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Ritual erleichtert Teilnehmenden den Abschied - Julia Wetzels Praxisprojekt BRÜCKE INS LEBEN im Caritas-Don Bosco-Bildungszentrum

Veröffentlicht am von Dieter Gürz

13 Schlösser von ehemaligen Teilnehmern des Caritas Don Bosco-Bildungszentrums Würzburg mit Außenstelle im Veitshöcheimer Ortsteil Gadheim hängen bisher an dem Projekt „Brücke ins Leben“ von Julia Wetzel.

Als Judy, Hermann und Karl vor einigen Monaten ihre Zeit im Caritas-Don Bosco-Bildungszentrum abschlossen, wartete auf sie im Würzburger Christophorus-haus ein neues Ritual: Als Erste durften die drei Teilnehmenden zum Abschied - kurz vor dem Sprung in ein selbstständiges Leben - vor dem Büro ihrer Betreuerin Julia Wetzel ein Vorhängeschloss anbringen - und so offiziell „Tschüss“ sagen.

 Die Gründe, warum junge Menschen die Unterstützung der gemeinnützigen Caritas-Don Bosco GmbH benötigen, sind ganz verschieden. Was die Jugendlichen bei aller Unterschiedlichkeit eint: Sie werden während einer belastenden Lebenslage von den Mitarbeitern des Bildungszentrums unterstützt, ihren individuellen Weg in ein selbständiges Leben und in einen anerkannten Beruf zu finden. Das dauert manchmal ein paar Monate, kann aber auch mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

 „Uns ist aufgefallen, dass wir bei unserer täglichen Betreuungsarbeit ganz viele wichtige Dinge berücksichtigen“, erklärt Julia Wetzel stellvertretend für ihre zwei Kollegen vom Fachbereich Betreutes Wohnen der Jugendhilfe. „Was unserem Team dabei noch etwas zu kurz kam, war der Abschied unserer Teilnehmer nach mehreren Jahren des Beziehungsaufbaus und der Betreuung.“

 Im Rahmen ihrer - inzwischen erfolgreich abgeschlossenen - Zusatzausbildung zur Traumapädagogin wurde gleichzeitig die Bedeutung von Trennung und Abschied thematisiert. „Abschiede können sehr elementare Gefühle auslösen“, erklärt Julia Wetzel. „Besonders dann, wenn Beziehungen wichtig geworden sind.“ Das ist bei fast allen von ihrem Team betreuten Jugendlichen der Fall.  

 Entsprechend machte sich die Heilerziehungspflegerin Gedanken zu einem Praxisprojekt rund um das Thema Abschied. Gemeinsam mit ihrem Team entstand schnell das Bild des Vorhängeschlosses am Brückengeländer. Man schließt wortwörtlich ab und lässt doch ein Schloss mit seinem Namen als Symbol zurück. Die Brücke als Symbol für den Weg in die Selbstständigkeit gefiel allen Teammitgliedern sehr gut.

 So nahm das Projekt „Brücke ins Leben“ seinen Lauf: Ähnlich der beliebten Tradition von Verliebten, Vorhängeschlösser an Brücken zu befestigen, setzte das Team das Projekt kurzerhand an der Wand vor den Büroräumen des „Betreuten Wohnen“ im Christophorushaus in der St. Benediktstraße um. Dort finden regelmäßig Treffs und Gespräche mit den von Julia Wetzel betreuten Jugendlichen statt. Ein passendes Gitter war in der Metallwerkstatt des Bildungszentrums schnell gefunden, ein Kollege strich das Objekt blau an. Im Herbst letzten Jahres standen erneut Abschiede von betreuten Jugendlichen an. Karl brachte als einer der Ersten sein Vorhängeschloss an der „Brücke ins Leben“ an.

Der 22-Jährige absolvierte von September 2016 bis Februar 2020 in dem Bildungszentrum am Schottenanger eine Ausbildung zum Fachpraktiker für Metall. Wohnen konnte er mit Unterstützung und Betreuung von Julia Wetzel nach seiner Zeit in einer der heilpädagogischen Wohngruppen in einer eigenen Wohnung des BBW in der Zellerau. Im Februar endete seine Zeit in der Jugendhilfe. „Mein schönster Moment hier war, als ich das Fußballturnier gewonnen habe“ schrieb der angehende Metallbauer zum Abschied auf die Karte an seinem Vorhängeschloss. Es gehört zum festen Ritual, dass jeder Teilnehmer auf einem kleinen Kärtchen sein schönstes Erlebnis beschreibt.

 Was zum Abschied von jedem Teilnehmenden im Christophorushaus bleibt, ist das Vorhängeschloss. Den Schlüssel des Schlosses nehmen die Jugendlichen mit ins neue Leben, genauso wie die Erinnerungen an ihre Zeit im Bildungszentrum der Caritas-Don Bosco.

 „Unsere Aktion kommt bei den Jugendlichen sehr gut an“, freut sich Julia Wetzel über die durchweg positive Resonanz auf ihre Projektidee. Sie erläutert auch, warum das so ist: „Für unsere Teilnehmer ist es sehr wichtig, zu wissen, dass auch wir Betreuer viel von ihnen lernen“, erklärt die Traumapädagogin. Genau das wird bei der „Brücke ins Leben“ nun auch intensiv thematisiert.

In wenigen Wochen steht der Abschied von Jan aus dem Betreuten Wohnen an. Sein Vorhängeschloss wartet bereits auf ihn. Julia Wetzel ist gespannt, welche Erlebnisse er auf seiner Karte an der „Brücke ins Leben“ hinterlässt…

Foto: Marcus Meier

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