahren: "Sei heute respektlos und du stehst morgen in der Zeitung."

In den sozialen Medien würden häufig sehr harte Auseinandersetzungen geführt, durch die Anonymität begünstigt.  Überdies würden sich hier viele oft im Affekt unreflektiert, also sehr schnell und emotional äußern. Früher habe man stattdessen einen Brief geschrieben, der dann erst noch zum Briefkasten musste. Da habe man sich das Ganze oft noch einmal anders überlegt. Dieser Filter fehle heute, denn Affektkommunikation sei oft nicht sehr respektvoll.

So rief Borbonus denn provozierend in den Saal: "Ihr seid alle respektlos - auch ohne es zu wollen."  Dies untermauerte er mit fünf Thesen. In den aufgeführten Beispielen konnte sich so mancher direkt wiederfinden.

So würden ohne böse Absicht würden viele bagatellisieren, wenn andere ein Problem haben wie „Das ist doch nicht so schlimm!“ oder „Stell dich nicht so an!“ Ebenso  respektlos sei aber auch das Verschlimmern wie „So könnte ich ja nicht leben!“

Für Respektlosigkeiten sorge immer wieder auch das Spannungsfeld von Verbundenheit und Unabhängigkeit, gerade zwischen Partnern oder Eltern und Kindern. Zuviel Verbundenheit gehe zu Lasten der Unabhängigkeit und umgekehrt. Dieser gegenläufige Kampf sei die Ursache von acht von zehn Konflikten.

Als dritte Form der Respektlosigkeit nannte der Redner die berühmten Warum- oder auch Suggestivfragen, auf die man eigentlich gar keine Antwort möchte, sondern manipulativ dem anderen damit nur sein Fehlverhalten vorhalten will. Dabei sei die gerade heraus geäußerte Kritik doch viel wirkungsvoller.

Die schlimmste Respektlosigkeit sei aber, so Borbonus, die Konsistenz, die Glaubwürdigkeit und damit die Würde des Gegenüber in Frage zu stellen, wie zum Beispiel mit dem Satz „Du hast doch gesagt, dass du das erledigst.“

Mit einem Beispiel aus seiner Familie veranschaulichte der Rhetoriktrainer, wie er seinem Sohn das Gefühl gab, ein Lügner zu sein, als er ihn fragte "Hast du dir die Zähne geputzt", obwohl er sah, dass die Zahnbürste trocken war. Borbonus: "Aber das machen wir mit Menschen, die uns nahe stehen, zu Hause und im Beruf: Wir zerren sie durch die Manege an einem Nasenring, machen  sie zu Lügnern und wir machen sie traurig."

Warum man dies alles mache? „Weil wir nicht über Kommunikation nachdenken“, sagt Borbonus. Und dabei rutschen uns Kleinigkeiten raus, die auch schon in der Konsistenzfalle pieksen würden, wie „Da haben Sie mich falsch verstanden“, statt zu sagen „Da habe ich mich falsch ausgedrückt“. Das ermögliche ein viel offeneres Gespräch.

Er verwies schließlich auf Loriot's fünf Zeilen, die er als die größte Konsistenz bezeichnete, die er je erhalten habe:

Du bist zu spät !
Du hast gesagt um 11 !
Ich hab gesagt um 10 !
Ach so – und ich habe 11 verstanden !
...und ich dachte, ich hätte 10 gesagt !

Auch die fünfte Form, das Vergleichen, erfolge meist, um zu kritisieren, auch wenn es gerne als Lob für andere getarnt ist wie "Schau mal, wie schön die Antje ihr Zimmer aufgeräumt hat und Klavier spielt!" Damit würden Eltern nur erreichen, dass ihr Kind Antje abgrundtief hasst.

Respekt, so sagt Borbonus, ist kein Wert an sich, sondern schafft messbare Werte. So sorge respektvolle Kommunikation dafür, dass Menschen gesünder sind,  Unternehmen nachweislich produktiver. So seien Menschen, denen man eine Freude bereitet habe, um den Faktor vier hilfsbereiter und das wiederum würde auf einen zurückfallen.

Sich mit seiner Kommunikation zu befassen ist sehr sinnvoll, findet er. Denn dies habe viel mit der eigenen Lebensqualität zu tun. Also: einfach mal abends hinsetzen und ganz ohne Druck das eine oder andere Gespräch des Tages hinterfragen, empfiehlt Borbonus.

Zum Schluss stellte er seinen Leitsatz vor, der da lautet: "Perfektion schafft Aggression, trennt Menschen voneinander, kein Mensch brauche perfekte Gespräche und perfekte Abläufe." Er zitiert Salvador Dali: "Habe keine Angst vor Perfektion, sie sind weit genug davon entfernt."

Mit auf den Weg gab Borbonus seinen Zuhörern schließlich noch diesen seinen Vortrag zusammenfassenden Text:

"Und deshalb achte auf deine Worte, vor allem auf die Sorte derer, die verletzen, Menschen entsetzen, Nationen auseinander dividieren, ohne sich für Unwahrheiten zu genieren. Und deshalb achte auf deine Worte und wähle eine Sorte, die Menschen vielleicht sogar beglückt, in denen sich Respekt nicht allzusehr versteckt. Und deshalb achte auf deine Worte, denn Worte können heilen, also lass uns denn verweilen, im Nachdenken, im Sinnieren, denn gute Worte brauchen Zeit. Worte verfuhren, berühren, betören und zerstören. Worte verletzen und können heilen. Mal sind sie und mal eilen sie von Herz zu Herz, kritisieren und verursachen Schmerz. Worte phantasieren, insistieren, aktivieren faszinieren, Worte bringen gute Ideen zum Sieg, gewinnen und nehmen Abschied. Worte weisen dich in deine Schranken oder lassen dich Gedanken tanken, Worte formen Beziehungen und auch wenn es dich bedrückt, sie entscheiden dadurch über Glück und Unglück, Worte kannst du wörtlich nehmen und deshalb also los, machen wir die Welt zu einem besseren Ort."

Mit seinem hintergründig scharfen Humor unterhielt dann Matthias Walz mit Wackeldackel am E-Piano, Nerd-Brille und aufgetürmter Rockabilly-Frisur aus Karlstadt am Main, mit irrsinigem Tempo auf die Tasten seines E-Pianos schmetternd, mit von ihm mit satirischen Texten unterlegten Songs. Von Beruf studierter Informatiker und Physiker rockt er seit 2014 mit schwungvollen Songs, tollen Textideen und spitzer Zunge Saal und Show der "Fastnacht in Franken". Für das Jahresform hatte sich der Entertainer voll auf sein Publikum aus der Kfz-Branche eingestimmt, als er ein "Feier-Lied" anstimmte und sich als begeisterter, jedoch von der Technik überforderter Autofahrer outete, als Automobilist seine Pfeile auf die Radfahrer abschoss, ganz im Sinne der Kfz-Lobby ein Loblied auf Andreas Scheuer anstimmte. Der närrische Musikant  intonierte wie in der Fernsehsitzung 2017 mit „Es ist der Senegalese“ die verbale Entgleisung des CSU-Generalsekretärs Andreas Scheuer, der im Jahr zuvor über "fußballspielende, ministrierende Senegalesen" schwadroniert hatte.

Walz glossierte die 80er Jahre als ästhetisches Desaster, die Abba zerstörten und neben dem Waldsterben auch die Qual von Modern Talking hervorbrachten.

Beim Song über "SUV-Fahrer" heizte er die Stimmung auch mit Gitarrenspiel auf sowie der Erkenntnis, dass es auch diese irgendwann mal hinrafft, denn auch ihre Enkel wollen mal was erben.

Zum Schluss verausgabte sich der Karlstädter mit "Ich rock die Bude", nachdem er verraten hatte,  dass er sich während des für Kabarettisten nicht einfachen zweijährigen Lockdowns durch eine Zusatzausbildung als IHK-geprüfter Alleinunterhalter ein zweites Standbein geschaffen hat.

 

Dem Obermeister war es ein Anliegen, sich zum Schluss bei den Sponsoren der Veranstaltung mit einem Präsent zu bedanken.

Fotos Dieter Gürz

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