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Gemeinde Veitshöchheim senkt die Messwerte beim "Blitzen"

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

Wer ab 15. März 2022 mit seinem Auto mit 19 km/h im verkehrsberuhigten Bereich wie hier in der Mainlände unterwegs ist und vom Verkehrsüberwachungsdienst (VÜD) der Gemeinde geblitzt wird, muss ein Bußgeld von 30 Euro blechen. Bis dato wurde ein Autofahrer erst belangt, wenn er mit 26 km/h erwischt wurde. Seit dem 9. November 2021 sind dann nach Abzug der Toleranz von 3 km/h mit 23 km/h dann schon 50 Euro Bußgeld fällig. Der von der Gemeinde entsprechend einer ministeriellen Richtlinie zugrunde gelegte Basiswert von 10 km/h für die im verkehrsberuhigten Bereich geltende Schrittgeschwindigkeit wird hier nämlich um 13 km/h überschritten, bei 19 km/h Messwert abzüglich 3 km/h Toleranz um 6  km/h.

Diesen neu für den verkehrsberuhigten Bereich geltenden Messwert von 19 km/h beschloss der Gemeinderat in der Sitzung am Dienstagabend in der Dreifachturnhalle mit 10:8 Stimmen.

Einstimmigkeit bestand dagegen, die bisherigen Messwerte von 59 km/h in der 50er Zone (= in Veitshöchheim nur noch ein Teil der Pont`l-Evêque-Allee und das gesamte Gewerbegebiet) und von 29 km/h in der 20er Zone (= nur ein Teil der Würzburger Straße von der Parkstraße bis zum Hofgarteneingang) beizubehalten. Mit 13:5 Stimmen wurde dagegen auch der Messwert in der 30er Zone von 42 km/h auf 39 km/h gesenkt.

Somit gilt in der 30er Zone ab 15.3.22 in Veitshöchheim:  das Radargerät schlägt erst bei einer Geschwindigkeit von 39 km/h an - es wird die Toleranz von 3 km/h abgezogen und somit 36 km/h zugrundegelegt = Überschreitung um 6 km/ = 30 Euro Bußgeld
Dies entspricht auch exakt der staatlichen Vorgabe und der Polizeipraxis: Toleranz 5 km/ + Fehlertoleranz 3 km/ = 8 km/h, d.h. bis 38 km/h gibt es kein Bußgeld, erst wenn man mit 39 km/h geblitzt wird.

Sachverhalt

Seit November 2005 müssen die Autofahrer auf Veitshöchheims Straßen damit rechnen, geblitzt zu werden, wenn sie im verkehrsberuhigten Bereich schneller als 25 km/h, in der 30-km-Zone über 41 km/h und bei erlaubten 50 km/h über 58 km/h fahren. Da die Gemeinde mit den Radarkontrollen kein Geld verdienen wollte, wurden damals diese hohen Toleranzen beschlossen. Geringere Überschreitungen wurden erst gar nicht gemessen und damit auch nicht geahndet. 

Laut Beschlussvorlage der Verwaltung hat nun die Polizeiinspektion Würzburg-Land bei einer Messstellenbeschau im November 2021 zum Ausdruck gebracht, dass diese hohen Grenzwerte kontraproduktiv im Sinne einer effektiven Erziehung der Verkehrsteilnehmer seien. Nach den Vorgaben des Bayer. Staatsministeriums des Innern vom Januar 2011 ist nach Abzug der Toleranzfehlergrenze von 3 km/h eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 5 km/h  als unbedeutender Verstoß zu werten und von der Verfolgung in der Regel abzusehen.

Vorgeschlagen wurden deshalb nach dem Vortrag des Bürgermeisters von der Polizei folgende Geschwindigkeitsmessgrenzen: 

  • im 50 km/h-Bereich ab 59 km/h
  • in der 30er-Zone ab 39 km/h
  • im verkehrsberuhigten Bereich (10 km/h) ab 23 km/h mit Ausnahme der Echter-, Herrn- und Kirchstraße, Mainlände ab 19 km/h

Diskussion

Stefan Oppmann (UWG) beklagte, dass sich in letzter Zeit die Beschwerden von Bürgern über zu schnell fahrende Autos in den Wohngebieten häufen. Er plädierte deshalb dafür die Toleranzgrenze für die Messungen weiter herunterzuschrauben. Dies tat auch Ute Schnapp (SPD).

Für die CSU-Fraktion stellte auch Simon Kneitz fest, dass im Ort zu schnell gefahren wird und deshalb entsprechend dem Votum der Polizei nachgesteuert werden sollte. Kneitz: "Dabei sollte man aber ein gewisses Augenmaß walten lassen und unsere Bürger nicht zu sehr gängeln." Nachdem Veitshöchheim einen sehr ausgedehnten verkehrsberuhigten Bereich hat, plädierte er dafür, in diesem nicht mit unterschiedlichen Messgrenzen zu operieren, sondern moderat diese in diesem Bereich von derzeit 26 km/h auf 23 km/h zu verschärfen und in der erst vor wenigen Jahren neu eingeführten 20er Zone in einem Teilbereich der Würzburger Straße ab 29 km/h zu blitzen. Nach den Worten des Bürgermeisters wurden hier bei bislang vier Messungen 130 Verstöße festgestellt.

Christina Feiler von der Grünenfraktion vertrat die Meinung, dass man das zu schnelle Fahren nur durch ein Herabsetzen der Grenzwerte effektiv weiter begrenzen könne. Sie sprach sich deshalb dafür aus, diesen in der gesamten verkehrsberuhigten Zone einheitlich auf 19 km/h festzusetzen.

Jochen Müller (CSU) sah nicht ganz so wie Feiler eine erzieherische Wirkung durch die Herabsetzung der Messwerte. Er schlug zur Zurücknahme des Gewöhnungseffekts vor, die aufgestellte digitalen Anzeigen in der 30er Zone im Schulbereich so umzuprogrammieren, dass sie die tatsächliche gefahrene Geschwindigkeit grün oder rot anzeigen.

Beate Hofstetter (Grüne) verwies darauf, dass im Altort viele Kinder zur Schule und in den Bilhildiskindergarten unterwegs sind und hier die wenigsten Autofahrer Schrittgeschwindigkeit fahren, viele sogar aggressiv und versuchen würden zu überholen, wenn man sich daran halte.

Bürgermeister Jürgen Götz sagte, dass es das Bestreben der Gemeinde sei, sichere Straßen zu haben und insbesondere im verkehrsberuhigten Bereich die Gleichberechtigung von Fußgängern und Autofahrern einzuräumen, die ihnen zusteht.

Bei der Abstimmung entschied dann eine Mehrheit von zehn gegen acht Stimmen, im verkehsberuhigten Bereich ab 15.3.2022 statt bisher 26 km/h entsprechend dem Vorschlag der Grünenfraktion einen Messwert von 19 km/h zugrundezulegen.

Wie eine Messung am 25. November 2021 in der Würzburger Straße (30er-Zone) ergab, hätten sich hier bei Anwendung des neuen Messgrenzwertes die Zahl der Ahndungen fast verdoppelt. Es wurden 24 Fahrzeuge ab einer Geschwindigkeit von 42 km/h erfasst und geahndet. Nicht erfasst wurden dagegen 21 Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit zwischen 39 und 41 km/h.

 Statistische Zahlen des VÜD Veitshöchheim  der letzten zehn Jahre

Wie aus der Jahresstatistik zu ersehen ist, wurde 2021 nur noch ein Bruchteil der Überschreitungen der Vorjahre  im fließenden Verkehr registriert. Die Ursache dafür ist laut VÜD der Gemeinde, dass seit Mitte März 2021 durch die beauftragte Firma keine Radarkontrollen mehr durchgeführt, wurde, da deren Messgerät  wegen technischer Mängel nicht mehr eingesetzt werden konnte. Im neuen Jahr würde nun die die Gemeinde mit einer anderen Firma zusammenarbeiten. Dann würden wieder, wie zuvor üblich, 25 bis 30 Messtunden monatlich anfallen. Als Messzeuge dabei ist immer eine der bei der Gemeinde angestellten Politessen.

Dass die Gemeinde mit der Verkehrsüberwachung keinen Reibach macht, verdeutlichen die Zahlen, die der Bürgermeister nannte. So verzeichnete der VÜD der Gemeinde für Veitshöchheim 2017 einen Gewinn von 34.000 Euro, für 2018 einen Verlust von 10.000 Euro für 2019 einen Verlust von 72.000 Euro und für 2020 schließlich wieder einen Gewinn von 38.000 Euro, in den vier Jahren somit einen Verlust von 10.000 Euro.

Letztendlich, so Götz, entscheide der Autofahrer durch sein Verhalten, ob die Gemeinde ein plus oder ein minus mache.

Rückblick

Von Anfang an einen eigenen Weg war die Gemeinde schon seit 1993 gegangen. Aufgrund der schlechten Parkmoral und Disziplinlosigkeit vieler Autofahrer im verkehrsberuhigt ausgebauten Altort hatte sich die nördliche Stadtrandgemeinde damals vom Innenministerium und per Übertragungsvereinbarung mit der Polizeidirektion ermächtigen lassen, selbst einen kommunalen Verkehrsüberwachungsdienst (VÜD) zu installieren.

Zwei Politessen überwachten anfangs im Wechsel 20 Stunden und ein Jahr später schon 30 Stunden in der Woche den ruhenden Verkehr. Diese Maßnahme sollte sich bewähren, vor allem gingen die Klagen der Fahrer der Linienbusse über behindert abgestellte Fahrzeuge deutlich zurück.

Seit November 2005 wird vom VÜD auch der fließende Verkehr im Ort zu Lasten des ruhenden Verkehrs überwacht, galten die 30 Stunden weiter, die hier die Politessen unterwegs waren.

Die Überwachung des fließenden Verkehrs bedeutete für die Verwaltung jedoch eine Mehrbelastung. Diese ist nämlich nun auch für das Ordnungswidrigkeiten-Verfahren zuständig, muss die Bilder auswerten, den Fahrer feststellen, diesen anhören, den Bußgeldbescheid erlassen, Punkte nach Flensburg  mitteilen, Widersprüche bearbeiten, Bußgelder beitreiben und im Falle eines Führerscheinentzugs die Daten an Polizei und Führerscheinstelle melden.

Im Rahmen der kommunalen Zusammenarbeit war der Verkehrsüberwachungsdienst (VÜD) der Gemeinde Veitshöchheim bis zum Ende des Jahres 2021 auch in den Gemeinden Margetshöchheim, Rottendorf und Thüngersheim sowie in den Märkten Höchberg, Rimpar, Sommerhausen und Winterhausen tätig.

Im Mai 2021 hatte der Veitshöchheimer Gemeinderat beschlossen,  die Außéndiensttätigkeit des gemeindlichen VÜD drastisch von wöchentlich 106 Stunden um 43 auf 63 Stunden zu reduzieren und dazu die Zweckvereinbarungen mit den Märkten Höchberg (20 Stunden), Rimpar (15 Stunden), Sommerhausen und Winterhausen (zusammen 8 Stunden) zum Jahresende 2021 zu kündigen.

Infolgedessen wurde auch die Zahl der beschäftigten Politessen reduziert.

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D
Fehlt der Mut?<br /> <br /> Schon lange gelten für Autofahrer in Veitshöchheim andere Regeln. Er kann sich mehr Freiheiten erlauben, als anderswo. So auch beim Thema Geschwindigkeitsüberschreitung. Tempo 44 in der 30ger-Zone, kein Problem. Strafe gab es keine. Den zuerst wurden die 3 km Toleranz abgezogen, und dann wurde die Bagatellgrenze so großzügig ausgelegt, dass erst ab 41 km/h geahndet wurde. In anderen Gemeinden wird derjenige, der die festgelegte Geschwindigkeit um weit weniger überschreitet, zur Kasse gebeten. So beispielsweise in Viereth, wo ich in der 30er-Zone mit 36 km/h (nach Abzug der Toleranz) geblitzt wurde. War mein Fehler und die Strafe ist gerechtfertigt. Das nächste Mal achte ich mehr auf den Tacho. Immerhin dient es der Sicherheit. <br /> <br /> 44 km/h oder 30 km/h, macht das einen wesentlichen Unterschied. Ja, eindeutig. So beträgt der Anhalteweg bei 44 km/h rund 33 m. Bei 30 km/h kommt das Fahrzeug nach 18 m zum Stehen. Das sind 15 m mehr! 15 Meter, in denen viel passieren kann. <br /> <br /> Wenn selbst das bayerische Staatsministerium eine Obergrenze von 5 km/h über der bereits korrigierten gemessenen Geschwindigkeit empfiehlt, warum müssen es dann in Veitshöchheim mehr sein? <br /> <br /> Herr Kneitz, Ihren Einwand, dass es nicht darum gehe, die Autofahrer zu gängeln, kann ich nicht nachvollziehen. Die „Gängelung“ erfolgt durch die Geschwindigkeitsbegrenzung, gegen die grundsätzlich nichts einzuwenden ist, und nicht durch die Toleranzgrenze.<br /> <br /> Ich frage mich, wie die Gewinn- und Verlustrechnung der Verkehrsüberwachung, die Herr Bürgermeister Götz vorgetragen hat in Kombination mit dem Statement, dass die Gemeinde hier keinen Gewinn machen will, zu werten ist. Bedeutet dies, dass bei den nun geltenden höheren Bußgeldern für Geschwindigkeitsüberschreitungen oder Falschparken die Kontrolldichte heruntergesetzt wird? Was ist falsch daran, denjenigen zur Kasse zu bitten, der sich ordnungswidrig verhält. Im Gegenteil, warum nicht aus den Einnahmen der Ordnungswidrigkeiten einen soliden Haushaltsposten machen und das so gewonnene Geld z.B. in die Verkehrssicherheit investieren. Allein bei 30 geahndeten Verstößen pro Tag und einem mittleren Verwarngeld von 40 € kämen hier fast 500.000 € zusammen. Utopisch? Sicher nicht. Allein auf meinem kurzen Weg zur Arbeit durch die Wolfstalstraße und die Raiffeisenstraße sind mir sieben Verstöße aufgefallen. Parken auf dem Gehweg, außerhalb der Parkmarkierungen, im Kurvenbereich, im Halteverbot. Kavaliersdelikte? Nein! Hier werden Fußgänger auf die Fahrbahn gezwungen, hier wird Rettungsfahrzeugen möglicherweise die Zufahrt erschwert oder versperrt!<br /> <br /> In jeder Bürgerversammlung wird sich über Falschparker und Autofahrer, die meinen, Geschwindigkeitsbeschränkungen laxer auslegen zu dürfen, beschwert. Hier kann nur mit einer engmaschigen Kontrolle verbunden mit einer strikten Ahndung gegengesteuert werden. Die meisten Autofahrer halten sich an die Regeln, aber die, die in der Regel aus egoistischen Motiven zulasten der Gemeinschaft meinen, mit dem Erwerb eines Fahrzeugs das Recht eingekauft zu haben, überall parken zu dürfen oder zu schnell zu fahren, denen gehört auf die Finger geklopft bzw. in den Geldbeutel gelangt. Und das ohne Ausnahme!<br /> <br /> Dieter Leimkötter
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D
Herr Leimkötter, da haben Sie was missverstanden: Ihr Beispiel Viereth entspricht exakt der Regelung ab 15.3.22 in Veitshöchheim - das Radargerät schlägt erst bei einer Geschwindigkeit von 39 km/h an - es wird die Toleranz von 3 km/h abgezogen und somit 36 km/h zugrundegelegt = Überschreitung um 6 km/ = 30 Euro Bußgeld<br /> Dies entspricht auch exakt der staatlichen Vorgabe und der Polizeipraxis: Toleranz 5 km/ + Fehlertoleranz 3 km/ = 8 km/h, d.h. bis 38 km/h gibt es kein Bußgeld, erst wenn man mit 39 km/h geblitzt wird.<br /> <br />