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Die neue Leiterin der Veitshöchheimer Bücherei im Bahnhof sprüht nur so vor kreativen Ideen

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

"Neue Besen kehren gut - oder zumindest anders." Diese Redensart trifft voll auf Dr. Astrida Wallat zu, die im November 2020 die Leitung der seit 1990 im historischen Bahnhofsgebäude untergebrachten und im Vorjahr für 630.000 Euro neugestalteten Gemeindebibliothek innehat. Im Gegensatz zu den bisherigen Leitungskräften, der Diplom-Bibliothekarin Elisabeth Birkhold (bis Ende März 2014) und danach ihres Vorgängers, des Bibliothekinspektors Martin Wehner verfügt Wallat über keine klassische Bibliothekar-Ausbildung.

Bücher spielten jedoch bislang in ihrem Leben eine Hauptrolle. So ist sie seit ihrer Kindheit eng befreundet mit Jim Knopf und Pippi Langstrumpf, begeistert sich für die Krimis von Andrea Camilleri, die historischen Romane von Petra Durst-Benning und das Werk von Robert Menasse, hat nebenberuflich als Schriftstellerin schon selbst zwei Unterhaltungsromane verfasst. So war es für sie auch keine Frage, nach dem Studium der Germanistik und Theologie in Würzburg und Urbino, Promotion in Neuere Deutsche Literaturwissenschaften bei Prof. Dr. Wolfgang Riedel im Verlagswesen zu arbeiten, zuletzt elf Jahre beim Reclam Verlag, Stuttgart als Redaktionsleiterin. Sie hatte nun den Wunsch, beruflich noch einmal etwas Anderes zu machen, etwas mit Büchern war die Voraussetzung

Zwischen ihr und der Veitshöchheimer Bücherei im Bahnhof war es dann, wie sie mit leuchtenden Augen sagt, gewissermaßen Liebe auf den ersten Blick. Sie gerät ins Schwärmen, wenn sie auf die Vorzüge ihres neuen Betätigungsfeldes zu sprechen kommt, vor allem auf das nach Neugestaltung moderne Outfit des Lesecafés mit piniengrünem und dunkelgrauem Wandanstrich und schallschluckenden weißen Elementen  an der Decke, was zum Verweilen in Wiener Caféhaus-Atmosphäre förmlich einlädt. Weiter hat nach ihren Worten die Bücherei auf 830 Quadratmeter diversifizierten Raum für vielfältige Aktivitäten, einen perfekt ausgebauten Bestand von 25.000 Medieneinheiten und ein sympathisches, engagiertes Team.

Dies brachte die vor Ideen nur so sprühende neue Leiterin denn auch auf Instagram postend zum Ausdruck, in dem sie, wie im Bild links zu sehen, in Bodenhaftung sich auf die Fliesen legte, um zwischen ihren Händen das aus dem roten und weißen Cover von 30 Büchern erstellte Logo zu halten.

In der nur kurzen Zeit hat Wallat, seit sie hier ist,  trotz des Lockdowns schon sehr viele neue Aktivitäten entfacht. Sie habe viele tolle Leser, so sagt sie, die sich wirklich interessieren und traurig sind, dass sie nicht kommen können. Deshalb schreibt sie auch Kolumnen im Mitteilungsblatt der Gemeinde. Seit Kurzem ist durch einen kleinen  Präsentationsfilm auch ein virtueller Büchereibesuch der im Jahr 2020 umgebauten Räumlichkeiten möglich.

Überhaupt ist die künstlerisch versierte Leiterin den neuen Medien sehr aufgeschlossen. Trotz des Lockdowns stand das Bücherei-Leben nicht still. Das Medium "Instagram" nutzt die Büchereileiterin mit ihren drei Kolleginnen Katharina, Susanne und Verena intensiv mit regelmäßigen Social-Media-Posts, um den Kontakt zu den 1600 Lesern, die im Vorjahr trotz Corona-Beschränkungen und Büchereiumbau 125.000 Medien entliehen, nicht ganz abreißen zu lassen. So postet das Team regelmäßig persönliche Buchempfehlungen. In der Adventszeit gab es einen literarischen Adventskalender, an dem sich auch  Leser beteiligten. Das "Vier-Mäderl-Haus" freut sich, inzwischen schon 1171 Follower zu haben. Gedreht werden auch kleine Videos, da inzwischen auch ein Youtube Account existiert.

So hat Wallat auf dem zum Inventar der Bücherei gehörenden Konzert-Piano das Lied "Vom Himmel hoch, da komm ich her" gespielt, verbunden mit Weihnachtsgrüßen für die Leserschaft per Youtube-Video (siehe nachstehender Link). Sie outet sich auch als Opernfan, die als Elfjährige andauernd Verdis Oper "Aida" konsumierte. Von daher stamme auch ihr nicht alltäglicher Vorname, denn ihr Vater habe damals ihrem Vornamen Astrid atypisch das a hinzugefügt.

Wie sie erzählt, konnte sie sich umfassend  davon überzeugen, dass Veitshöchheim ein sehr lesefreundliches Pflaster ist und der Leserschaft die coronabedingten Schließungen schwer auf der Seele lasten. Seit Click & Collect wieder erlaubt ist, packen das Büchereiteam viele Taschen für die Leserschaft, wobei besonders das "Überraschungspaket" beliebt ist.

Die Buchpakete können kontaktlos an der Garderobe im Eingangsbereich abgeholt werden. Die Rückgabe erfolgtauf einem Bücherwagen möglich. Wegen der schriftlichen Vorbestellungen muss der Briefkasten dreimal täglich geleert werden.

Da die Büchereileiterin bislang nur Wenige von ihnen bereits persönlich kennenlernen konnte, freut sie sich auf viele weitere spannende Begegnungen im Rahmen des regulären Betriebs oder der hoffentlich bald wieder möglichen Veranstaltungen. Für alle, die sie bisher noch nicht erleben konnten, stellte sie sich im Studio von RadioWürzburgTV per Video vor (siehe nachstehender Link).

Astrida Wallat: "Lesen ist ein großes Wunder!" sagte nicht umsonst eine bekannte österreichische Autorin. Nach nur wenigen Wochen im neuen Beruf darf ich sagen: Die Bücherei im Bahnhof ist zumindest ein kleines."

Für sie ist die Veitshöchheimer Bücherei die schönste, die sie je gesehen hat, sie freue sich jeden Tag, nun dorthin zu gehen. Sie träumt davon, Veitshöchheim für die Literatur ebenso bekannt zu machen wie es für die "Fastnacht in Franken" der Fall ist. Analog nach dem Gemeinde-Motto "Veitshöchheim – so lässt sich’s lesen" ziert dieses auch den neu erstellten Präsentationsfilm der Bücherei.

Wallat hat denn auch schon phantastische Ideen, was sie so alles machen kann, wenn der Lockdown ein Ende hat. Auch eine Beteiligung an der Aktion "Würzburg liest ein Buch" ist geplant.

Als Leiterin möchte sie die Bücherei als Kulturzentrum des Ortes und beliebten Treffpunkt langfristig etablieren zum Schmökern, Diskutieren, aber auch einfach zum Kaffeetrinken und Plaudern.

Erreichen will sie die feste Verankerung der Bücherei im Leben der Gemeinde durch enge Zusammenarbeit und gute Vernetzung mit lokal wichtigen Institutionen wie Kindergärten, Schulen, Kulturamt, Sing- und Musikschule, Jugendzentrum oder Würzburg Radio/TV.

So schwebt ihr ein Schreibwettbewerb für Grundschüler mit Prämierung der schönsten Geschichten,  Angebote für Schulunterricht in der Bücherei (beispielsweise in der Kinderbücherei - im Bild) oder in Zusammenarbeit mit dem Gymnasium einen Lektüre-Kreis mit Lehrern und ausgewählten Schülern oder ein Escape-Room-Spiel für Jugendliche. Hauptansprechpartnerin für Schulen und Kindergärten ist ihre neue Mitarbeiterin Katharina Otto, die nebenbei mehrere Chöre leitet. Diese wolle sich schwerpunktmäßig auch in die bald hoffentlich wieder rege Veranstaltungsplanung einbringen. Geplant seien so auch Veranstaltungen, die Literatur und Musik verbinden.

In Bezug auf die Belletristik liegt der Büchereileiterin ein gutes Angebot an Unterhaltungsliteratur ebenso am Herzen wie die Präsenz der führenden feuilletonistischen Neuerscheinungen. Im Sachbuch sind Koch-, Hobby- und Gartenbücher ebenso wie Ratgeber besonders beliebt, in "normalen" Zeiten Reiseführer. Auch hier werde es künftig immer wieder Spannendes zu entdecken geben.

Im Rahmen der Neugestaltung  wurden Regale auch von Wänden abgerückt,  so entstanden im "Blauen Salon" in zwei gegenläufigen Winkeln Kabinette mit Nischencharakter, den Hecken im Hofgarten nachempfunden. Die neue Regalanordnung ermöglicht, den Raum auch für Ausstellungen zu nutzen. Vorgesehen war so auch eine Ausstellung zum 25jährigen Partnerschaftsjubiläum mit Pont-l'Evequê, die jedoch wegen Corona auf unbestimmte Zeit verschoben werden

Etablieren möchte Wallat auch neue Veranstaltungsformate wie eine regelmäßige Aufzeichnung des Autorentalks mit Peter Buchenau in der Bücherei und falls es sich ergibt, zum Teil auch mit Publikum. Eingeladen sollen so auch lokale Autoren, die hier bekannt sind, wie zuletzt Günther Stadtmüller bei einer Online-Lesung im "Blauen Salon"  (siehe nachstehender Link).

Ab und zu sollen aber auch bekannte Autoren nach hier kommen. So wäre es das Größte für sie, wenn sie heuer zum Jubiläum "1700 Jahre jüdischen Leben in Deutschland" einen der bekanntesten deutschsprachigen Autoren, den österreichischen Schriftsteller und politischen Essayisten Robert Menasse zu einer Lesung aus seinem Roman "Vertreibung aus der Hölle" nach hier lotsen könnte.

Für den "Welttag der Poesie", der von der UNESCO zum 21. März ausgerufen wurde,  ist geplant, Lieblingsgedichte im neuen Workshopraum im ersten Stock aufzuhängen.

Für die Schulanfänger plant die Büchereileiterin in einem Büchlein unter dem Titel "Die kleine Lokomotive Veit"  Erstklässlern die Bücherei vorzustellen, wenn möglich durch einen Leistungskurs des Gymnasiums illustriert, das also von älteren Schülern mitgestaltet wird. Für das Schreiben der Geschichte würde sie sich selbst einbringen. Für den Druck des Büchlein, das länger Bestand hätte, sucht sie noch Sponsoren.

Der Königspavillon, auch für die neue Büchereileiterin ein Ort des Rückzugs

Die Bücherei hat nach den von ihr bislang gemachten Erfahrungen einen sehr guten Stand im Rathaus und werde auch von Bürgermeister Jürgen Götz geschätzt, der neuen Ideen offen gegenüberstehe.  Einziger Wermutstropfen ist für sie das derzeitige Bibliotheksprogramm, das total veraltet sei. So will Wallat in diesem Jahr den Ausbau der Kundenfreundlichkeit durch einen neuen Online-Katalog in Angriff nehmen, der übersichtlicher ist und bessere Recherchemöglichkeiten bietet.

Fotos (c) Dieter Gürz, bis auf Logo (Bücherei)

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